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Wernicke, Carl: Der aphasische Symptomencomplex. Breslau, 1874.

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Nachtrag.

In der Vorrede von Hitzig's gesammelten Abhandlungen,
die während des Druckes der hier vorliegenden Arbeit erschienen
sind, finde ich zu meiner Ueberraschung über die Bedeutung der
Grosshirnoberfläche und sogar über die Aphasie Ansichten aus-
gesprochen, welche mit den meinigen fast vollkommen identisch
sind. Es mag daher nicht überflüssig erscheinen zu constatiren,
dass ich meine Theorie der Aphasie schon im November vorigen
Jahres vor einer Anzahl von Collegen, welchen ich einzelne Ab-
schnitte der Gehirnanatomie demonstrirte, vorgetragen habe. Diese
Uebereinstimmung unserer Ansichten erfüllt mich übrigens mit
um so grösserer Genugthuung, als wir auf gänzlich verschiedenen
Wegen dazu gelangt sind, und als sie beweist, dass die Anatomie
und das physiologische Experiment in ihrer Bedeutung für die
Kenntniss des Gehirnes sich mindestens ebenbürtig gegenüber-
stehen.



Inzwischen ist die Funke (Fall 9) verstorben und zur Sec-
tion gekommen am 23. Juni 1874. Es fand sich Oedem der Pia
und allgemeine Atrophie der Windungen, abgesehen davon aber
die rechte Hemisphäre vollständig intact. Links lässt sich schon
bei Betrachtung der convexen Oberfläche ein ausgedehnter Heerd
gelber Erweichung constatiren, der fast den ganzen I. Urwindungs-
bogen, also beide Ränder der Fissula Sylvii, einnimmt, und ober-
halb dessen die Pia adhärent und getrübt ist. Die einander zu-
gekehrten Flächen der I. Urwindung sind sowohl unter sich, als
auch mit der Aussenwand der Insel fest verklebt, so dass die
Blosslegung der Insel und die Ausschälung des Stammlappens nur
nach sehr sorgfältiger Präparation gelingt. Dabei zeigt sich ein
Hauptast der Art. fossae Sylvii in seinem ganzen Verlaufe throm-
bosirt und in einen festen, gelben und schneeartigen Strang ver-

Nachtrag.

In der Vorrede von Hitzig’s gesammelten Abhandlungen,
die während des Druckes der hier vorliegenden Arbeit erschienen
sind, finde ich zu meiner Ueberraschung über die Bedeutung der
Grosshirnoberfläche und sogar über die Aphasie Ansichten aus-
gesprochen, welche mit den meinigen fast vollkommen identisch
sind. Es mag daher nicht überflüssig erscheinen zu constatiren,
dass ich meine Theorie der Aphasie schon im November vorigen
Jahres vor einer Anzahl von Collegen, welchen ich einzelne Ab-
schnitte der Gehirnanatomie demonstrirte, vorgetragen habe. Diese
Uebereinstimmung unserer Ansichten erfüllt mich übrigens mit
um so grösserer Genugthuung, als wir auf gänzlich verschiedenen
Wegen dazu gelangt sind, und als sie beweist, dass die Anatomie
und das physiologische Experiment in ihrer Bedeutung für die
Kenntniss des Gehirnes sich mindestens ebenbürtig gegenüber-
stehen.



Inzwischen ist die Funke (Fall 9) verstorben und zur Sec-
tion gekommen am 23. Juni 1874. Es fand sich Oedem der Pia
und allgemeine Atrophie der Windungen, abgesehen davon aber
die rechte Hemisphäre vollständig intact. Links lässt sich schon
bei Betrachtung der convexen Oberfläche ein ausgedehnter Heerd
gelber Erweichung constatiren, der fast den ganzen I. Urwindungs-
bogen, also beide Ränder der Fissula Sylvii, einnimmt, und ober-
halb dessen die Pia adhärent und getrübt ist. Die einander zu-
gekehrten Flächen der I. Urwindung sind sowohl unter sich, als
auch mit der Aussenwand der Insel fest verklebt, so dass die
Blosslegung der Insel und die Ausschälung des Stammlappens nur
nach sehr sorgfältiger Präparation gelingt. Dabei zeigt sich ein
Hauptast der Art. fossae Sylvii in seinem ganzen Verlaufe throm-
bosirt und in einen festen, gelben und schneeartigen Strang ver-

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[[71]/0075] Nachtrag. In der Vorrede von Hitzig’s gesammelten Abhandlungen, die während des Druckes der hier vorliegenden Arbeit erschienen sind, finde ich zu meiner Ueberraschung über die Bedeutung der Grosshirnoberfläche und sogar über die Aphasie Ansichten aus- gesprochen, welche mit den meinigen fast vollkommen identisch sind. Es mag daher nicht überflüssig erscheinen zu constatiren, dass ich meine Theorie der Aphasie schon im November vorigen Jahres vor einer Anzahl von Collegen, welchen ich einzelne Ab- schnitte der Gehirnanatomie demonstrirte, vorgetragen habe. Diese Uebereinstimmung unserer Ansichten erfüllt mich übrigens mit um so grösserer Genugthuung, als wir auf gänzlich verschiedenen Wegen dazu gelangt sind, und als sie beweist, dass die Anatomie und das physiologische Experiment in ihrer Bedeutung für die Kenntniss des Gehirnes sich mindestens ebenbürtig gegenüber- stehen. Inzwischen ist die Funke (Fall 9) verstorben und zur Sec- tion gekommen am 23. Juni 1874. Es fand sich Oedem der Pia und allgemeine Atrophie der Windungen, abgesehen davon aber die rechte Hemisphäre vollständig intact. Links lässt sich schon bei Betrachtung der convexen Oberfläche ein ausgedehnter Heerd gelber Erweichung constatiren, der fast den ganzen I. Urwindungs- bogen, also beide Ränder der Fissula Sylvii, einnimmt, und ober- halb dessen die Pia adhärent und getrübt ist. Die einander zu- gekehrten Flächen der I. Urwindung sind sowohl unter sich, als auch mit der Aussenwand der Insel fest verklebt, so dass die Blosslegung der Insel und die Ausschälung des Stammlappens nur nach sehr sorgfältiger Präparation gelingt. Dabei zeigt sich ein Hauptast der Art. fossae Sylvii in seinem ganzen Verlaufe throm- bosirt und in einen festen, gelben und schneeartigen Strang ver-

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Zitationshilfe: Wernicke, Carl: Der aphasische Symptomencomplex. Breslau, 1874, S. [71]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wernicke_symptomencomplex_1874/75>, abgerufen am 23.04.2024.