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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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Wir waren darin die ersten der Welt. Diese Bedeutung
brachte es mit sich, daß dies Fachbeamtentum nicht nur die
Fachbeamtenstellen, sondern auch die Ministerposten für sich
beanspruchte. Jm bayerischen Landtag ist es gewesen, wo im
vorigen Jahre, als die Parlamentarisierung zur Diskussion
stand, gesagt wurde: die begabten Leute werden dann nicht
mehr Beamte werden, wenn man die Parlamentarier in die
Ministerien setzt. Die Beamtenverwaltung entzog sich über-
dies systematisch einer solchen Art von Kontrolle, wie sie die
englischen Komitee-Erörterungen bedeuten, und setzte so die
Parlamente außer stand - von wenigen Ausnahmen ab-
gesehen -, wirklich brauchbare Verwaltungschefs in ihrer Mitte
heranzubilden.

Das dritte war, daß wir in Deutschland, im Gegensatz zu
Amerika, gesinnungspolitische Parteien hatten, die zum mindesten
mit subjektiver bona fides behaupteten, daß ihre Mitglieder
"Weltanschauungen" vertraten. Die beiden wichtigsten dieser
Parteien: das Zentrum einerseits, die Sozialdemokratie anderer-
seits, waren nun aber geborene Minoritätsparteien und zwar
nach ihrer eigenen Absicht. Die führenden Zentrumskreise im
Reich haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß sie deshalb
gegen den Parlamentarismus seien, weil sie fürchteten, in die
Minderheit zu kommen und ihnen dann die Unterbringung
von Stellenjägern wie bisher, durch Druck auf die Regierung,
erschwert würde. Die Sozialdemokratie war prinzipielle Minder-
heitspartei und ein Hemmnis der Parlamentarisierung, weil sie
sich mit der gegebenen politisch-bürgerlichen Ordnung nicht be-
flecken wollte. Die Tatsache, daß beide Parteien sich aus-
schlossen vom parlamentarischen System, machte dieses unmöglich.

Was wurde dabei aus den deutschen Berufspolitikern? Sie
hatten keine Macht, keine Verantwortung, konnten nur eine
ziemlich subalterne Honoratiorenrolle spielen und waren in-
folgedessen neuerlich beseelt von den überall typischen Zunfts-
instinkten. Es war unmöglich, im Kreise dieser Honoratioren,
die ihr Leben aus ihrem kleinen Pöstchen machten, hoch zu
steigen für einen ihnen nicht gleichgearteten Mann. Jch
könnte aus jeder Partei, selbstverständlich die Sozialdemokratie

Wir waren darin die erſten der Welt. Dieſe Bedeutung
brachte es mit ſich, daß dies Fachbeamtentum nicht nur die
Fachbeamtenſtellen, ſondern auch die Miniſterpoſten für ſich
beanſpruchte. Jm bayeriſchen Landtag iſt es geweſen, wo im
vorigen Jahre, als die Parlamentariſierung zur Diskuſſion
ſtand, geſagt wurde: die begabten Leute werden dann nicht
mehr Beamte werden, wenn man die Parlamentarier in die
Miniſterien ſetzt. Die Beamtenverwaltung entzog ſich über-
dies ſyſtematiſch einer ſolchen Art von Kontrolle, wie ſie die
engliſchen Komitee-Erörterungen bedeuten, und ſetzte ſo die
Parlamente außer ſtand – von wenigen Ausnahmen ab-
geſehen –, wirklich brauchbare Verwaltungſchefs in ihrer Mitte
heranzubilden.

Das dritte war, daß wir in Deutſchland, im Gegenſatz zu
Amerika, geſinnungspolitiſche Parteien hatten, die zum mindeſten
mit ſubjektiver bona fides behaupteten, daß ihre Mitglieder
„Weltanſchauungen“ vertraten. Die beiden wichtigſten dieſer
Parteien: das Zentrum einerſeits, die Sozialdemokratie anderer-
ſeits, waren nun aber geborene Minoritätsparteien und zwar
nach ihrer eigenen Abſicht. Die führenden Zentrumskreiſe im
Reich haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß ſie deshalb
gegen den Parlamentarismus ſeien, weil ſie fürchteten, in die
Minderheit zu kommen und ihnen dann die Unterbringung
von Stellenjägern wie bisher, durch Druck auf die Regierung,
erſchwert würde. Die Sozialdemokratie war prinzipielle Minder-
heitspartei und ein Hemmnis der Parlamentariſierung, weil ſie
ſich mit der gegebenen politiſch-bürgerlichen Ordnung nicht be-
flecken wollte. Die Tatſache, daß beide Parteien ſich aus-
ſchloſſen vom parlamentariſchen Syſtem, machte dieſes unmöglich.

Was wurde dabei aus den deutſchen Berufspolitikern? Sie
hatten keine Macht, keine Verantwortung, konnten nur eine
ziemlich ſubalterne Honoratiorenrolle ſpielen und waren in-
folgedeſſen neuerlich beſeelt von den überall typiſchen Zunfts-
inſtinkten. Es war unmöglich, im Kreiſe dieſer Honoratioren,
die ihr Leben aus ihrem kleinen Pöſtchen machten, hoch zu
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[45/0045] Wir waren darin die erſten der Welt. Dieſe Bedeutung brachte es mit ſich, daß dies Fachbeamtentum nicht nur die Fachbeamtenſtellen, ſondern auch die Miniſterpoſten für ſich beanſpruchte. Jm bayeriſchen Landtag iſt es geweſen, wo im vorigen Jahre, als die Parlamentariſierung zur Diskuſſion ſtand, geſagt wurde: die begabten Leute werden dann nicht mehr Beamte werden, wenn man die Parlamentarier in die Miniſterien ſetzt. Die Beamtenverwaltung entzog ſich über- dies ſyſtematiſch einer ſolchen Art von Kontrolle, wie ſie die engliſchen Komitee-Erörterungen bedeuten, und ſetzte ſo die Parlamente außer ſtand – von wenigen Ausnahmen ab- geſehen –, wirklich brauchbare Verwaltungſchefs in ihrer Mitte heranzubilden. Das dritte war, daß wir in Deutſchland, im Gegenſatz zu Amerika, geſinnungspolitiſche Parteien hatten, die zum mindeſten mit ſubjektiver bona fides behaupteten, daß ihre Mitglieder „Weltanſchauungen“ vertraten. Die beiden wichtigſten dieſer Parteien: das Zentrum einerſeits, die Sozialdemokratie anderer- ſeits, waren nun aber geborene Minoritätsparteien und zwar nach ihrer eigenen Abſicht. Die führenden Zentrumskreiſe im Reich haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß ſie deshalb gegen den Parlamentarismus ſeien, weil ſie fürchteten, in die Minderheit zu kommen und ihnen dann die Unterbringung von Stellenjägern wie bisher, durch Druck auf die Regierung, erſchwert würde. Die Sozialdemokratie war prinzipielle Minder- heitspartei und ein Hemmnis der Parlamentariſierung, weil ſie ſich mit der gegebenen politiſch-bürgerlichen Ordnung nicht be- flecken wollte. Die Tatſache, daß beide Parteien ſich aus- ſchloſſen vom parlamentariſchen Syſtem, machte dieſes unmöglich. Was wurde dabei aus den deutſchen Berufspolitikern? Sie hatten keine Macht, keine Verantwortung, konnten nur eine ziemlich ſubalterne Honoratiorenrolle ſpielen und waren in- folgedeſſen neuerlich beſeelt von den überall typiſchen Zunfts- inſtinkten. Es war unmöglich, im Kreiſe dieſer Honoratioren, die ihr Leben aus ihrem kleinen Pöſtchen machten, hoch zu ſteigen für einen ihnen nicht gleichgearteten Mann. Jch könnte aus jeder Partei, ſelbſtverſtändlich die Sozialdemokratie

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/45>, abgerufen am 29.03.2024.