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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Capitel. und denen Gesetzen.
stehen/ welche als ein Spiegel dem Menschen vorgesetzet sind/
damit er sich desto leichter dessen erinnern/ und/ als ob er es vor sich
nicht wissen oder anmercken hätte können/ nicht entschuldigen
möchte.

§. 17. Wie nun das würckliche Thun/ wenn es nach An-
eitung des Gesetzes geschicht und verübet wird/ vor richtig und
recht gesprochen/ das ist/ daß es recht sey/ und daß das Thun nach
der Anweisung des Gesetzes gerichtet/ und mit derselben gleich-
sam parallel und gleichständig sey/ gesaget wird; also weil das
Gesetz eben dieselbe Richtigkeit oder die Gerechtigkeit/ justitian, wie
sie sich verhalte verkündiget/ und hersaget und solche befielet/ so
heist solcher Ausspruch dahero zu teutsch das Recht/ lateinisch Jus,
vom jubere, vom heissen und befehlen.

Jst also Jus, das Recht/ nichts anders als der Ausspruch und
Befehl dessen/ was die Richtigkeit vermag. Offtmals zwar be-
deutet das Wort Jus zu teutsch die Macht/ als eine förmliche
Geschicklichkeit des Menschen/ nehmlich die potestät die ihm an-
hängig ist/ über Personen oder über seine Sachen/ daß dieselben
ihme folgen müssen. Allhier aber heist Jus das Recht/ das ist den
Ausspruch der Richtigkeit derer Sachen gegen den Willen/ und
also rückwarts den Ausspruch der Gegenrichtigkeit des Willens
gegen die gesetzte Sache.

§. 18. Weil aber der Ausspruch auff dem Rath-Hauß und
in den Gerichts-Stuben/ über gewisse Sachen die dem Kläger von
rechtswegen zustehen/ vornehmlich tractiret wird/ so hat so wohl
der Ort/ als die Verrichtung an dem Ort/ wie auch die Sache
selbst/ von diesem object den Zunahmen/ und heist auch das
Recht/ wenn man saget/ daß man mit jemand wolle ins Recht
gehen/ ihn ins Recht ziehen/ in jus vocare, sein Recht vindiciren etc.
nehmlich also gehet es mit den Wörtern her. Denn weil über hun-
dert tausendmahl tausend unterschiedener Sachen in der Welt
zu finden/ hingegen in keiner Sprach mehr als etwa 10000. be-
sondere Wörter im Gebrauch; so muß nothwendig ein jedes
Wort (eines dem andern zu Hülff) über tausend unterschiedene
Bedeutungen haben. Welches/ wer es bey zeiten merckt/ der

kan
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Capitel. und denen Geſetzen.
ſtehen/ welche als ein Spiegel dem Menſchen vorgeſetzet ſind/
damit er ſich deſto leichter deſſen erinnern/ und/ als ob er es vor ſich
nicht wiſſen oder anmercken haͤtte koͤnnen/ nicht entſchuldigen
moͤchte.

§. 17. Wie nun das wuͤrckliche Thun/ wenn es nach An-
eitung des Geſetzes geſchicht und veruͤbet wird/ vor richtig und
recht geſprochen/ das iſt/ daß es recht ſey/ und daß das Thun nach
der Anweiſung des Geſetzes gerichtet/ und mit derſelben gleich-
ſam parallel und gleichſtaͤndig ſey/ geſaget wird; alſo weil das
Geſetz eben dieſelbe Richtigkeit oder die Gerechtigkeit/ juſtitiã, wie
ſie ſich verhalte verkuͤndiget/ und herſaget und ſolche befielet/ ſo
heiſt ſolcher Ausſpruch dahero zu teutſch das Recht/ lateiniſch Jus,
vom jubere, vom heiſſen und befehlen.

Jſt alſo Jus, das Recht/ nichts anders als der Ausſpruch und
Befehl deſſen/ was die Richtigkeit vermag. Offtmals zwar be-
deutet das Wort Jus zu teutſch die Macht/ als eine foͤrmliche
Geſchicklichkeit des Menſchen/ nehmlich die poteſtaͤt die ihm an-
haͤngig iſt/ uͤber Perſonen oder uͤber ſeine Sachen/ daß dieſelben
ihme folgen muͤſſen. Allhier aber heiſt Jus das Recht/ das iſt den
Ausſpruch der Richtigkeit derer Sachen gegen den Willen/ und
alſo ruͤckwarts den Ausſpruch der Gegenrichtigkeit des Willens
gegen die geſetzte Sache.

§. 18. Weil aber der Ausſpruch auff dem Rath-Hauß und
in den Gerichts-Stuben/ uͤber gewiſſe Sachen die dem Klaͤger von
rechtswegen zuſtehen/ vornehmlich tractiret wird/ ſo hat ſo wohl
der Ort/ als die Verrichtung an dem Ort/ wie auch die Sache
ſelbſt/ von dieſem object den Zunahmen/ und heiſt auch das
Recht/ wenn man ſaget/ daß man mit jemand wolle ins Recht
gehen/ ihn ins Recht ziehen/ in jus vocare, ſein Recht vindiciren ꝛc.
nehmlich alſo gehet es mit den Woͤrtern her. Denn weil uͤber hun-
dert tauſendmahl tauſend unterſchiedener Sachen in der Welt
zu finden/ hingegen in keiner Sprach mehr als etwa 10000. be-
ſondere Woͤrter im Gebrauch; ſo muß nothwendig ein jedes
Wort (eines dem andern zu Huͤlff) uͤber tauſend unterſchiedene
Bedeutungen haben. Welches/ wer es bey zeiten merckt/ der

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[123/0133] Capitel. und denen Geſetzen. ſtehen/ welche als ein Spiegel dem Menſchen vorgeſetzet ſind/ damit er ſich deſto leichter deſſen erinnern/ und/ als ob er es vor ſich nicht wiſſen oder anmercken haͤtte koͤnnen/ nicht entſchuldigen moͤchte. §. 17. Wie nun das wuͤrckliche Thun/ wenn es nach An- eitung des Geſetzes geſchicht und veruͤbet wird/ vor richtig und recht geſprochen/ das iſt/ daß es recht ſey/ und daß das Thun nach der Anweiſung des Geſetzes gerichtet/ und mit derſelben gleich- ſam parallel und gleichſtaͤndig ſey/ geſaget wird; alſo weil das Geſetz eben dieſelbe Richtigkeit oder die Gerechtigkeit/ juſtitiã, wie ſie ſich verhalte verkuͤndiget/ und herſaget und ſolche befielet/ ſo heiſt ſolcher Ausſpruch dahero zu teutſch das Recht/ lateiniſch Jus, vom jubere, vom heiſſen und befehlen. Jſt alſo Jus, das Recht/ nichts anders als der Ausſpruch und Befehl deſſen/ was die Richtigkeit vermag. Offtmals zwar be- deutet das Wort Jus zu teutſch die Macht/ als eine foͤrmliche Geſchicklichkeit des Menſchen/ nehmlich die poteſtaͤt die ihm an- haͤngig iſt/ uͤber Perſonen oder uͤber ſeine Sachen/ daß dieſelben ihme folgen muͤſſen. Allhier aber heiſt Jus das Recht/ das iſt den Ausſpruch der Richtigkeit derer Sachen gegen den Willen/ und alſo ruͤckwarts den Ausſpruch der Gegenrichtigkeit des Willens gegen die geſetzte Sache. §. 18. Weil aber der Ausſpruch auff dem Rath-Hauß und in den Gerichts-Stuben/ uͤber gewiſſe Sachen die dem Klaͤger von rechtswegen zuſtehen/ vornehmlich tractiret wird/ ſo hat ſo wohl der Ort/ als die Verrichtung an dem Ort/ wie auch die Sache ſelbſt/ von dieſem object den Zunahmen/ und heiſt auch das Recht/ wenn man ſaget/ daß man mit jemand wolle ins Recht gehen/ ihn ins Recht ziehen/ in jus vocare, ſein Recht vindiciren ꝛc. nehmlich alſo gehet es mit den Woͤrtern her. Denn weil uͤber hun- dert tauſendmahl tauſend unterſchiedener Sachen in der Welt zu finden/ hingegen in keiner Sprach mehr als etwa 10000. be- ſondere Woͤrter im Gebrauch; ſo muß nothwendig ein jedes Wort (eines dem andern zu Huͤlff) uͤber tauſend unterſchiedene Bedeutungen haben. Welches/ wer es bey zeiten merckt/ der kan Q ij

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/133>, abgerufen am 29.03.2024.