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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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Feststellung des Textes wären natürlich tüchtige Juristen, National-
ökonomen, Politiker zu Rate zu ziehen.

Für gewisse Arten der weiblichen Selbsthilfe sind Männer
schwerlich nötig. Man denke z. B. an die segensreich wirkende Stellen-
vermittelung des Allgemeinen deutschen Lehrerinnenvereins. Anders
verhält es sich, wenn z. B. Forderungen bei der öffentlichen Meinung,
im Reichstage und Bundesrate durchzusetzen sind. Hier dringen besonnene
Männer weit leichter durch, wie Frauen; weil sie eben die Denk- und
Gefühlsweise ihrer Geschlechtsgenossen besser kennen, und gar nicht
in Versuchung kommen, doktrinäre, radikale, anstößige Ausdrücke, wie
"Gleichberechtigung der Geschlechter" und dergl. zu gebrauchen. Es
ist daher zeitgemäß, daß nationalliberale und ähnliche gemäßigte
Männer, Juristen, Nationalökonomen, Landwirte, Jndustrielle, Kauf-
leute, Bankiers, Rentiers u. s. w. die Frauenbewegung aufmerksam
verfolgen, den Weizen von der Spreu sondern und in ihrem eigenen
Namen berechtigte Fraueninteressen vertreten. Sie können dabei
(privatim, nicht öffentlich) ihre weiblichen Angehörigen und Bekannten
sowie fremde Damen konsultieren. Wenn sie öffentlich erklärten,
daß ihnen die Zusendung von Gutachten über die Frauenfrage erwünscht
sei, so würden sie von Damen viele gedruckte und handschriftliche
Meinungsäußerungen erhalten. Darunter würden sich natürlich halb
und ganz überspannte Forderungen befinden, aber auch Gutachten der
besonnensten, politisch begabtesten Frauen und Mädchen Deutsch-
lands; und es wäre von Wichtigkeit, die Namen dieser Damen zu
erfahren, mit ihnen zu korrespondieren, gelegentlich auch mündlich
zu konferieren.

Solche Politiker hätten den deutschen Frauen aller Klassen
viel Wertvolles zu bieten
.

A. Die volle Anerkennung der Menschenwürde der
Frauen
, auch als Staatsweltbürgerinnen, als denkender
Wesen
, die Abschaffung der fast orientalischen, haremsartigen Unsitte,
welche alle Damen, selbst die vornehmsten, reichsten, begabtesten, viel
Muße genießenden, Langeweile leidenden, kinderlosen, zu national-
ökonomischer, politischer, religiöser Unreife und Unthätigkeil zu ver-
dammen sucht. Schon Friedrich der Große, ein kühl denkender
Kenner beider Geschlechter, ließ der "Großen Landgräfin" Karoline
von Hessen-Darmstadt ein Denkmal mit der Jnschrift Femina sexu,
ingenio vir
(von Geschlecht ein Weib, an Geist ein Mann) setzen.

Feststellung des Textes wären natürlich tüchtige Juristen, National-
ökonomen, Politiker zu Rate zu ziehen.

Für gewisse Arten der weiblichen Selbsthilfe sind Männer
schwerlich nötig. Man denke z. B. an die segensreich wirkende Stellen-
vermittelung des Allgemeinen deutschen Lehrerinnenvereins. Anders
verhält es sich, wenn z. B. Forderungen bei der öffentlichen Meinung,
im Reichstage und Bundesrate durchzusetzen sind. Hier dringen besonnene
Männer weit leichter durch, wie Frauen; weil sie eben die Denk- und
Gefühlsweise ihrer Geschlechtsgenossen besser kennen, und gar nicht
in Versuchung kommen, doktrinäre, radikale, anstößige Ausdrücke, wie
„Gleichberechtigung der Geschlechter“ und dergl. zu gebrauchen. Es
ist daher zeitgemäß, daß nationalliberale und ähnliche gemäßigte
Männer, Juristen, Nationalökonomen, Landwirte, Jndustrielle, Kauf-
leute, Bankiers, Rentiers u. s. w. die Frauenbewegung aufmerksam
verfolgen, den Weizen von der Spreu sondern und in ihrem eigenen
Namen berechtigte Fraueninteressen vertreten. Sie können dabei
(privatim, nicht öffentlich) ihre weiblichen Angehörigen und Bekannten
sowie fremde Damen konsultieren. Wenn sie öffentlich erklärten,
daß ihnen die Zusendung von Gutachten über die Frauenfrage erwünscht
sei, so würden sie von Damen viele gedruckte und handschriftliche
Meinungsäußerungen erhalten. Darunter würden sich natürlich halb
und ganz überspannte Forderungen befinden, aber auch Gutachten der
besonnensten, politisch begabtesten Frauen und Mädchen Deutsch-
lands; und es wäre von Wichtigkeit, die Namen dieser Damen zu
erfahren, mit ihnen zu korrespondieren, gelegentlich auch mündlich
zu konferieren.

Solche Politiker hätten den deutschen Frauen aller Klassen
viel Wertvolles zu bieten
.

A. Die volle Anerkennung der Menschenwürde der
Frauen
, auch als Staatsweltbürgerinnen, als denkender
Wesen
, die Abschaffung der fast orientalischen, haremsartigen Unsitte,
welche alle Damen, selbst die vornehmsten, reichsten, begabtesten, viel
Muße genießenden, Langeweile leidenden, kinderlosen, zu national-
ökonomischer, politischer, religiöser Unreife und Unthätigkeil zu ver-
dammen sucht. Schon Friedrich der Große, ein kühl denkender
Kenner beider Geschlechter, ließ der „Großen LandgräfinKaroline
von Hessen-Darmstadt ein Denkmal mit der Jnschrift Femina sexu,
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(von Geschlecht ein Weib, an Geist ein Mann) setzen.
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[29/0035] Feststellung des Textes wären natürlich tüchtige Juristen, National- ökonomen, Politiker zu Rate zu ziehen. Für gewisse Arten der weiblichen Selbsthilfe sind Männer schwerlich nötig. Man denke z. B. an die segensreich wirkende Stellen- vermittelung des Allgemeinen deutschen Lehrerinnenvereins. Anders verhält es sich, wenn z. B. Forderungen bei der öffentlichen Meinung, im Reichstage und Bundesrate durchzusetzen sind. Hier dringen besonnene Männer weit leichter durch, wie Frauen; weil sie eben die Denk- und Gefühlsweise ihrer Geschlechtsgenossen besser kennen, und gar nicht in Versuchung kommen, doktrinäre, radikale, anstößige Ausdrücke, wie „Gleichberechtigung der Geschlechter“ und dergl. zu gebrauchen. Es ist daher zeitgemäß, daß nationalliberale und ähnliche gemäßigte Männer, Juristen, Nationalökonomen, Landwirte, Jndustrielle, Kauf- leute, Bankiers, Rentiers u. s. w. die Frauenbewegung aufmerksam verfolgen, den Weizen von der Spreu sondern und in ihrem eigenen Namen berechtigte Fraueninteressen vertreten. Sie können dabei (privatim, nicht öffentlich) ihre weiblichen Angehörigen und Bekannten sowie fremde Damen konsultieren. Wenn sie öffentlich erklärten, daß ihnen die Zusendung von Gutachten über die Frauenfrage erwünscht sei, so würden sie von Damen viele gedruckte und handschriftliche Meinungsäußerungen erhalten. Darunter würden sich natürlich halb und ganz überspannte Forderungen befinden, aber auch Gutachten der besonnensten, politisch begabtesten Frauen und Mädchen Deutsch- lands; und es wäre von Wichtigkeit, die Namen dieser Damen zu erfahren, mit ihnen zu korrespondieren, gelegentlich auch mündlich zu konferieren. Solche Politiker hätten den deutschen Frauen aller Klassen viel Wertvolles zu bieten. A. Die volle Anerkennung der Menschenwürde der Frauen, auch als Staatsweltbürgerinnen, als denkender Wesen, die Abschaffung der fast orientalischen, haremsartigen Unsitte, welche alle Damen, selbst die vornehmsten, reichsten, begabtesten, viel Muße genießenden, Langeweile leidenden, kinderlosen, zu national- ökonomischer, politischer, religiöser Unreife und Unthätigkeil zu ver- dammen sucht. Schon Friedrich der Große, ein kühl denkender Kenner beider Geschlechter, ließ der „Großen Landgräfin“ Karoline von Hessen-Darmstadt ein Denkmal mit der Jnschrift Femina sexu, ingenio vir (von Geschlecht ein Weib, an Geist ein Mann) setzen.  

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-09T14:25:10Z)

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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/35>, abgerufen am 20.04.2024.