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Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895.

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spielraum zuerst zu eng werden mußte. Sieht man sich die
Zahlen an, so zeigt sich: das Umgekehrte ist der Fall: gerade
eine Reihe der gesegnetsten Kreise: Stuhm und Marienwerder
z. B. mit rund 15-17 Mark Durchschnittsreinertrag, hatten
den stärksten Abfluß: 7-8 %, während auf der Höhe die
Kreise Konitz, Tuchel mit 5-6 Mark Reinertrag mit die
stärkste schon seit 1871 konstante Vermehrung erlebten. Man
sucht nach Erklärung und fragt zunächst: welche sozialen
Schichten sind es, denen einerseits jener Abfluß entstammte, und
denen andererseits diese Vermehrung zu Gute kam? Sieht man
sich die Kreise mit starken Verminderungsziffern an, Stuhm,
Marienwerder, Rosenberg, so sind es durchweg solche, in denen
der große Grundbesitz besonders stark herrscht, und betrachtet
man nun weiter die Gutsbezirke der ganzen Provinz zusammen, so
kommen, trotzdem sie 1880 auf derselben Bodenfläche ohnehin eine
um zwei Drittel geringere Volkszahl aufwiesen als die Dörfer,
doch fast 3/4 der Verminderung der Landbevölkerung, über 9000
Köpfe, auf sie allein: ihre Bevölkerung hat um etwa 33/4 % ab-
genommen. Aber auch innerhalb der Güter ist diese Ab-
nahme wieder verschieden verteilt, teilweise fand Zunahme statt,
und wenn man die Gegenden mit starker Abnahme der Guts-
bevölkerung aussondert, so zeigt sich: gerade die Güter auf
guten Böden haben einen besonders starken Abfluß erlebt.

Die Zunahme der Bevölkerung dagegen, welche auf den
schlechten Böden der Höhe stattfand, ist vornehmlich den
Dörfern zu Gute gekommen, und gerade den Dörfern auf
schlechten Böden am stärksten, im Gegensatz zu den Dörfern
der Ebene. Abnahme der Tagelöhner der Güter auf den
besten Böden, Zunahme der Bauern auf den schlechten

ſpielraum zuerſt zu eng werden mußte. Sieht man ſich die
Zahlen an, ſo zeigt ſich: das Umgekehrte iſt der Fall: gerade
eine Reihe der geſegnetſten Kreiſe: Stuhm und Marienwerder
z. B. mit rund 15–17 Mark Durchſchnittsreinertrag, hatten
den ſtärkſten Abfluß: 7–8 %, während auf der Höhe die
Kreiſe Konitz, Tuchel mit 5–6 Mark Reinertrag mit die
ſtärkſte ſchon ſeit 1871 konſtante Vermehrung erlebten. Man
ſucht nach Erklärung und fragt zunächſt: welche ſozialen
Schichten ſind es, denen einerſeits jener Abfluß entſtammte, und
denen andererſeits dieſe Vermehrung zu Gute kam? Sieht man
ſich die Kreiſe mit ſtarken Verminderungsziffern an, Stuhm,
Marienwerder, Roſenberg, ſo ſind es durchweg ſolche, in denen
der große Grundbeſitz beſonders ſtark herrſcht, und betrachtet
man nun weiter die Gutsbezirke der ganzen Provinz zuſammen, ſo
kommen, trotzdem ſie 1880 auf derſelben Bodenfläche ohnehin eine
um zwei Drittel geringere Volkszahl aufwieſen als die Dörfer,
doch faſt ¾ der Verminderung der Landbevölkerung, über 9000
Köpfe, auf ſie allein: ihre Bevölkerung hat um etwa 3¾ % ab-
genommen. Aber auch innerhalb der Güter iſt dieſe Ab-
nahme wieder verſchieden verteilt, teilweiſe fand Zunahme ſtatt,
und wenn man die Gegenden mit ſtarker Abnahme der Guts-
bevölkerung ausſondert, ſo zeigt ſich: gerade die Güter auf
guten Böden haben einen beſonders ſtarken Abfluß erlebt.

Die Zunahme der Bevölkerung dagegen, welche auf den
ſchlechten Böden der Höhe ſtattfand, iſt vornehmlich den
Dörfern zu Gute gekommen, und gerade den Dörfern auf
schlechten Böden am ſtärkſten, im Gegenſatz zu den Dörfern
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[6/0012] ſpielraum zuerſt zu eng werden mußte. Sieht man ſich die Zahlen an, ſo zeigt ſich: das Umgekehrte iſt der Fall: gerade eine Reihe der geſegnetſten Kreiſe: Stuhm und Marienwerder z. B. mit rund 15–17 Mark Durchſchnittsreinertrag, hatten den ſtärkſten Abfluß: 7–8 %, während auf der Höhe die Kreiſe Konitz, Tuchel mit 5–6 Mark Reinertrag mit die ſtärkſte ſchon ſeit 1871 konſtante Vermehrung erlebten. Man ſucht nach Erklärung und fragt zunächſt: welche ſozialen Schichten ſind es, denen einerſeits jener Abfluß entſtammte, und denen andererſeits dieſe Vermehrung zu Gute kam? Sieht man ſich die Kreiſe mit ſtarken Verminderungsziffern an, Stuhm, Marienwerder, Roſenberg, ſo ſind es durchweg ſolche, in denen der große Grundbeſitz beſonders ſtark herrſcht, und betrachtet man nun weiter die Gutsbezirke der ganzen Provinz zuſammen, ſo kommen, trotzdem ſie 1880 auf derſelben Bodenfläche ohnehin eine um zwei Drittel geringere Volkszahl aufwieſen als die Dörfer, doch faſt ¾ der Verminderung der Landbevölkerung, über 9000 Köpfe, auf ſie allein: ihre Bevölkerung hat um etwa 3¾ % ab- genommen. Aber auch innerhalb der Güter iſt dieſe Ab- nahme wieder verſchieden verteilt, teilweiſe fand Zunahme ſtatt, und wenn man die Gegenden mit ſtarker Abnahme der Guts- bevölkerung ausſondert, ſo zeigt ſich: gerade die Güter auf guten Böden haben einen beſonders ſtarken Abfluß erlebt. Die Zunahme der Bevölkerung dagegen, welche auf den ſchlechten Böden der Höhe ſtattfand, iſt vornehmlich den Dörfern zu Gute gekommen, und gerade den Dörfern auf schlechten Böden am ſtärkſten, im Gegenſatz zu den Dörfern der Ebene. Abnahme der Tagelöhner der Güter auf den beſten Böden, Zunahme der Bauern auf den schlechten

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Zitationshilfe: Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_nationalstaat_1895/12>, abgerufen am 29.03.2024.