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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Capitel. Qualitäten.
sönligkeiten ihm anvertrauet würden. Nehmlich/ wie des Schwam-
mes seine Cörperliche Substantz impenetrabel bleibt; ob er gleich
allerley flüßige Sachen in sich ziehet/ und in eben einem Begriff zwi-
schen und neben seiner subtilen und raren Substantz fasset:

Zum 4. So kan auch ein ungeschickter Mensch nicht viel in sich
fassen und annehmen; Sondern es muß ein Capabler Mensch eine
geschickte gefüge Person dazu seyn/ wenn viel zumahl Publiq-morali-
t
äten/ von ihr selbst zu expediren/ ihr sollen anvertrauet werden; Da
sonsten/ wenn es eine rechte penetration wäre/ sie bey allen und überal
auff einerley Weiß angienge.

§. 8. Doch lassen sich die Moralischen Dinge nicht so gar genau an
die Natürlichen binden/ daß sie sich gantz und gar und in allen nach
denselben richten/ und eben solcher complexion seyn müsten/ sondern/
es ist genug/ wenn sie so viel müglich der Natur nachzufolgen trachten.
Denn/ weil der Mensch das Fundament und den Grund gibt zu der
Moralischen Welt/ wenn er nicht so wohl nach seinen Cörperlichen/ o-
der selbständigen natürlichen Art betrachtet wird; sondern nach sei-
ner Geschickligkeit mit denen andren gesellschafftlich zuleben/ und nach
seiner verbündlichen Entschliessung darzu/ und nach der würcklichen
Zurechnung und imputation aller mit einander/ dadurch er vor eine
gewisse Moralische Person/ das ist/ vor ein lebendiges Glied der Ge-
meine/ geachtet und gehalten wird/ also daß die von der Natur unter-
schiedene Moralische Persöhnligkeit und Substantz nichts anders ist
als eine solche respectirliche Qualität eines Menschen; So kan in die-
sem Geschlecht der Dinge wohl geschehen/ daß eine solche Substantz
die andere gantz und gar penetrire. Denn wie bey der Natur zwar
die dreymäßige dimensionen/ oder vielmehr die Cörper nach ihrer
dreymäßigen dimension, nehmlich/ nicht nur nach der Länge und
Breite/ sondern auch nach der Tiefe/ genommen sich einander keines
weges penetriren und durchbrechen können/ wohl aber nach etlichen
andern Qualitäten (als kalt und trocken/) ja gar auch nach etlichen
dimensionen selbsten/ nemlich nach den eussersten Linien und Flächen;
Also kan die Moralische Persönligkeit/ (als nur eine Qualität) wenn
das publicum es haben will/ auch zusammen fallen/ und eine sich in die
andere verwandeln; oder eine die andere gar auffheben. Wie denn

zum
M iij

Capitel. Qualitaͤten.
ſoͤnligkeiten ihm anvertrauet wuͤrden. Nehmlich/ wie des Schwam-
mes ſeine Coͤrperliche Subſtantz impenetrabel bleibt; ob er gleich
allerley fluͤßige Sachen in ſich ziehet/ und in eben einem Begriff zwi-
ſchen und neben ſeiner ſubtilen und raren Subſtantz faſſet:

Zum 4. So kan auch ein ungeſchickter Menſch nicht viel in ſich
faſſen und annehmen; Sondern es muß ein Capabler Menſch eine
geſchickte gefuͤge Perſon dazu ſeyn/ wenn viel zumahl Publiq-morali-
t
aͤten/ von ihr ſelbſt zu expediren/ ihr ſollen anvertrauet werden; Da
ſonſten/ wenn es eine rechte penetration waͤre/ ſie bey allen und uͤberal
auff einerley Weiß angienge.

§. 8. Doch laſſen ſich die Moraliſchen Dinge nicht ſo gar genau an
die Natuͤrlichen binden/ daß ſie ſich gantz und gar und in allen nach
denſelben richten/ und eben ſolcher complexion ſeyn muͤſten/ ſondern/
es iſt genug/ wenn ſie ſo viel muͤglich der Natur nachzufolgen trachten.
Denn/ weil der Menſch das Fundament und den Grund gibt zu der
Moraliſchen Welt/ wenn er nicht ſo wohl nach ſeinen Coͤrperlichen/ o-
der ſelbſtaͤndigen natuͤrlichen Art betrachtet wird; ſondern nach ſei-
ner Geſchickligkeit mit denen andren geſellſchafftlich zuleben/ und nach
ſeiner verbuͤndlichen Entſchlieſſung darzu/ und nach der wuͤrcklichen
Zurechnung und imputation aller mit einander/ dadurch er vor eine
gewiſſe Moraliſche Perſon/ das iſt/ vor ein lebendiges Glied der Ge-
meine/ geachtet und gehalten wird/ alſo daß die von der Natur unter-
ſchiedene Moraliſche Perſoͤhnligkeit und Subſtantz nichts anders iſt
als eine ſolche reſpectirliche Qualität eines Menſchen; So kan in die-
ſem Geſchlecht der Dinge wohl geſchehen/ daß eine ſolche Subſtantz
die andere gantz und gar penetrire. Denn wie bey der Natur zwar
die dreymaͤßige dimenſionen/ oder vielmehr die Coͤrper nach ihrer
dreymaͤßigen dimenſion, nehmlich/ nicht nur nach der Laͤnge und
Breite/ ſondern auch nach der Tiefe/ genommen ſich einander keines
weges penetriren und durchbrechen koͤnnen/ wohl aber nach etlichen
andern Qualitaͤten (als kalt und trocken/) ja gar auch nach etlichen
dimenſionen ſelbſten/ nemlich nach den euſſerſten Linien und Flaͤchen;
Alſo kan die Moraliſche Perſoͤnligkeit/ (als nur eine Qualitaͤt) wenn
das publicum es haben will/ auch zuſammen fallen/ und eine ſich in die
andere verwandeln; oder eine die andere gar auffheben. Wie denn

zum
M iij
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[93/0103] Capitel. Qualitaͤten. ſoͤnligkeiten ihm anvertrauet wuͤrden. Nehmlich/ wie des Schwam- mes ſeine Coͤrperliche Subſtantz impenetrabel bleibt; ob er gleich allerley fluͤßige Sachen in ſich ziehet/ und in eben einem Begriff zwi- ſchen und neben ſeiner ſubtilen und raren Subſtantz faſſet: Zum 4. So kan auch ein ungeſchickter Menſch nicht viel in ſich faſſen und annehmen; Sondern es muß ein Capabler Menſch eine geſchickte gefuͤge Perſon dazu ſeyn/ wenn viel zumahl Publiq-morali- taͤten/ von ihr ſelbſt zu expediren/ ihr ſollen anvertrauet werden; Da ſonſten/ wenn es eine rechte penetration waͤre/ ſie bey allen und uͤberal auff einerley Weiß angienge. §. 8. Doch laſſen ſich die Moraliſchen Dinge nicht ſo gar genau an die Natuͤrlichen binden/ daß ſie ſich gantz und gar und in allen nach denſelben richten/ und eben ſolcher complexion ſeyn muͤſten/ ſondern/ es iſt genug/ wenn ſie ſo viel muͤglich der Natur nachzufolgen trachten. Denn/ weil der Menſch das Fundament und den Grund gibt zu der Moraliſchen Welt/ wenn er nicht ſo wohl nach ſeinen Coͤrperlichen/ o- der ſelbſtaͤndigen natuͤrlichen Art betrachtet wird; ſondern nach ſei- ner Geſchickligkeit mit denen andren geſellſchafftlich zuleben/ und nach ſeiner verbuͤndlichen Entſchlieſſung darzu/ und nach der wuͤrcklichen Zurechnung und imputation aller mit einander/ dadurch er vor eine gewiſſe Moraliſche Perſon/ das iſt/ vor ein lebendiges Glied der Ge- meine/ geachtet und gehalten wird/ alſo daß die von der Natur unter- ſchiedene Moraliſche Perſoͤhnligkeit und Subſtantz nichts anders iſt als eine ſolche reſpectirliche Qualität eines Menſchen; So kan in die- ſem Geſchlecht der Dinge wohl geſchehen/ daß eine ſolche Subſtantz die andere gantz und gar penetrire. Denn wie bey der Natur zwar die dreymaͤßige dimenſionen/ oder vielmehr die Coͤrper nach ihrer dreymaͤßigen dimenſion, nehmlich/ nicht nur nach der Laͤnge und Breite/ ſondern auch nach der Tiefe/ genommen ſich einander keines weges penetriren und durchbrechen koͤnnen/ wohl aber nach etlichen andern Qualitaͤten (als kalt und trocken/) ja gar auch nach etlichen dimenſionen ſelbſten/ nemlich nach den euſſerſten Linien und Flaͤchen; Alſo kan die Moraliſche Perſoͤnligkeit/ (als nur eine Qualitaͤt) wenn das publicum es haben will/ auch zuſammen fallen/ und eine ſich in die andere verwandeln; oder eine die andere gar auffheben. Wie denn zum M iij

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/103>, abgerufen am 29.03.2024.