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Walter, Marie: Das Frauenstimmrecht. Zürich, 1913.

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erwachte. Der von allem Anfang an auf den Erwerb von außen
angewiesene Mann bemächtigte sich der neuen ausgiebigeren Er-
werbsmittel, des Ackerlandes und der Herden. Gehörte ihm aber
das Vieh, dessen Zähmung und Wartung sein Werk war, so auch
die gegen Vieh eingetauschten Waren und Sklaven. Mit dem Ver-
fügungsrecht über die neuen Nahrungsquellen erwirbt er sich eine
wichtigere Stellung in der Familie als die Frau. "Der wilde
Krieger und Jäger", sagt Engels, "war im Hause zufrieden ge-
wesen mit der zweiten Stelle, nach der Frau; der sanftere Hirt,
auf seinen Reichtum pochend, drängte sich vor an die erste Stelle
und die Frau zurück an die zweite." Damit aber noch nicht genug.
Dem ersten Schritt zur Alleinherrschaft des Mannes im Hause
folgte als natürliche Konsequenz der zweite, der Sturz des Mut-
terrechtes.

Nach dem Brauch der damaligen Gesellschaft konnten nicht
immer die Kinder des Mannes von ihm erben, sondern oft nur
von ihrer Mutter. Bei seinem Tode wären seine Herden vielfach
übergegangen in den Besitz zunächst seiner Brüder und Schwe-
stern, oder der Nachkommen der Schwestern seiner Mutter. Jn
vielen Fällen blieben seine eigenen Kinder enterbt. Was lag daher
näher, als daß er seine durch den wachsenden Eigenbesitz mehr
und mehr verstärkte Stellung in der Familie benutzte, um die
mütterliche Erbfolge aus dem Wege zu räumen? Die Mutter-
folge wurde umgestoßen, Vaterrecht trat an ihre Stelle. Noch in
unsern Tagen sehen wir diesen Vorgang in einer Reihe von
Jndianerstämmen sich vollziehen unter dem Einfluß des sich meh-
renden Reichtums und der veränderten Wirtschaftsweise.

Mit dem Umsturz des Mutterrechts, mit seiner Verdrängung
durch das Vaterrecht war der Zusammenbruch des alten Kom-
munismus besiegelt. Diese Wandlung bedeutete einen tiefen
Eingriff ins Frauenleben. Denn die alte kommunistische Haus-
haltung hatte für die Frauen die Ausübung einer öffentlichen,
gesellschaftlich notwendigen Funktion bedeutet, welche ihnen
in der Gemeinschaft eine freie, mit den Männern gleichberechtigte
Stellung sicherte. Das durch den Privatbesitz geheiligte Herr-
schaftsmonopol des Mannes formte diesen öffentlichen Dienst um
in den Privatdienst des Familienhauptes. Mit andern Worten:
Der Sieg des Privateigentums über das naturwüchsige Gemein-
eigentum änderte die Familienform. Die Herrschaft des Mannes
mit dem Hauptzwecke der Erzeugung von Kindern mit unbestrit-
tener Vaterschaft zwang die Frau im Gegensatz zum Manne zur
Monogamie, zur Einzelehe. Damit begann die Knechtung und
Entwürdigung des weiblichen Geschlechts durch das männliche:
die erste Klassenunterdrückung, wie Engels zutreffend ausführt.

Denn Mutterschaft und die von Natur gebotene Pflicht des

erwachte. Der von allem Anfang an auf den Erwerb von außen
angewiesene Mann bemächtigte sich der neuen ausgiebigeren Er-
werbsmittel, des Ackerlandes und der Herden. Gehörte ihm aber
das Vieh, dessen Zähmung und Wartung sein Werk war, so auch
die gegen Vieh eingetauschten Waren und Sklaven. Mit dem Ver-
fügungsrecht über die neuen Nahrungsquellen erwirbt er sich eine
wichtigere Stellung in der Familie als die Frau. „Der wilde
Krieger und Jäger“, sagt Engels, „war im Hause zufrieden ge-
wesen mit der zweiten Stelle, nach der Frau; der sanftere Hirt,
auf seinen Reichtum pochend, drängte sich vor an die erste Stelle
und die Frau zurück an die zweite.“ Damit aber noch nicht genug.
Dem ersten Schritt zur Alleinherrschaft des Mannes im Hause
folgte als natürliche Konsequenz der zweite, der Sturz des Mut-
terrechtes.

Nach dem Brauch der damaligen Gesellschaft konnten nicht
immer die Kinder des Mannes von ihm erben, sondern oft nur
von ihrer Mutter. Bei seinem Tode wären seine Herden vielfach
übergegangen in den Besitz zunächst seiner Brüder und Schwe-
stern, oder der Nachkommen der Schwestern seiner Mutter. Jn
vielen Fällen blieben seine eigenen Kinder enterbt. Was lag daher
näher, als daß er seine durch den wachsenden Eigenbesitz mehr
und mehr verstärkte Stellung in der Familie benutzte, um die
mütterliche Erbfolge aus dem Wege zu räumen? Die Mutter-
folge wurde umgestoßen, Vaterrecht trat an ihre Stelle. Noch in
unsern Tagen sehen wir diesen Vorgang in einer Reihe von
Jndianerstämmen sich vollziehen unter dem Einfluß des sich meh-
renden Reichtums und der veränderten Wirtschaftsweise.

Mit dem Umsturz des Mutterrechts, mit seiner Verdrängung
durch das Vaterrecht war der Zusammenbruch des alten Kom-
munismus besiegelt. Diese Wandlung bedeutete einen tiefen
Eingriff ins Frauenleben. Denn die alte kommunistische Haus-
haltung hatte für die Frauen die Ausübung einer öffentlichen,
gesellschaftlich notwendigen Funktion bedeutet, welche ihnen
in der Gemeinschaft eine freie, mit den Männern gleichberechtigte
Stellung sicherte. Das durch den Privatbesitz geheiligte Herr-
schaftsmonopol des Mannes formte diesen öffentlichen Dienst um
in den Privatdienst des Familienhauptes. Mit andern Worten:
Der Sieg des Privateigentums über das naturwüchsige Gemein-
eigentum änderte die Familienform. Die Herrschaft des Mannes
mit dem Hauptzwecke der Erzeugung von Kindern mit unbestrit-
tener Vaterschaft zwang die Frau im Gegensatz zum Manne zur
Monogamie, zur Einzelehe. Damit begann die Knechtung und
Entwürdigung des weiblichen Geschlechts durch das männliche:
die erste Klassenunterdrückung, wie Engels zutreffend ausführt.

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[7/0007] erwachte. Der von allem Anfang an auf den Erwerb von außen angewiesene Mann bemächtigte sich der neuen ausgiebigeren Er- werbsmittel, des Ackerlandes und der Herden. Gehörte ihm aber das Vieh, dessen Zähmung und Wartung sein Werk war, so auch die gegen Vieh eingetauschten Waren und Sklaven. Mit dem Ver- fügungsrecht über die neuen Nahrungsquellen erwirbt er sich eine wichtigere Stellung in der Familie als die Frau. „Der wilde Krieger und Jäger“, sagt Engels, „war im Hause zufrieden ge- wesen mit der zweiten Stelle, nach der Frau; der sanftere Hirt, auf seinen Reichtum pochend, drängte sich vor an die erste Stelle und die Frau zurück an die zweite.“ Damit aber noch nicht genug. Dem ersten Schritt zur Alleinherrschaft des Mannes im Hause folgte als natürliche Konsequenz der zweite, der Sturz des Mut- terrechtes. Nach dem Brauch der damaligen Gesellschaft konnten nicht immer die Kinder des Mannes von ihm erben, sondern oft nur von ihrer Mutter. Bei seinem Tode wären seine Herden vielfach übergegangen in den Besitz zunächst seiner Brüder und Schwe- stern, oder der Nachkommen der Schwestern seiner Mutter. Jn vielen Fällen blieben seine eigenen Kinder enterbt. Was lag daher näher, als daß er seine durch den wachsenden Eigenbesitz mehr und mehr verstärkte Stellung in der Familie benutzte, um die mütterliche Erbfolge aus dem Wege zu räumen? Die Mutter- folge wurde umgestoßen, Vaterrecht trat an ihre Stelle. Noch in unsern Tagen sehen wir diesen Vorgang in einer Reihe von Jndianerstämmen sich vollziehen unter dem Einfluß des sich meh- renden Reichtums und der veränderten Wirtschaftsweise. Mit dem Umsturz des Mutterrechts, mit seiner Verdrängung durch das Vaterrecht war der Zusammenbruch des alten Kom- munismus besiegelt. Diese Wandlung bedeutete einen tiefen Eingriff ins Frauenleben. Denn die alte kommunistische Haus- haltung hatte für die Frauen die Ausübung einer öffentlichen, gesellschaftlich notwendigen Funktion bedeutet, welche ihnen in der Gemeinschaft eine freie, mit den Männern gleichberechtigte Stellung sicherte. Das durch den Privatbesitz geheiligte Herr- schaftsmonopol des Mannes formte diesen öffentlichen Dienst um in den Privatdienst des Familienhauptes. Mit andern Worten: Der Sieg des Privateigentums über das naturwüchsige Gemein- eigentum änderte die Familienform. Die Herrschaft des Mannes mit dem Hauptzwecke der Erzeugung von Kindern mit unbestrit- tener Vaterschaft zwang die Frau im Gegensatz zum Manne zur Monogamie, zur Einzelehe. Damit begann die Knechtung und Entwürdigung des weiblichen Geschlechts durch das männliche: die erste Klassenunterdrückung, wie Engels zutreffend ausführt. Denn Mutterschaft und die von Natur gebotene Pflicht des

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-10T14:18:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-10T14:18:39Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Walter, Marie: Das Frauenstimmrecht. Zürich, 1913, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walter_frauenstimmrecht_1913/7>, abgerufen am 29.03.2024.