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Weigel, Valentin: Gnothi seavton Oder cognosce teipsum genandt. Das Newe Erkenne dich selbst. Bd. 3. Neustadt, 1618.

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Gnothi Seavton.
Erkentniß deß guten vnd bösen/ mitten im Garten/ soltu
nicht essen/ den welches Tages du darvon issest/ solt du
deß Todes sterben etc. Jtem/ die Schlange war listiger
auff dem Felde denn alle Thier vnd sprach zum Weibe.
Das gantze Colloquium von der Verführung durch die
Schlange etc. Was lieset vnnd siudiret er anders/ denn
sich selbst/ das ist/ das in jhm ist/ daß er selber ist/ vnnd
das darauß er gemacht ist. Erkennet sich selber vnndLege li-
bellum
de Arbo
rescien-
tiae bo-
ni & ma
li.

helt es nicht vor ein praeteritam historiam, sondern sie-
het/ das es in allen Menschen vom ersten biß zum letzten/ al-
so ergehen außgenommen in zweyen nicht/ als in vnsern
Seligmacher Jesu Christo/ vnnd in seiner allerheiligsten
Mutter Maria/ wie wir wol sehen/ Matth. 4. Daß er dem
Sathan Widerstandt thete/ nach Fleisches inst/ nach Au-
genlust/ nach hoffertigen Leben/ dann er wolte nicht jhm zu
gefallen auß den Steinen Brodt machen/ wolte auch nicht
jhm zugefallen von der Zinnen deß Tempels fliegen/
in der Lufft gehen/ auch wolte er nicht dem Teuffel an-
beten/ 1. Joh. 2. Er siehet daß in diesem Gebot Gottes alle
Gebot vnnd Gesetze stehen/ die gantze heilige Schrifft/
was der Mensch die Zeit seines Lebens thun vnnd lassen
soll. So dargegen der Pseudo Theologus von diesen
dingen gar nichts weiß/ kent weder den Baum noch
Gottes Gebot/ weiß auch nicht/ wie der Baum deß Le-
bens vnd des Todes mitten im Garten stehen/ das ist/ er-
kennet sich selber nicht/ was er sey/ Warumb er geschaf-
fen/ worzu er erlöset sey/ Worauß er gemacht sey/ blei-
bet in der Finsterniß/ wulet in der Schrifft herumb/ wie
eine Saw im Rüben Acker/ oder das noch erger ist/
peiniget sich mit den Menschen Büchern/ biß in seinen

leibli-
D iij

Gnothi Seavton.
Erkentniß deß guten vnd boͤſen/ mitten im Garten/ ſoltu
nicht eſſen/ den welches Tages du darvon iſſeſt/ ſolt du
deß Todes ſterben etc. Jtem/ die Schlange war liſtiger
auff dem Felde denn alle Thier vnd ſprach zum Weibe.
Das gantze Colloquium von der Verfuͤhrung durch die
Schlange etc. Was lieſet vnnd ſiudiret er anders/ denn
ſich ſelbſt/ das iſt/ das in jhm iſt/ daß er ſelber iſt/ vnnd
das darauß er gemacht iſt. Erkennet ſich ſelber vnndLege li-
bellum
de Arbo
reſcien-
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li.

helt es nicht vor ein præteritam hiſtoriam, ſondern ſie-
het/ das es in allen Menſchen vom erſten biß zum letzten/ al-
ſo ergehen außgenommen in zweyen nicht/ als in vnſern
Seligmacher Jeſu Chriſto/ vnnd in ſeiner allerheiligſten
Mutter Maria/ wie wir wol ſehẽ/ Matth. 4. Daß er dem
Sathan Widerſtandt thete/ nach Fleiſches inſt/ nach Au-
genluſt/ nach hoffertigen Leben/ dann er wolte nicht jhm zu
gefallen auß den Steinen Brodt machen/ wolte auch nicht
jhm zugefallen von der Zinnen deß Tempels fliegen/
in der Lufft gehen/ auch wolte er nicht dem Teuffel an-
beten/ 1. Joh. 2. Er ſiehet daß in dieſem Gebot Gottes alle
Gebot vnnd Geſetze ſtehen/ die gantze heilige Schrifft/
was der Menſch die Zeit ſeines Lebens thun vnnd laſſen
ſoll. So dargegen der Pſeudo Theologus von dieſen
dingen gar nichts weiß/ kent weder den Baum noch
Gottes Gebot/ weiß auch nicht/ wie der Baum deß Le-
bens vnd des Todes mitten im Garten ſtehen/ das iſt/ er-
kennet ſich ſelber nicht/ was er ſey/ Warumb er geſchaf-
fen/ worzu er erloͤſet ſey/ Worauß er gemacht ſey/ blei-
bet in der Finſterniß/ wůlet in der Schrifft herumb/ wie
eine Saw im Ruͤben Acker/ oder das noch erger iſt/
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[15/0029] Gnothi Seavton. Erkentniß deß guten vnd boͤſen/ mitten im Garten/ ſoltu nicht eſſen/ den welches Tages du darvon iſſeſt/ ſolt du deß Todes ſterben etc. Jtem/ die Schlange war liſtiger auff dem Felde denn alle Thier vnd ſprach zum Weibe. Das gantze Colloquium von der Verfuͤhrung durch die Schlange etc. Was lieſet vnnd ſiudiret er anders/ denn ſich ſelbſt/ das iſt/ das in jhm iſt/ daß er ſelber iſt/ vnnd das darauß er gemacht iſt. Erkennet ſich ſelber vnnd helt es nicht vor ein præteritam hiſtoriam, ſondern ſie- het/ das es in allen Menſchen vom erſten biß zum letzten/ al- ſo ergehen außgenommen in zweyen nicht/ als in vnſern Seligmacher Jeſu Chriſto/ vnnd in ſeiner allerheiligſten Mutter Maria/ wie wir wol ſehẽ/ Matth. 4. Daß er dem Sathan Widerſtandt thete/ nach Fleiſches inſt/ nach Au- genluſt/ nach hoffertigen Leben/ dann er wolte nicht jhm zu gefallen auß den Steinen Brodt machen/ wolte auch nicht jhm zugefallen von der Zinnen deß Tempels fliegen/ in der Lufft gehen/ auch wolte er nicht dem Teuffel an- beten/ 1. Joh. 2. Er ſiehet daß in dieſem Gebot Gottes alle Gebot vnnd Geſetze ſtehen/ die gantze heilige Schrifft/ was der Menſch die Zeit ſeines Lebens thun vnnd laſſen ſoll. So dargegen der Pſeudo Theologus von dieſen dingen gar nichts weiß/ kent weder den Baum noch Gottes Gebot/ weiß auch nicht/ wie der Baum deß Le- bens vnd des Todes mitten im Garten ſtehen/ das iſt/ er- kennet ſich ſelber nicht/ was er ſey/ Warumb er geſchaf- fen/ worzu er erloͤſet ſey/ Worauß er gemacht ſey/ blei- bet in der Finſterniß/ wůlet in der Schrifft herumb/ wie eine Saw im Ruͤben Acker/ oder das noch erger iſt/ peiniget ſich mit den Menſchen Buͤchern/ biß in ſeinen leibli- Lege li- bellum de Arbo reſcien- tiæ bo- ni & ma li. D iij

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Zitationshilfe: Weigel, Valentin: Gnothi seavton Oder cognosce teipsum genandt. Das Newe Erkenne dich selbst. Bd. 3. Neustadt, 1618, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi03_1618/29>, abgerufen am 29.03.2024.