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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Capitel. Qualitäten.
4. Der Widersetzlichkeit/ und Entgegenzielung/ heist Anti-
pathie.

§. 4. Eben also nach dem bey der Moralität bißher betrach-
tet worden sind/ die vier ursprünglich und eigenthümlichen und dahero
die allerersten Qualitäten/ nemlich (1.) die Existimation: und (2.)
die Geltung oder Ansehnligkeit: wie auch (3.) die Vestigkeit oder
Auffrichtigkeit/ und (4.) die Verdiensamkeit/ welche einer jeden
rechten Person allezeit und eigenthümlich zukommen; derer zwey nem-
lich die Existimation und Vestigkeit/ mehr innerlich; die andern
zwey nemlich die Geltung und Verdiensamkeit mehr eusserlich/
denen Personen anhängig sind/ wormit aber die gantze Republiq/ und
eine jede Societät/ nichts destoweniger innerlich und also wesentlich
behafftet wird; dahero sie nur bey den einzelen Personen vor eusserliche
Gestaltsamkeiten gehalten werden können: aus welchen eusserlichen
doch eigenthümlichen Qualitäten/ nach dem Unterscheid ihrer Quanti-
tät/ die vier gegeneinander stehenden Moral-Elementen/ worinnen ei-
ne jede Republiq als ein also vermischtes Corpus bestehet/ nemlich
(1.) die Wohlachtbarkeit/ (2.) die Minderachtbarkeit/ (3.)
die Mehrverdienligkeit/ (4.) die Minderverdienligkeit/
erwachsen:

§. 5. So folgen nun von denen ursprünglichen Gestaltsamkeiten
und Qualitäten auch die nicht eigenthümlichen/ sondern anderswohin
gerichteten und nur gegenständigen Qualitäten/ welche denen Personen
nicht vor sich/ wann sie gantz allein betrachtet werden/ sondern gegen
und mit andern zukommen: als da ist (1.) die Stellung/ oder die
Gestaltsamkeit eines in der Republiq/ oder sonst in einem particular
Begriff/ einen gewissen Stand habenden/ hier oder dort sich finden-
den/ welche Gestaltsamkeit bey der Moralischen Welt (nicht/ wie bey
der natürlichen/ jederman allzeit und nothwendig/ sondern) nur dem je-
nigen zukomt/ welcher nicht allein sich darzu gebührend legitimiret/
oder habilitiret/ daß er pro loco gethan und praestirt, was davor zu
thun und zu praestiren gesetzt ist/ sondern auch daß er würcklich reci-
pirt
und angenommen/ und hierauff nicht suspendirt worden. Und
also kan es kommen/ daß ein Mensch keine Moralische Stelle habe/ da
er doch einen Ort in der Welt nothwendig haben muß: doch wann
man einen Menschen nicht als eine Natürliche sondern als eine Mora-

lische
M
Capitel. Qualitaͤten.
4. Der Widerſetzlichkeit/ und Entgegenzielung/ heiſt Anti-
pathie.

§. 4. Eben alſo nach dem bey der Moralitaͤt bißher betrach-
tet worden ſind/ die vier urſpruͤnglich und eigenthuͤmlichen und dahero
die allererſten Qualitaͤten/ nemlich (1.) die Exiſtimation: und (2.)
die Geltung oder Anſehnligkeit: wie auch (3.) die Veſtigkeit oder
Auffrichtigkeit/ und (4.) die Verdienſamkeit/ welche einer jeden
rechten Perſon allezeit und eigenthuͤmlich zukommen; derer zwey nem-
lich die Exiſtimation und Veſtigkeit/ mehr innerlich; die andern
zwey nemlich die Geltung und Verdienſamkeit mehr euſſerlich/
denen Perſonen anhaͤngig ſind/ wormit aber die gantze Republiq/ und
eine jede Societaͤt/ nichts deſtoweniger innerlich und alſo weſentlich
behafftet wird; dahero ſie nur bey den einzelen Perſonen vor euſſerliche
Geſtaltſamkeiten gehalten werden koͤnnen: aus welchen euſſerlichen
doch eigenthuͤmlichen Qualitaͤten/ nach dem Unterſcheid ihrer Quanti-
taͤt/ die vier gegeneinander ſtehenden Moral-Elementen/ worinnen ei-
ne jede Republiq als ein alſo vermiſchtes Corpus beſtehet/ nemlich
(1.) die Wohlachtbarkeit/ (2.) die Minderachtbarkeit/ (3.)
die Mehrverdienligkeit/ (4.) die Minderverdienligkeit/
erwachſen:

§. 5. So folgen nun von denen urſpruͤnglichen Geſtaltſamkeiten
und Qualitaͤten auch die nicht eigenthuͤmlichen/ ſondern anderswohin
gerichteten und nur gegenſtaͤndigen Qualitaͤten/ welche denen Perſonen
nicht vor ſich/ wann ſie gantz allein betrachtet werden/ ſondern gegen
und mit andern zukommen: als da iſt (1.) die Stellung/ oder die
Geſtaltſamkeit eines in der Republiq/ oder ſonſt in einem particular
Begriff/ einen gewiſſen Stand habenden/ hier oder dort ſich finden-
den/ welche Geſtaltſamkeit bey der Moraliſchen Welt (nicht/ wie bey
der natuͤrlichen/ jederman allzeit und nothwendig/ ſondern) nur dem je-
nigen zukomt/ welcher nicht allein ſich darzu gebuͤhrend legitimiret/
oder habilitiret/ daß er pro loco gethan und præſtirt, was davor zu
thun und zu præſtiren geſetzt iſt/ ſondern auch daß er wuͤrcklich reci-
pirt
und angenommen/ und hierauff nicht ſuſpendirt worden. Und
alſo kan es kommen/ daß ein Menſch keine Moraliſche Stelle habe/ da
er doch einen Ort in der Welt nothwendig haben muß: doch wann
man einen Menſchen nicht als eine Natuͤrliche ſondern als eine Mora-

liſche
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[89/0099] Capitel. Qualitaͤten. 4. Der Widerſetzlichkeit/ und Entgegenzielung/ heiſt Anti- pathie. §. 4. Eben alſo nach dem bey der Moralitaͤt bißher betrach- tet worden ſind/ die vier urſpruͤnglich und eigenthuͤmlichen und dahero die allererſten Qualitaͤten/ nemlich (1.) die Exiſtimation: und (2.) die Geltung oder Anſehnligkeit: wie auch (3.) die Veſtigkeit oder Auffrichtigkeit/ und (4.) die Verdienſamkeit/ welche einer jeden rechten Perſon allezeit und eigenthuͤmlich zukommen; derer zwey nem- lich die Exiſtimation und Veſtigkeit/ mehr innerlich; die andern zwey nemlich die Geltung und Verdienſamkeit mehr euſſerlich/ denen Perſonen anhaͤngig ſind/ wormit aber die gantze Republiq/ und eine jede Societaͤt/ nichts deſtoweniger innerlich und alſo weſentlich behafftet wird; dahero ſie nur bey den einzelen Perſonen vor euſſerliche Geſtaltſamkeiten gehalten werden koͤnnen: aus welchen euſſerlichen doch eigenthuͤmlichen Qualitaͤten/ nach dem Unterſcheid ihrer Quanti- taͤt/ die vier gegeneinander ſtehenden Moral-Elementen/ worinnen ei- ne jede Republiq als ein alſo vermiſchtes Corpus beſtehet/ nemlich (1.) die Wohlachtbarkeit/ (2.) die Minderachtbarkeit/ (3.) die Mehrverdienligkeit/ (4.) die Minderverdienligkeit/ erwachſen: §. 5. So folgen nun von denen urſpruͤnglichen Geſtaltſamkeiten und Qualitaͤten auch die nicht eigenthuͤmlichen/ ſondern anderswohin gerichteten und nur gegenſtaͤndigen Qualitaͤten/ welche denen Perſonen nicht vor ſich/ wann ſie gantz allein betrachtet werden/ ſondern gegen und mit andern zukommen: als da iſt (1.) die Stellung/ oder die Geſtaltſamkeit eines in der Republiq/ oder ſonſt in einem particular Begriff/ einen gewiſſen Stand habenden/ hier oder dort ſich finden- den/ welche Geſtaltſamkeit bey der Moraliſchen Welt (nicht/ wie bey der natuͤrlichen/ jederman allzeit und nothwendig/ ſondern) nur dem je- nigen zukomt/ welcher nicht allein ſich darzu gebuͤhrend legitimiret/ oder habilitiret/ daß er pro loco gethan und præſtirt, was davor zu thun und zu præſtiren geſetzt iſt/ ſondern auch daß er wuͤrcklich reci- pirt und angenommen/ und hierauff nicht ſuſpendirt worden. Und alſo kan es kommen/ daß ein Menſch keine Moraliſche Stelle habe/ da er doch einen Ort in der Welt nothwendig haben muß: doch wann man einen Menſchen nicht als eine Natuͤrliche ſondern als eine Mora- liſche M

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/99>, abgerufen am 24.04.2024.