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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Von dem Recht Das XVII.
Fassung eben des Menschen Hertz als eine Rechen-Tafel/ zwar
ohne Schrifft/ also von Gott eingerichtet/ daß die daraus gehen-
den Sinnen-Regungen/ und die Striche des Verlangen des
Menschen/ stracks bey ihrem Ursprung da/ wo dieses Einmahl
eins hinzielet/ auch hingelencket angehalten und gedrungen seyn
müssen; nur daß sie mehrentheils im fortgehen und heraus fah-
ren sich an die äusserste Härtigkeit des Hertzens stossen/ dadurch
sie gleichsam geknickt (refracte) oder gar ins Gegenspiel zurücke
prallend (reflexe) sich von guten ab und zum bösen hinwenden.

§. 10. Und in einer solchen Einrichtung des Hertzens des
Menschen/ oder woraus sonst die vorsetzlichen Gedancken und
Willens-Würckungen eigentlich herkommen/ nehmlich in einer
solchen Richtsamkeit/ oder innerlichen Richtung/ desselben Grun-
des/ daß die daraus gehenden würcklichen Gedancken dahin/
was recht und gut ist/ angewiesen/ angehalten und gedrungen
werden/ bestehet das innerliche Gesetz/ welches auch das von
Natur ins Hertz geschriebene Gesetz genennet wird. Die Drin-
gung aber selbst ist die Obligation und natürliche Verbindung/
oder die dahin Zielung/ welches auch offtmals die beywohnende
Gerechtigkeit/ die Richtigkeit und das innerliche Gericht/ heisset.
Beydes ist eine fühlbare Qualität/ so ihrem Grund nach natürlich/
ihrer Würckung nach/ Moralisch ist/ welche des Menschen in-
nerliche Empfindungs-Krafft rühret.

§. 11. Denn der Mensch fühlet wohl und merckets/ daß
sein Hertz also eingerichtet/ und gesetzt sey/ daß die noch unver-
führten und unabgeleiteten Gedancken dahin/ wz recht ist und wz
seyn soll/ bey ihrem Ursprung aus dessen Grunde zielen/ welches
fühlen eben das Gewissen des Menschen heist. Er kan aber mit
seinem freyen Willen im fortgehen und ehe die execution geschicht
solche allezeit zum guten gerichtete Zielung oder solche zum guten
verbundene Regungen gleichsam seitwerts ab oder gar ins Ge-
genspiel lencken. Ja nach dem Fall/ dadurch die Natur verder-
bet worden ist/ werden solche des auffrichtigen Grundes des Her-
tzens richtige Zielungen durch die Härtigkeit desselben ordentlich
abgelencket/ wo nicht Gott durch seines beywohnenden Geists
absonderlichen Beystand das Hertz erweichet/ und solchen Re-

gungen

Von dem Recht Das XVII.
Faſſung eben des Menſchen Hertz als eine Rechen-Tafel/ zwar
ohne Schrifft/ alſo von Gott eingerichtet/ daß die daraus gehen-
den Sinnen-Regungen/ und die Striche des Verlangen des
Menſchen/ ſtracks bey ihrem Urſprung da/ wo dieſes Einmahl
eins hinzielet/ auch hingelencket angehalten und gedrungen ſeyn
muͤſſen; nur daß ſie mehrentheils im fortgehen und heraus fah-
ren ſich an die aͤuſſerſte Haͤrtigkeit des Hertzens ſtoſſen/ dadurch
ſie gleichſam geknickt (refractè) oder gar ins Gegenſpiel zuruͤcke
prallend (reflexè) ſich von guten ab und zum boͤſen hinwenden.

§. 10. Und in einer ſolchen Einrichtung des Hertzens des
Menſchen/ oder woraus ſonſt die vorſetzlichen Gedancken und
Willens-Wuͤrckungen eigentlich herkommen/ nehmlich in einer
ſolchen Richtſamkeit/ oder innerlichen Richtung/ deſſelben Grun-
des/ daß die daraus gehenden wuͤrcklichen Gedancken dahin/
was recht und gut iſt/ angewieſen/ angehalten und gedrungen
werden/ beſtehet das innerliche Geſetz/ welches auch das von
Natur ins Hertz geſchriebene Geſetz genennet wird. Die Drin-
gung aber ſelbſt iſt die Obligation und natuͤrliche Verbindung/
oder die dahin Zielung/ welches auch offtmals die beywohnende
Gerechtigkeit/ die Richtigkeit und das innerliche Gericht/ heiſſet.
Beydes iſt eine fuͤhlbare Qualitaͤt/ ſo ihrem Grund nach natuͤrlich/
ihrer Wuͤrckung nach/ Moraliſch iſt/ welche des Menſchen in-
nerliche Empfindungs-Krafft ruͤhret.

§. 11. Denn der Menſch fuͤhlet wohl und merckets/ daß
ſein Hertz alſo eingerichtet/ und geſetzt ſey/ daß die noch unver-
fuͤhrten und unabgeleiteten Gedancken dahin/ wz recht iſt und wz
ſeyn ſoll/ bey ihrem Urſprung aus deſſen Grunde zielen/ welches
fuͤhlen eben das Gewiſſen des Menſchen heiſt. Er kan aber mit
ſeinem freyen Willen im fortgehen und ehe die execution geſchicht
ſolche allezeit zum guten gerichtete Zielung oder ſolche zum guten
verbundene Regungen gleichſam ſeitwerts ab oder gar ins Ge-
genſpiel lencken. Ja nach dem Fall/ dadurch die Natur verder-
bet worden iſt/ werden ſolche des auffrichtigen Grundes des Her-
tzens richtige Zielungen durch die Haͤrtigkeit deſſelben ordentlich
abgelencket/ wo nicht Gott durch ſeines beywohnenden Geiſts
abſonderlichen Beyſtand das Hertz erweichet/ und ſolchen Re-

gungen
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[120/0130] Von dem Recht Das XVII. Faſſung eben des Menſchen Hertz als eine Rechen-Tafel/ zwar ohne Schrifft/ alſo von Gott eingerichtet/ daß die daraus gehen- den Sinnen-Regungen/ und die Striche des Verlangen des Menſchen/ ſtracks bey ihrem Urſprung da/ wo dieſes Einmahl eins hinzielet/ auch hingelencket angehalten und gedrungen ſeyn muͤſſen; nur daß ſie mehrentheils im fortgehen und heraus fah- ren ſich an die aͤuſſerſte Haͤrtigkeit des Hertzens ſtoſſen/ dadurch ſie gleichſam geknickt (refractè) oder gar ins Gegenſpiel zuruͤcke prallend (reflexè) ſich von guten ab und zum boͤſen hinwenden. §. 10. Und in einer ſolchen Einrichtung des Hertzens des Menſchen/ oder woraus ſonſt die vorſetzlichen Gedancken und Willens-Wuͤrckungen eigentlich herkommen/ nehmlich in einer ſolchen Richtſamkeit/ oder innerlichen Richtung/ deſſelben Grun- des/ daß die daraus gehenden wuͤrcklichen Gedancken dahin/ was recht und gut iſt/ angewieſen/ angehalten und gedrungen werden/ beſtehet das innerliche Geſetz/ welches auch das von Natur ins Hertz geſchriebene Geſetz genennet wird. Die Drin- gung aber ſelbſt iſt die Obligation und natuͤrliche Verbindung/ oder die dahin Zielung/ welches auch offtmals die beywohnende Gerechtigkeit/ die Richtigkeit und das innerliche Gericht/ heiſſet. Beydes iſt eine fuͤhlbare Qualitaͤt/ ſo ihrem Grund nach natuͤrlich/ ihrer Wuͤrckung nach/ Moraliſch iſt/ welche des Menſchen in- nerliche Empfindungs-Krafft ruͤhret. §. 11. Denn der Menſch fuͤhlet wohl und merckets/ daß ſein Hertz alſo eingerichtet/ und geſetzt ſey/ daß die noch unver- fuͤhrten und unabgeleiteten Gedancken dahin/ wz recht iſt und wz ſeyn ſoll/ bey ihrem Urſprung aus deſſen Grunde zielen/ welches fuͤhlen eben das Gewiſſen des Menſchen heiſt. Er kan aber mit ſeinem freyen Willen im fortgehen und ehe die execution geſchicht ſolche allezeit zum guten gerichtete Zielung oder ſolche zum guten verbundene Regungen gleichſam ſeitwerts ab oder gar ins Ge- genſpiel lencken. Ja nach dem Fall/ dadurch die Natur verder- bet worden iſt/ werden ſolche des auffrichtigen Grundes des Her- tzens richtige Zielungen durch die Haͤrtigkeit deſſelben ordentlich abgelencket/ wo nicht Gott durch ſeines beywohnenden Geiſts abſonderlichen Beyſtand das Hertz erweichet/ und ſolchen Re- gungen

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/130>, abgerufen am 23.04.2024.