Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

Bild:
<< vorherige Seite
Von den Moralischen Geschickligkeiten/ Das XXI.
Beschaffenheit: Welche Veränderung Alteratio, die
Alteration oder die Verstellung oder Vergestaltung
heisset/ als wenn ein rother Mensch blaß wird/ wenn ein
warm Ding kalt wird/ etc.
2. Nach der Sehrsamkeit der ermessenen Beschaffenheit/ da
umb so und so viel mehr oder weniger ein Ding/ also be-
schaffen wird/ und diese Verenderung heist Augmenta-
tio
die Vermehrung/ wenn sich die Beschaffenheit ver-
mehret/ als wenn ein heisses Eisen gar glüend und noch
heisser wird/ wenn ein Cörper an seiner Extension zu-
nimmt und grösser wird: oder sie heist Diminutio, die Ver-
minderung/ wenn sich die Beschaffenheit vermindert/ als
wenn ein glüendes Eisen nach und nach erkühlet/ wenn
ein Cörper an seiner Extension abnimmt/ und kleiner
wird/ doch also daß die übrigen Beschaffenheiten deßwe-
gen nicht verendert werden.
. Oder nach seinem gantzen Wesen nach der Förmligkeit
von welcher das Ding seinen wesentlichen Unterscheid
von andern bekompt. Und zwar
3. in Ansehung der neuen Form/ als des Ziels wohin (ter-
mini ad quem
) in dem ein solch veränderlich Ding ent-
stehen und werden/ das ist/ eine solche Form und We-
sens-Gestalt annehmen kan/ die es vorher nicht gehabt:
Als wenn aus Erden ein Holtz wird.
4. Jn Ansehung der alten Form/ als des Ziels woher (ter-
mini a quo
) in dem ein solch verenderlich Ding/ seinen
förmlichen Wesen nach abstehen/ verderben/ oder ver-
wesen/ das ist seine Wesens-Form die es vorhin gehabt/
verliehren kan; als wenn ein Holtz verweset. Da es
denn allezeit eine andere Form/ mehrentheils die uralte/
bekompt/ als wenn das Holtz wieder zur Erden wird/
darauß es gewachsen. Denn es heist Unius corruptio
est alterius generatio,
was verdirbet/ das wird/ nehm-
lich das wird etwas anders.

Und also wird das werden/ von dem Verderben/ nur nach
unterschiedener Betrachtung des Ziels unterschieden/ dahero bey

den
Von den Moraliſchen Geſchickligkeiten/ Das XXI.
Beſchaffenheit: Welche Veraͤnderung Alteratio, die
Alteration oder die Verſtellung oder Vergeſtaltung
heiſſet/ als wenn ein rother Menſch blaß wird/ wenn ein
warm Ding kalt wird/ ꝛc.
2. Nach der Sehrſamkeit der ermeſſenen Beſchaffenheit/ da
umb ſo und ſo viel mehr oder weniger ein Ding/ alſo be-
ſchaffen wird/ und dieſe Verenderung heiſt Augmenta-
tio
die Vermehrung/ wenn ſich die Beſchaffenheit ver-
mehret/ als wenn ein heiſſes Eiſen gar gluͤend und noch
heiſſer wird/ wenn ein Coͤrper an ſeiner Extenſion zu-
nim̃t und groͤſſer wird: oder ſie heiſt Diminutio, die Ver-
minderung/ wenn ſich die Beſchaffenheit vermindert/ als
wenn ein gluͤendes Eiſen nach und nach erkuͤhlet/ wenn
ein Coͤrper an ſeiner Extenſion abnimmt/ und kleiner
wird/ doch alſo daß die uͤbrigen Beſchaffenheiten deßwe-
gen nicht verendert werden.
♎. Oder nach ſeinem gantzen Weſen nach der Foͤrmligkeit
von welcher das Ding ſeinen weſentlichen Unterſcheid
von andern bekompt. Und zwar
3. in Anſehung der neuen Form/ als des Ziels wohin (ter-
mini ad quem
) in dem ein ſolch veraͤnderlich Ding ent-
ſtehen und werden/ das iſt/ eine ſolche Form und We-
ſens-Geſtalt annehmen kan/ die es vorher nicht gehabt:
Als wenn aus Erden ein Holtz wird.
4. Jn Anſehung der alten Form/ als des Ziels woher (ter-
mini à quo
) in dem ein ſolch verenderlich Ding/ ſeinen
foͤrmlichen Weſen nach abſtehen/ verderben/ oder ver-
weſen/ das iſt ſeine Weſens-Form die es vorhin gehabt/
verliehren kan; als wenn ein Holtz verweſet. Da es
denn allezeit eine andere Form/ mehrentheils die uralte/
bekompt/ als wenn das Holtz wieder zur Erden wird/
darauß es gewachſen. Denn es heiſt Unius corruptio
eſt alterius generatio,
was verdirbet/ das wird/ nehm-
lich das wird etwas anders.

Und alſo wird das werden/ von dem Verderben/ nur nach
unterſchiedener Betrachtung des Ziels unterſchieden/ dahero bey

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <list>
            <item>
              <list>
                <item><pb facs="#f0158" n="148"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von den Morali&#x017F;chen Ge&#x017F;chickligkeiten/ Das <hi rendition="#aq">XXI.</hi></hi></fw><lb/>
Be&#x017F;chaffenheit: Welche Vera&#x0364;nderung <hi rendition="#aq">Alteratio,</hi> die<lb/><hi rendition="#aq">Alteration</hi> oder die Ver&#x017F;tellung oder Verge&#x017F;taltung<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;et/ als wenn ein rother Men&#x017F;ch blaß wird/ wenn ein<lb/>
warm Ding kalt wird/ &#xA75B;c.</item><lb/>
                <item>2. Nach der Sehr&#x017F;amkeit der erme&#x017F;&#x017F;enen Be&#x017F;chaffenheit/ da<lb/>
umb &#x017F;o und &#x017F;o viel mehr oder weniger ein Ding/ al&#x017F;o be-<lb/>
&#x017F;chaffen wird/ und die&#x017F;e Verenderung hei&#x017F;t <hi rendition="#aq">Augmenta-<lb/>
tio</hi> die Vermehrung/ wenn &#x017F;ich die Be&#x017F;chaffenheit ver-<lb/>
mehret/ als wenn ein hei&#x017F;&#x017F;es Ei&#x017F;en gar glu&#x0364;end und noch<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;er wird/ wenn ein Co&#x0364;rper an &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Exten&#x017F;ion</hi> zu-<lb/>
nim&#x0303;t und gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er wird: oder &#x017F;ie hei&#x017F;t <hi rendition="#aq">Diminutio,</hi> die Ver-<lb/>
minderung/ wenn &#x017F;ich die Be&#x017F;chaffenheit vermindert/ als<lb/>
wenn ein glu&#x0364;endes Ei&#x017F;en nach und nach erku&#x0364;hlet/ wenn<lb/>
ein Co&#x0364;rper an &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Exten&#x017F;ion</hi> abnimmt/ und kleiner<lb/>
wird/ doch al&#x017F;o daß die u&#x0364;brigen Be&#x017F;chaffenheiten deßwe-<lb/>
gen nicht verendert werden.</item>
              </list>
            </item><lb/>
            <item>&#x264E;. Oder nach &#x017F;einem gantzen We&#x017F;en nach der Fo&#x0364;rmligkeit<lb/>
von welcher das Ding &#x017F;einen we&#x017F;entlichen Unter&#x017F;cheid<lb/>
von andern bekompt. Und zwar<lb/><list><item>3. in An&#x017F;ehung der neuen Form/ als des Ziels <hi rendition="#fr">wohin</hi> (<hi rendition="#aq">ter-<lb/>
mini ad quem</hi>) in dem ein &#x017F;olch vera&#x0364;nderlich Ding ent-<lb/>
&#x017F;tehen und werden/ das i&#x017F;t/ eine &#x017F;olche Form und We-<lb/>
&#x017F;ens-Ge&#x017F;talt annehmen kan/ die es vorher nicht gehabt:<lb/>
Als wenn aus Erden ein Holtz wird.</item><lb/><item>4. Jn An&#x017F;ehung der alten Form/ als des Ziels <hi rendition="#fr">woher</hi> (<hi rendition="#aq">ter-<lb/>
mini à quo</hi>) in dem ein &#x017F;olch verenderlich Ding/ &#x017F;einen<lb/>
fo&#x0364;rmlichen We&#x017F;en nach ab&#x017F;tehen/ verderben/ oder ver-<lb/>
we&#x017F;en/ das i&#x017F;t &#x017F;eine We&#x017F;ens-Form die es vorhin gehabt/<lb/>
verliehren kan; als wenn ein Holtz verwe&#x017F;et. Da es<lb/>
denn allezeit eine andere Form/ mehrentheils die uralte/<lb/>
bekompt/ als wenn das Holtz wieder zur Erden wird/<lb/>
darauß es gewach&#x017F;en. Denn es hei&#x017F;t <hi rendition="#aq">Unius corruptio<lb/>
e&#x017F;t alterius generatio,</hi> was verdirbet/ das wird/ nehm-<lb/>
lich das wird etwas anders.</item></list></item>
          </list><lb/>
          <p>Und al&#x017F;o wird das <hi rendition="#fr">werden/</hi> von dem <hi rendition="#fr">Verderben/</hi> nur nach<lb/>
unter&#x017F;chiedener Betrachtung des Ziels unter&#x017F;chieden/ dahero bey<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0158] Von den Moraliſchen Geſchickligkeiten/ Das XXI. Beſchaffenheit: Welche Veraͤnderung Alteratio, die Alteration oder die Verſtellung oder Vergeſtaltung heiſſet/ als wenn ein rother Menſch blaß wird/ wenn ein warm Ding kalt wird/ ꝛc. 2. Nach der Sehrſamkeit der ermeſſenen Beſchaffenheit/ da umb ſo und ſo viel mehr oder weniger ein Ding/ alſo be- ſchaffen wird/ und dieſe Verenderung heiſt Augmenta- tio die Vermehrung/ wenn ſich die Beſchaffenheit ver- mehret/ als wenn ein heiſſes Eiſen gar gluͤend und noch heiſſer wird/ wenn ein Coͤrper an ſeiner Extenſion zu- nim̃t und groͤſſer wird: oder ſie heiſt Diminutio, die Ver- minderung/ wenn ſich die Beſchaffenheit vermindert/ als wenn ein gluͤendes Eiſen nach und nach erkuͤhlet/ wenn ein Coͤrper an ſeiner Extenſion abnimmt/ und kleiner wird/ doch alſo daß die uͤbrigen Beſchaffenheiten deßwe- gen nicht verendert werden. ♎. Oder nach ſeinem gantzen Weſen nach der Foͤrmligkeit von welcher das Ding ſeinen weſentlichen Unterſcheid von andern bekompt. Und zwar 3. in Anſehung der neuen Form/ als des Ziels wohin (ter- mini ad quem) in dem ein ſolch veraͤnderlich Ding ent- ſtehen und werden/ das iſt/ eine ſolche Form und We- ſens-Geſtalt annehmen kan/ die es vorher nicht gehabt: Als wenn aus Erden ein Holtz wird. 4. Jn Anſehung der alten Form/ als des Ziels woher (ter- mini à quo) in dem ein ſolch verenderlich Ding/ ſeinen foͤrmlichen Weſen nach abſtehen/ verderben/ oder ver- weſen/ das iſt ſeine Weſens-Form die es vorhin gehabt/ verliehren kan; als wenn ein Holtz verweſet. Da es denn allezeit eine andere Form/ mehrentheils die uralte/ bekompt/ als wenn das Holtz wieder zur Erden wird/ darauß es gewachſen. Denn es heiſt Unius corruptio eſt alterius generatio, was verdirbet/ das wird/ nehm- lich das wird etwas anders. Und alſo wird das werden/ von dem Verderben/ nur nach unterſchiedener Betrachtung des Ziels unterſchieden/ dahero bey den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/158
Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/158>, abgerufen am 23.04.2024.