Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

den er zu beklagen hatte, betraf nicht seine Wirthschaft, sondern seine Familie. Seine Frau starb nicht lange nach dem Umzug in das neue Haus, und er blieb seitdem Wittwer, vielleicht weniger aus Anhänglichkeit an die Verstorbene, als weil er praktische Bedenken trug, sich in seinem Alter in eine neue Verbindung einzulassen, die üble Folgen haben konnte.

Daß er nun zwar tüchtig, aber doch nicht vollständig in Wanagischken "aufgeräumt" hatte, konnte bei seiner sonst bewiesenen Energie Wunder nehmen. Aber es hatte seinen guten Grund, daß die drei littauischen Höfe noch standen und ihm die Aussicht nach dem Flusse sperrten. Die zwei hinteren freilich hatte er "so gut wie in der Tasche"; die dazu gehörigen Wiesen- und Haideantheile waren längst sein. Den einen mochte er nur nicht an sich bringen, weil er zur Zeit noch mit mehreren sehr lästigen Ausgedingen (Altentheilen) belastet war, die ihm den Kaufpreis übermäßig vertheuert hätten, und den zweiten hatte er für einen anderen Besitzer eingetauscht, der auf andere Weise nicht zu vermögen gewesen war, einen Hof aufzugeben, dessen Ackerzubehör seine Grenzen durchschnitt; er konnte ihn spätestens nach dem Tode des schon alten Mannes haben. Anders stand es aber mit dem dritten Grundstück, das ihm lange schon ein Dorn im Auge war, den er doch nicht auszureißen vermochte. Der Hof gehörte dem Ansas Wanags, und er war in dessen Familie gewesen, so lange auch

den er zu beklagen hatte, betraf nicht seine Wirthschaft, sondern seine Familie. Seine Frau starb nicht lange nach dem Umzug in das neue Haus, und er blieb seitdem Wittwer, vielleicht weniger aus Anhänglichkeit an die Verstorbene, als weil er praktische Bedenken trug, sich in seinem Alter in eine neue Verbindung einzulassen, die üble Folgen haben konnte.

Daß er nun zwar tüchtig, aber doch nicht vollständig in Wanagischken „aufgeräumt“ hatte, konnte bei seiner sonst bewiesenen Energie Wunder nehmen. Aber es hatte seinen guten Grund, daß die drei littauischen Höfe noch standen und ihm die Aussicht nach dem Flusse sperrten. Die zwei hinteren freilich hatte er „so gut wie in der Tasche“; die dazu gehörigen Wiesen- und Haideantheile waren längst sein. Den einen mochte er nur nicht an sich bringen, weil er zur Zeit noch mit mehreren sehr lästigen Ausgedingen (Altentheilen) belastet war, die ihm den Kaufpreis übermäßig vertheuert hätten, und den zweiten hatte er für einen anderen Besitzer eingetauscht, der auf andere Weise nicht zu vermögen gewesen war, einen Hof aufzugeben, dessen Ackerzubehör seine Grenzen durchschnitt; er konnte ihn spätestens nach dem Tode des schon alten Mannes haben. Anders stand es aber mit dem dritten Grundstück, das ihm lange schon ein Dorn im Auge war, den er doch nicht auszureißen vermochte. Der Hof gehörte dem Ansas Wanags, und er war in dessen Familie gewesen, so lange auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0011"/>
den er zu beklagen hatte, betraf nicht                     seine Wirthschaft, sondern seine Familie. Seine Frau starb nicht lange nach dem                     Umzug in das neue Haus, und er blieb seitdem Wittwer, vielleicht weniger aus                     Anhänglichkeit an die Verstorbene, als weil er praktische Bedenken trug, sich in                     seinem Alter in eine neue Verbindung einzulassen, die üble Folgen haben                     konnte.</p><lb/>
        <p>Daß er nun zwar tüchtig, aber doch nicht vollständig in Wanagischken &#x201E;aufgeräumt&#x201C;                     hatte, konnte bei seiner sonst bewiesenen Energie Wunder nehmen. Aber es hatte                     seinen guten Grund, daß die drei littauischen Höfe noch standen und ihm die                     Aussicht nach dem Flusse sperrten. Die zwei hinteren freilich hatte er &#x201E;so gut                     wie in der Tasche&#x201C;; die dazu gehörigen Wiesen- und Haideantheile waren längst                     sein. Den einen mochte er nur nicht an sich bringen, weil er zur Zeit noch mit                     mehreren sehr lästigen Ausgedingen (Altentheilen) belastet war, die ihm den                     Kaufpreis übermäßig vertheuert hätten, und den zweiten hatte er für einen                     anderen Besitzer eingetauscht, der auf andere Weise nicht zu vermögen gewesen                     war, einen Hof aufzugeben, dessen Ackerzubehör seine Grenzen durchschnitt; er                     konnte ihn spätestens nach dem Tode des schon alten Mannes haben. Anders stand                     es aber mit dem dritten Grundstück, das ihm lange schon ein Dorn im Auge war,                     den er doch nicht auszureißen vermochte. Der Hof gehörte dem Ansas Wanags, und                     er war in dessen Familie gewesen, so lange auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] den er zu beklagen hatte, betraf nicht seine Wirthschaft, sondern seine Familie. Seine Frau starb nicht lange nach dem Umzug in das neue Haus, und er blieb seitdem Wittwer, vielleicht weniger aus Anhänglichkeit an die Verstorbene, als weil er praktische Bedenken trug, sich in seinem Alter in eine neue Verbindung einzulassen, die üble Folgen haben konnte. Daß er nun zwar tüchtig, aber doch nicht vollständig in Wanagischken „aufgeräumt“ hatte, konnte bei seiner sonst bewiesenen Energie Wunder nehmen. Aber es hatte seinen guten Grund, daß die drei littauischen Höfe noch standen und ihm die Aussicht nach dem Flusse sperrten. Die zwei hinteren freilich hatte er „so gut wie in der Tasche“; die dazu gehörigen Wiesen- und Haideantheile waren längst sein. Den einen mochte er nur nicht an sich bringen, weil er zur Zeit noch mit mehreren sehr lästigen Ausgedingen (Altentheilen) belastet war, die ihm den Kaufpreis übermäßig vertheuert hätten, und den zweiten hatte er für einen anderen Besitzer eingetauscht, der auf andere Weise nicht zu vermögen gewesen war, einen Hof aufzugeben, dessen Ackerzubehör seine Grenzen durchschnitt; er konnte ihn spätestens nach dem Tode des schon alten Mannes haben. Anders stand es aber mit dem dritten Grundstück, das ihm lange schon ein Dorn im Auge war, den er doch nicht auszureißen vermochte. Der Hof gehörte dem Ansas Wanags, und er war in dessen Familie gewesen, so lange auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/11
Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/11>, abgerufen am 19.04.2024.