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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zu seinem Burschen. So konnte es ihm an hohen Bekanntschaften nicht fehlen, da sein Herr ein großes Haus machte und seine Gäste sich gern mit dem Littauer unterhielten, dessen gebrochenes Deutsch so spaßig klang und der das Privileg hatte, seiner Landessitte gemäß Jedermann, auch seinen hohen Vorgesetzten, "Du" zu nennen. Selbst die Prinzen kannten seinen Namen und versäumten selten bei Vorstellungen der Compagnie ihn anzusprechen. Er wurde auch Gefreiter, und man versprach ihm sogar die Tressen, wenn er Soldat bleiben wolle. Aber er hielt's nur ein Jahr über seine Dienstzeit aus; dann trieb ihn die Sehnsucht nach der littauischen Heimath zurück. Er nahm die Ueberzeugung mit, daß alle die hohen Herren seine besten Freunde seien, und daß die Littauer da oben einen Stein im Brette hätten. Für seinen König wäre er durch Feuer und Wasser gegangen.

Er fand zu Hause nach diesen vier Jahren Manches verändert. Nur noch die drei Höfe am Fluß hatten Stand gehalten, und drüben war das große Gutshaus aufgebaut und ein Garten angelegt. Seine Eltern, die auf den stattlichen Sohn nicht wenig stolz waren, wünschten dringend, daß er nun sofort die Wirthschaft übernehme. Aber Ansas wich vorsichtig aus. Er habe wohl exerciren gelernt, meinte er, und wisse mit den Waffen gut Bescheid; aber die ländlichen Arbeiten seien ihm ungewohnt geworden, und er müsse erst nochmals in die Lehre. Seine Schwester Mare diente

zu seinem Burschen. So konnte es ihm an hohen Bekanntschaften nicht fehlen, da sein Herr ein großes Haus machte und seine Gäste sich gern mit dem Littauer unterhielten, dessen gebrochenes Deutsch so spaßig klang und der das Privileg hatte, seiner Landessitte gemäß Jedermann, auch seinen hohen Vorgesetzten, „Du“ zu nennen. Selbst die Prinzen kannten seinen Namen und versäumten selten bei Vorstellungen der Compagnie ihn anzusprechen. Er wurde auch Gefreiter, und man versprach ihm sogar die Tressen, wenn er Soldat bleiben wolle. Aber er hielt's nur ein Jahr über seine Dienstzeit aus; dann trieb ihn die Sehnsucht nach der littauischen Heimath zurück. Er nahm die Ueberzeugung mit, daß alle die hohen Herren seine besten Freunde seien, und daß die Littauer da oben einen Stein im Brette hätten. Für seinen König wäre er durch Feuer und Wasser gegangen.

Er fand zu Hause nach diesen vier Jahren Manches verändert. Nur noch die drei Höfe am Fluß hatten Stand gehalten, und drüben war das große Gutshaus aufgebaut und ein Garten angelegt. Seine Eltern, die auf den stattlichen Sohn nicht wenig stolz waren, wünschten dringend, daß er nun sofort die Wirthschaft übernehme. Aber Ansas wich vorsichtig aus. Er habe wohl exerciren gelernt, meinte er, und wisse mit den Waffen gut Bescheid; aber die ländlichen Arbeiten seien ihm ungewohnt geworden, und er müsse erst nochmals in die Lehre. Seine Schwester Mare diente

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/18>, abgerufen am 28.03.2024.