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Wallner, Franz: Der arme Josy. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 147–167. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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auf Seitenwegen lauernden Buschkleppern ein Schnippchen zu schlagen.

Die Fußbekleidung lag neben mir im Grase, und während mein linguistischer Freund vor mir kauernd dieselbe gierig untersuchte, kam mir das unsinnige Gelüste an, ob meine Hand stark genug wäre, seine Kehle zuzuschnüren. Gleich als sollte diesem lieblosen Vorsatz auf der Stelle die Strafe folgen, erhob der Gauner, getäuscht in seiner Erwartung Geld zu finden, mit grimmigem Blicke das verkehrte Beil und versetzte mir mit dem Stock desselben einen gewaltigen Hieb über den Schädel; das warme Blut rieselte mir über das Gesicht und über die Hände herab, mit denen ich die Wunde zu decken suchte. Ich trage als Andenken an jene Höllenstunde noch immer eine ziemlich tiefe Narbe am Kopfe.

Was ich im ersten Augenblick des Schlages empfunden, weiß ich nicht -- nur so viel kann ich mich erinnern, daß ich keinen eigentlichen Schmerz fühlte und beim Anblick meiner blutigen Hände im Stillen meine Rechnung mit dem Himmel schloß, jeden Augenblick erwartend, daß mir der Spießgeselle des Gauners seine Kugel durch den Leib jagen würde. So wie jedoch vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt, so auch vom Entsetzlichen zum Komischen; denn beinahe wäre mir in meiner verzweiflungsvollen Lage das Lachen angekommen, als mir mein Peiniger nach kurzer Pause befahl, das Blut abzuwaschen und hernach -- er deu-

auf Seitenwegen lauernden Buschkleppern ein Schnippchen zu schlagen.

Die Fußbekleidung lag neben mir im Grase, und während mein linguistischer Freund vor mir kauernd dieselbe gierig untersuchte, kam mir das unsinnige Gelüste an, ob meine Hand stark genug wäre, seine Kehle zuzuschnüren. Gleich als sollte diesem lieblosen Vorsatz auf der Stelle die Strafe folgen, erhob der Gauner, getäuscht in seiner Erwartung Geld zu finden, mit grimmigem Blicke das verkehrte Beil und versetzte mir mit dem Stock desselben einen gewaltigen Hieb über den Schädel; das warme Blut rieselte mir über das Gesicht und über die Hände herab, mit denen ich die Wunde zu decken suchte. Ich trage als Andenken an jene Höllenstunde noch immer eine ziemlich tiefe Narbe am Kopfe.

Was ich im ersten Augenblick des Schlages empfunden, weiß ich nicht — nur so viel kann ich mich erinnern, daß ich keinen eigentlichen Schmerz fühlte und beim Anblick meiner blutigen Hände im Stillen meine Rechnung mit dem Himmel schloß, jeden Augenblick erwartend, daß mir der Spießgeselle des Gauners seine Kugel durch den Leib jagen würde. So wie jedoch vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt, so auch vom Entsetzlichen zum Komischen; denn beinahe wäre mir in meiner verzweiflungsvollen Lage das Lachen angekommen, als mir mein Peiniger nach kurzer Pause befahl, das Blut abzuwaschen und hernach — er deu-

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[0011] auf Seitenwegen lauernden Buschkleppern ein Schnippchen zu schlagen. Die Fußbekleidung lag neben mir im Grase, und während mein linguistischer Freund vor mir kauernd dieselbe gierig untersuchte, kam mir das unsinnige Gelüste an, ob meine Hand stark genug wäre, seine Kehle zuzuschnüren. Gleich als sollte diesem lieblosen Vorsatz auf der Stelle die Strafe folgen, erhob der Gauner, getäuscht in seiner Erwartung Geld zu finden, mit grimmigem Blicke das verkehrte Beil und versetzte mir mit dem Stock desselben einen gewaltigen Hieb über den Schädel; das warme Blut rieselte mir über das Gesicht und über die Hände herab, mit denen ich die Wunde zu decken suchte. Ich trage als Andenken an jene Höllenstunde noch immer eine ziemlich tiefe Narbe am Kopfe. Was ich im ersten Augenblick des Schlages empfunden, weiß ich nicht — nur so viel kann ich mich erinnern, daß ich keinen eigentlichen Schmerz fühlte und beim Anblick meiner blutigen Hände im Stillen meine Rechnung mit dem Himmel schloß, jeden Augenblick erwartend, daß mir der Spießgeselle des Gauners seine Kugel durch den Leib jagen würde. So wie jedoch vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt, so auch vom Entsetzlichen zum Komischen; denn beinahe wäre mir in meiner verzweiflungsvollen Lage das Lachen angekommen, als mir mein Peiniger nach kurzer Pause befahl, das Blut abzuwaschen und hernach — er deu-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:02:20Z)

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Zitationshilfe: Wallner, Franz: Der arme Josy. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 147–167. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallner_josy_1910/11>, abgerufen am 29.03.2024.