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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Von den Moralischen Geschickligkeiten/ Das XXI.
wied' zu Erdreich/ zu Wasser werden/ so gar/ daß man sagenkan/ daß
aus einen Baum ein Stein/ oder auß einen Stein ein Baum/
auch ohne Zuthuung eines frembden/ und ohne Wegnehmung ei-
nes eigenthumlichen Cörperlichen Stückes werden möge/ wenn
nemlich ein jedes ding erst aufgelöst/ und in das jenige gemeine We-
sen/ also in Erdreich/ in Wasser/ reducirt worden/ aus welchen der-
gleichen besonders Wesen zusammen gesetzet/ und formiret zu
werden pfleget/ welches gemeine Wesen wir den Ursprung und
die Materie nennen. Vnd diese Dinge werden so ferne generabl,
und corruptibl, das ist/ erzeuglich und verweßlich/ Jtem factibl
und destructibl, macherlich/ oder zerreißlich genannt/ weil sie nehm-
lich auß einer gewißen Materie so und so formiret, und wiederum
zu voriger Materie gebracht/ und transformirt, transmutirt, und
gleichsam übersetzet werden können/ ohne Zusatz oder Verlieh-
rung einiges Stückleins.

Wenn man aber die Zahlen nicht absolut, jede vor sich/ son-
dern respectivisch eine gegen die andere betrachtet/ so ferne sie da-
durch ein zusammen gesetztes respectivisches Wesen vorstellen/
welches Lateinisch Ratio (nach dem Nahmen unserer Vernunfft/
weil dergleichen Wesen unsere Vernunfft am besten ergreiffen/
aber über dasselbe gar in das absolut-Wesen hinein nicht kommen/
und gelangen kan) zu Teutsch eine Gegengeltung/ oder ein gegen-
geltendes Ding genennet wird; Kurtz zu reden/ könte mans ein
Geltungs-paar/ eine Zahlen-Kupl/ ein Zahlen Gespanschafft
nennen; So verhalten sich die Zahlen/ nehmlich solche Zahlen-
Gespanschaffte/ wie das Wesen derer zusammen gesetzten Ding/
gleichsam wie die Wesens-Gespanschafften/ von welchen Gott al-
lein außzunehmen/ weil er allein gantz und gar unzusammen ge-
setzet ist; alle Creaturen aber sind/ wo nicht aus gewissen Stü-
cken/ als die Cörper; doch aus gewissen unterschiedenen Be-
schaffenheiten und Kräfften/ als die Geister/ zusammen gesetzt/ und
geben dadurch jede vor sich eine gewisse Wesens Gespanschafft.
Denn da können die Zahlen-Gespanschafften (eben wie die We-
sens-Gespanschafften) nicht allein etliche Veränderungen ihrer
unwesentlichen Beschaffenheiten auff sich nehmen/ als daß eine
Tripelgeltung/ oder ein Tripl-Gespanschafft entweder von gera-

den

Von den Moraliſchen Geſchickligkeiten/ Das XXI.
wied’ zu Erdreich/ zu Waſſer werdẽ/ ſo gar/ daß man ſagenkan/ daß
aus einen Baum ein Stein/ oder auß einen Stein ein Baum/
auch ohne Zuthuung eines frembden/ und ohne Wegnehmung ei-
nes eigenthumlichen Coͤrperlichen Stuͤckes weꝛden moͤge/ wenn
nemlich ein jedes ding eꝛſt aufgeloͤſt/ uñ in das jenige gemeine We-
ſen/ alſo in Erdreich/ in Waſſer/ reducirt worden/ aus welchen der-
gleichen beſonders Weſen zuſammen geſetzet/ und formiret zu
werden pfleget/ welches gemeine Weſen wir den Urſprung und
die Materie nennen. Vnd dieſe Dinge werden ſo ferne generabl,
und corruptibl, das iſt/ erzeuglich und verweßlich/ Jtem factibl
und deſtructibl, macherlich/ oder zerreißlich genañt/ weil ſie nehm-
lich auß einer gewißen Materie ſo und ſo formiret, und wiederum
zu voriger Materie gebracht/ und transformirt, transmutirt, und
gleichſam uͤberſetzet werden koͤnnen/ ohne Zuſatz oder Verlieh-
rung einiges Stuͤckleins.

Wenn man aber die Zahlen nicht abſolut, jede vor ſich/ ſon-
dern reſpectiviſch eine gegen die andere betrachtet/ ſo ferne ſie da-
durch ein zuſammen geſetztes reſpectiviſches Weſen vorſtellen/
welches Lateiniſch Ratio (nach dem Nahmen unſerer Vernunfft/
weil dergleichen Weſen unſere Vernunfft am beſten ergreiffen/
aber uͤber daſſelbe gar in das abſolut-Weſen hinein nicht kom̃en/
und gelangen kan) zu Teutſch eine Gegengeltung/ odeꝛ ein gegen-
geltendes Ding genennet wird; Kurtz zu reden/ koͤnte mans ein
Geltungs-paar/ eine Zahlen-Kupl/ ein Zahlen Geſpanſchafft
nennen; So verhalten ſich die Zahlen/ nehmlich ſolche Zahlen-
Geſpanſchaffte/ wie das Weſen derer zuſammen geſetzten Ding/
gleichſam wie die Weſens-Geſpanſchafften/ von welchen Gott al-
lein außzunehmen/ weil er allein gantz und gar unzuſammen ge-
ſetzet iſt; alle Creaturen aber ſind/ wo nicht aus gewiſſen Stuͤ-
cken/ als die Coͤrper; doch aus gewiſſen unterſchiedenen Be-
ſchaffenheiten und Kraͤfften/ als die Geiſter/ zuſammen geſetzt/ und
geben dadurch jede vor ſich eine gewiſſe Weſens Geſpanſchafft.
Denn da koͤnnen die Zahlen-Geſpanſchafften (eben wie die We-
ſens-Geſpanſchafften) nicht allein etliche Veraͤnderungen ihrer
unweſentlichen Beſchaffenheiten auff ſich nehmen/ als daß eine
Tripelgeltung/ oder ein Tripl-Geſpanſchafft entweder von gera-

den
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[146/0156] Von den Moraliſchen Geſchickligkeiten/ Das XXI. wied’ zu Erdreich/ zu Waſſer werdẽ/ ſo gar/ daß man ſagenkan/ daß aus einen Baum ein Stein/ oder auß einen Stein ein Baum/ auch ohne Zuthuung eines frembden/ und ohne Wegnehmung ei- nes eigenthumlichen Coͤrperlichen Stuͤckes weꝛden moͤge/ wenn nemlich ein jedes ding eꝛſt aufgeloͤſt/ uñ in das jenige gemeine We- ſen/ alſo in Erdreich/ in Waſſer/ reducirt worden/ aus welchen der- gleichen beſonders Weſen zuſammen geſetzet/ und formiret zu werden pfleget/ welches gemeine Weſen wir den Urſprung und die Materie nennen. Vnd dieſe Dinge werden ſo ferne generabl, und corruptibl, das iſt/ erzeuglich und verweßlich/ Jtem factibl und deſtructibl, macherlich/ oder zerreißlich genañt/ weil ſie nehm- lich auß einer gewißen Materie ſo und ſo formiret, und wiederum zu voriger Materie gebracht/ und transformirt, transmutirt, und gleichſam uͤberſetzet werden koͤnnen/ ohne Zuſatz oder Verlieh- rung einiges Stuͤckleins. Wenn man aber die Zahlen nicht abſolut, jede vor ſich/ ſon- dern reſpectiviſch eine gegen die andere betrachtet/ ſo ferne ſie da- durch ein zuſammen geſetztes reſpectiviſches Weſen vorſtellen/ welches Lateiniſch Ratio (nach dem Nahmen unſerer Vernunfft/ weil dergleichen Weſen unſere Vernunfft am beſten ergreiffen/ aber uͤber daſſelbe gar in das abſolut-Weſen hinein nicht kom̃en/ und gelangen kan) zu Teutſch eine Gegengeltung/ odeꝛ ein gegen- geltendes Ding genennet wird; Kurtz zu reden/ koͤnte mans ein Geltungs-paar/ eine Zahlen-Kupl/ ein Zahlen Geſpanſchafft nennen; So verhalten ſich die Zahlen/ nehmlich ſolche Zahlen- Geſpanſchaffte/ wie das Weſen derer zuſammen geſetzten Ding/ gleichſam wie die Weſens-Geſpanſchafften/ von welchen Gott al- lein außzunehmen/ weil er allein gantz und gar unzuſammen ge- ſetzet iſt; alle Creaturen aber ſind/ wo nicht aus gewiſſen Stuͤ- cken/ als die Coͤrper; doch aus gewiſſen unterſchiedenen Be- ſchaffenheiten und Kraͤfften/ als die Geiſter/ zuſammen geſetzt/ und geben dadurch jede vor ſich eine gewiſſe Weſens Geſpanſchafft. Denn da koͤnnen die Zahlen-Geſpanſchafften (eben wie die We- ſens-Geſpanſchafften) nicht allein etliche Veraͤnderungen ihrer unweſentlichen Beſchaffenheiten auff ſich nehmen/ als daß eine Tripelgeltung/ oder ein Tripl-Geſpanſchafft entweder von gera- den

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/156>, abgerufen am 25.04.2024.