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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Vom Unterscheid derer Moralischen Das XI.
oder sie haben eine/ zwey/ drey/ oder mehr Ecken/ deren jede gleicher
Gestalt nichts als eine gewisse Zahl etlicher disseit zusammenfallenden
und jenseit sich so und so weit voneinander sperrenden Striche/ darstel-
ler. Mit welchen Zahlbarkeiten sie einander so oder so begegnen/ und
diese oder jene Würckung ausrichten können/ wie solches in der
Physica Pansophica weiter außgeführet worden.

§. 7. Und weil ohne das die Moralische Welt samt ihren Zu-
gehörungen nach der natürlichen so viel müglich eingerichtet/ und dahe-
ro nicht besser als in Entgegenhaltung derselben erkläret werden kan:
So wollen wir nach Anleitung der natürlichen Gestaltsamkeiten und
Fühlbarkeiten/ welche sich/ wie gedacht/ in lauter Zahlen gründen/ auch
die Moralischen unterscheiden.

§. 8. Wie nun eine natürliche Gestalt- und Fühlbarkeit (consti-
tutio, patibilitas
) nichts anders ist/ als eine natürliche Qualität eines
Dinges oder eines Thuns/ dadurch es sich so und so darzustellen ge-
schicket ist: wordurch auch die natürliche Annehmungs- oder Em-
pfindungs-Krafft gerühret werden mag/ und welche der Mensch so und
so empfindet/ dadurch ihme wohl und wehe geschicht/ oder vielmehr/
welche er wohl oder übel vertragen und leiden kan; Also ist eine Mo-
ralische Gestalt- und Fühlbarkeit nichts anders als eine Moralische
Qualität eines Dinges oder eines Thuns/ dadurch es sich so und so
darstellet; wodurch auch die Moralische Annehmungs- oder Empfin-
dungs-Krafft bezielet oder gerühret werden mag/ das ist/ welche man
füglich geschehen lassen/ in guten oder im bösen vermercken/ und zum
guten oder bösen annehmen/ anrechnen/ gern oder ungern leiden/ wohl
oder übel auffnehmen und empfinden kan.

§. 9. Und wie derer natürlichen Gestaltsamkeiten und Patibili-
täten etliche gleichsam ursprüngliche Qualitäten sind/ etliche gleich-
sam anderweitige: also gibts dergleichen auch bey der Moralischen
Welt.

Und zwar so sind die ursprünglichen
1. entweder eigenthümliche
2. oder gegenständige
Die anderweitigen aber sind
3. entweder ins gemein
4. oder besonders empfindlich und empfänglich.
Die

Vom Unterſcheid derer Moraliſchen Das XI.
oder ſie haben eine/ zwey/ drey/ oder mehr Ecken/ deren jede gleicher
Geſtalt nichts als eine gewiſſe Zahl etlicher diſſeit zuſammenfallenden
und jenſeit ſich ſo und ſo weit voneinander ſperrenden Striche/ darſtel-
ler. Mit welchen Zahlbarkeiten ſie einander ſo oder ſo begegnen/ und
dieſe oder jene Wuͤrckung ausrichten koͤnnen/ wie ſolches in der
Phyſica Panſophica weiter außgefuͤhret worden.

§. 7. Und weil ohne das die Moraliſche Welt ſamt ihren Zu-
gehoͤrungen nach der natuͤrlichen ſo viel muͤglich eingerichtet/ und dahe-
ro nicht beſſer als in Entgegenhaltung derſelben erklaͤret werden kan:
So wollen wir nach Anleitung der natuͤrlichen Geſtaltſamkeiten und
Fuͤhlbarkeiten/ welche ſich/ wie gedacht/ in lauter Zahlen gruͤnden/ auch
die Moraliſchen unterſcheiden.

§. 8. Wie nun eine natuͤrliche Geſtalt- und Fuͤhlbarkeit (conſti-
tutio, patibilitas
) nichts anders iſt/ als eine natuͤrliche Qualitaͤt eines
Dinges oder eines Thuns/ dadurch es ſich ſo und ſo darzuſtellen ge-
ſchicket iſt: wordurch auch die natuͤrliche Annehmungs- oder Em-
pfindungs-Krafft geruͤhret werden mag/ und welche der Menſch ſo und
ſo empfindet/ dadurch ihme wohl und wehe geſchicht/ oder vielmehr/
welche er wohl oder uͤbel vertragen und leiden kan; Alſo iſt eine Mo-
raliſche Geſtalt- und Fuͤhlbarkeit nichts anders als eine Moraliſche
Qualitaͤt eines Dinges oder eines Thuns/ dadurch es ſich ſo und ſo
darſtellet; wodurch auch die Moraliſche Annehmungs- oder Empfin-
dungs-Krafft bezielet oder geruͤhret werden mag/ das iſt/ welche man
fuͤglich geſchehen laſſen/ in guten oder im boͤſen vermercken/ und zum
guten oder boͤſen annehmen/ anrechnen/ gern oder ungern leiden/ wohl
oder uͤbel auffnehmen und empfinden kan.

§. 9. Und wie derer natuͤrlichen Geſtaltſamkeiten und Patibili-
taͤten etliche gleichſam urſpruͤngliche Qualitaͤten ſind/ etliche gleich-
ſam anderweitige: alſo gibts dergleichen auch bey der Moraliſchen
Welt.

Und zwar ſo ſind die urſpruͤnglichen
1. entweder eigenthuͤmliche
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3. entweder ins gemein
4. oder beſonders empfindlich und empfaͤnglich.
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[76/0086] Vom Unterſcheid derer Moraliſchen Das XI. oder ſie haben eine/ zwey/ drey/ oder mehr Ecken/ deren jede gleicher Geſtalt nichts als eine gewiſſe Zahl etlicher diſſeit zuſammenfallenden und jenſeit ſich ſo und ſo weit voneinander ſperrenden Striche/ darſtel- ler. Mit welchen Zahlbarkeiten ſie einander ſo oder ſo begegnen/ und dieſe oder jene Wuͤrckung ausrichten koͤnnen/ wie ſolches in der Phyſica Panſophica weiter außgefuͤhret worden. §. 7. Und weil ohne das die Moraliſche Welt ſamt ihren Zu- gehoͤrungen nach der natuͤrlichen ſo viel muͤglich eingerichtet/ und dahe- ro nicht beſſer als in Entgegenhaltung derſelben erklaͤret werden kan: So wollen wir nach Anleitung der natuͤrlichen Geſtaltſamkeiten und Fuͤhlbarkeiten/ welche ſich/ wie gedacht/ in lauter Zahlen gruͤnden/ auch die Moraliſchen unterſcheiden. §. 8. Wie nun eine natuͤrliche Geſtalt- und Fuͤhlbarkeit (conſti- tutio, patibilitas) nichts anders iſt/ als eine natuͤrliche Qualitaͤt eines Dinges oder eines Thuns/ dadurch es ſich ſo und ſo darzuſtellen ge- ſchicket iſt: wordurch auch die natuͤrliche Annehmungs- oder Em- pfindungs-Krafft geruͤhret werden mag/ und welche der Menſch ſo und ſo empfindet/ dadurch ihme wohl und wehe geſchicht/ oder vielmehr/ welche er wohl oder uͤbel vertragen und leiden kan; Alſo iſt eine Mo- raliſche Geſtalt- und Fuͤhlbarkeit nichts anders als eine Moraliſche Qualitaͤt eines Dinges oder eines Thuns/ dadurch es ſich ſo und ſo darſtellet; wodurch auch die Moraliſche Annehmungs- oder Empfin- dungs-Krafft bezielet oder geruͤhret werden mag/ das iſt/ welche man fuͤglich geſchehen laſſen/ in guten oder im boͤſen vermercken/ und zum guten oder boͤſen annehmen/ anrechnen/ gern oder ungern leiden/ wohl oder uͤbel auffnehmen und empfinden kan. §. 9. Und wie derer natuͤrlichen Geſtaltſamkeiten und Patibili- taͤten etliche gleichſam urſpruͤngliche Qualitaͤten ſind/ etliche gleich- ſam anderweitige: alſo gibts dergleichen auch bey der Moraliſchen Welt. Und zwar ſo ſind die urſpruͤnglichen 1. entweder eigenthuͤmliche 2. oder gegenſtaͤndige Die anderweitigen aber ſind 3. entweder ins gemein 4. oder beſonders empfindlich und empfaͤnglich. Die

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/86>, abgerufen am 25.04.2024.