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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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an erbschleicherische Geistliche schenken, an einen leichtsinnigen Vater,
Bruder, Schwiegersohn, oder Fremden leihen. Sie kann faule, hoch
verzinsliche Papiere kaufen u. s. w. Eine Handelsfrau kann ihrem
Vater, Bruder, Mann an Tüchtigkeit gleich stehen, ja überlegen sein;
im allgemeinen stehen Frauen indes den Männern an Geschäftskennt-
nis und Vorsicht nach. Auch hier wäre eine doktrinäre, radikale,
mechanische Gleichstellung beider Geschlechter unpraktisch.

Wenn Jemand Wertpapiere in der Reichsbank liegen hat,
so läuft er Gefahr, daß die Depotscheine gestohlen werden, oder ver-
brennen. Das Sicherste ist daher, das Kapital als Forderung ins
Reichsschuldbuch eintragen zu lassen. Kurze "Amtliche Nachrichten"
über dasselbe sind bei J. Guttentag in Berlin erschienen. Die Reichs-
schuldverschreibungen müssen in natura eingeliefert werden. Man
sagt, ohne Zweifel mit Recht, daß sie vernichtet werden. Für Berliner
und Auswärtige ist die Einlieferung der Papiere ans Reichsschuld-
buchbureau mit einem gewissen Risiko verbunden. Sie können unter-
wegs gestohlen werden. Englische und andere Verbrecher haben wieder-
holt in Deutschland Kassenboten Tausende von Mark gestohlen oder
geraubt, indem sie ihnen z. B. Sand in die Augen streuten. Selbst
die Haftpflicht der Post ist nicht unbedingt. So verstehe ich wenigstens
die bezüglichen Angaben im J. Conrad'schen Handwörterbuch der
Staatswissenschaften, Bd. 5, S. 189, 201. Es wäre daher meines
Erachtens nötig, eine der beiden nachstehend erwähnten Reformen
vorzunehmen: 1. die Post haftet, wie in Rußland, unbedingt, wenn
Wertpapiere oder Geld offen eingeliefert, amtlich verschlossen worden
sind; oder 2. das Reichsschuldbuchbureau erhält ein Girokonto bei
der Reichsbank, und der Kapitalist zahlt das Geld bei der Reichsbank
oder einer Filiale derselben ein. Mehrere Beamte des Reichsschuld-
buchbureaus kaufen die Papiere an der Börse, und stempeln sie mit
den Worten: "Außer Kurs gesetzt. Zur Vernichtung bestimmt" ab.
Das dürfte das Beste sein, obgleich man auch, wie mir einer der
ersten Rechtsanwälte Deutschlands auf meine Anfrage sagte, die Papiere
durch die Reichsbank kaufen und für eine Extragebühr durch mehrere
Boten zusammen nach dem Reichsschuldbureau senden kann. Die Bank
haftet nämlich, nach dem Rechtsanwalt, nicht, wenn der Bote bestohlen
wird, oder durchbrennt. Beides ist übrigens nie vorgekommen.

E. Zur Verbesserung der materiellen Lage wenig be-
mittelter Frauen und Mädchen kann und soll auf verschiedenen Ge-
Walcker, Die Frauenbewegung. 3

an erbschleicherische Geistliche schenken, an einen leichtsinnigen Vater,
Bruder, Schwiegersohn, oder Fremden leihen. Sie kann faule, hoch
verzinsliche Papiere kaufen u. s. w. Eine Handelsfrau kann ihrem
Vater, Bruder, Mann an Tüchtigkeit gleich stehen, ja überlegen sein;
im allgemeinen stehen Frauen indes den Männern an Geschäftskennt-
nis und Vorsicht nach. Auch hier wäre eine doktrinäre, radikale,
mechanische Gleichstellung beider Geschlechter unpraktisch.

Wenn Jemand Wertpapiere in der Reichsbank liegen hat,
so läuft er Gefahr, daß die Depotscheine gestohlen werden, oder ver-
brennen. Das Sicherste ist daher, das Kapital als Forderung ins
Reichsschuldbuch eintragen zu lassen. Kurze „Amtliche Nachrichten“
über dasselbe sind bei J. Guttentag in Berlin erschienen. Die Reichs-
schuldverschreibungen müssen in natura eingeliefert werden. Man
sagt, ohne Zweifel mit Recht, daß sie vernichtet werden. Für Berliner
und Auswärtige ist die Einlieferung der Papiere ans Reichsschuld-
buchbureau mit einem gewissen Risiko verbunden. Sie können unter-
wegs gestohlen werden. Englische und andere Verbrecher haben wieder-
holt in Deutschland Kassenboten Tausende von Mark gestohlen oder
geraubt, indem sie ihnen z. B. Sand in die Augen streuten. Selbst
die Haftpflicht der Post ist nicht unbedingt. So verstehe ich wenigstens
die bezüglichen Angaben im J. Conrad'schen Handwörterbuch der
Staatswissenschaften, Bd. 5, S. 189, 201. Es wäre daher meines
Erachtens nötig, eine der beiden nachstehend erwähnten Reformen
vorzunehmen: 1. die Post haftet, wie in Rußland, unbedingt, wenn
Wertpapiere oder Geld offen eingeliefert, amtlich verschlossen worden
sind; oder 2. das Reichsschuldbuchbureau erhält ein Girokonto bei
der Reichsbank, und der Kapitalist zahlt das Geld bei der Reichsbank
oder einer Filiale derselben ein. Mehrere Beamte des Reichsschuld-
buchbureaus kaufen die Papiere an der Börse, und stempeln sie mit
den Worten: „Außer Kurs gesetzt. Zur Vernichtung bestimmt“ ab.
Das dürfte das Beste sein, obgleich man auch, wie mir einer der
ersten Rechtsanwälte Deutschlands auf meine Anfrage sagte, die Papiere
durch die Reichsbank kaufen und für eine Extragebühr durch mehrere
Boten zusammen nach dem Reichsschuldbureau senden kann. Die Bank
haftet nämlich, nach dem Rechtsanwalt, nicht, wenn der Bote bestohlen
wird, oder durchbrennt. Beides ist übrigens nie vorgekommen.

E. Zur Verbesserung der materiellen Lage wenig be-
mittelter Frauen und Mädchen kann und soll auf verschiedenen Ge-
Walcker, Die Frauenbewegung. 3
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[33/0039] an erbschleicherische Geistliche schenken, an einen leichtsinnigen Vater, Bruder, Schwiegersohn, oder Fremden leihen. Sie kann faule, hoch verzinsliche Papiere kaufen u. s. w. Eine Handelsfrau kann ihrem Vater, Bruder, Mann an Tüchtigkeit gleich stehen, ja überlegen sein; im allgemeinen stehen Frauen indes den Männern an Geschäftskennt- nis und Vorsicht nach. Auch hier wäre eine doktrinäre, radikale, mechanische Gleichstellung beider Geschlechter unpraktisch. Wenn Jemand Wertpapiere in der Reichsbank liegen hat, so läuft er Gefahr, daß die Depotscheine gestohlen werden, oder ver- brennen. Das Sicherste ist daher, das Kapital als Forderung ins Reichsschuldbuch eintragen zu lassen. Kurze „Amtliche Nachrichten“ über dasselbe sind bei J. Guttentag in Berlin erschienen. Die Reichs- schuldverschreibungen müssen in natura eingeliefert werden. Man sagt, ohne Zweifel mit Recht, daß sie vernichtet werden. Für Berliner und Auswärtige ist die Einlieferung der Papiere ans Reichsschuld- buchbureau mit einem gewissen Risiko verbunden. Sie können unter- wegs gestohlen werden. Englische und andere Verbrecher haben wieder- holt in Deutschland Kassenboten Tausende von Mark gestohlen oder geraubt, indem sie ihnen z. B. Sand in die Augen streuten. Selbst die Haftpflicht der Post ist nicht unbedingt. So verstehe ich wenigstens die bezüglichen Angaben im J. Conrad'schen Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 5, S. 189, 201. Es wäre daher meines Erachtens nötig, eine der beiden nachstehend erwähnten Reformen vorzunehmen: 1. die Post haftet, wie in Rußland, unbedingt, wenn Wertpapiere oder Geld offen eingeliefert, amtlich verschlossen worden sind; oder 2. das Reichsschuldbuchbureau erhält ein Girokonto bei der Reichsbank, und der Kapitalist zahlt das Geld bei der Reichsbank oder einer Filiale derselben ein. Mehrere Beamte des Reichsschuld- buchbureaus kaufen die Papiere an der Börse, und stempeln sie mit den Worten: „Außer Kurs gesetzt. Zur Vernichtung bestimmt“ ab. Das dürfte das Beste sein, obgleich man auch, wie mir einer der ersten Rechtsanwälte Deutschlands auf meine Anfrage sagte, die Papiere durch die Reichsbank kaufen und für eine Extragebühr durch mehrere Boten zusammen nach dem Reichsschuldbureau senden kann. Die Bank haftet nämlich, nach dem Rechtsanwalt, nicht, wenn der Bote bestohlen wird, oder durchbrennt. Beides ist übrigens nie vorgekommen. E. Zur Verbesserung der materiellen Lage wenig be- mittelter Frauen und Mädchen kann und soll auf verschiedenen Ge-   Walcker, Die Frauenbewegung. 3

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-09T14:25:10Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/39>, abgerufen am 29.03.2024.