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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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reiche Macht des Dreibundes" halb und halb geleugnet. Byzantinis-
mus und Leisetreterei sind gewiß nicht zu billigen, aber das andere
Extrem ist auch nicht zu billigen. Dahin gehört die an F. H. in
Baden adressierte, auf S. 155 stehende Briefkasten-Notiz, die für die
Dynastien Habsburg-Lothringen und Hohenzollern, für die
Unterthanen und Freunde derselben verletzend ist, und überdies ganz
ohne Not, nicht in Verteidigung irgend eines berechtigten Jnteresses,
vorgebracht wird. Selbst wenn die über Kaiser Franz I. Stephan
und Friedrich den Großen aufgestellten Behauptungen bewiesen
werden könnten (?), so wäre das Aufrühren solcher alter Geschichten
unpolitisch; besonders da beide Fürsten sich, trotz ihren Schattenseiten,
große Verdienste erworben haben.

Kurz, die Baronin B. v. Suttner, die überdies eine Aus-
länderin ist, eignet sich durchaus nicht zu einer politischen Führerin
deutscher Frauen oder Männer.

G. 1895 richteten einige französische Damen eine Friedens-
adresse
an die "Schwestern jenseits des Rheins", welche von
7 reichsdeutschen Damen und der Baronin v. Suttner zustimmend
beantwortet wurde. Richtiger wäre es gewesen, die Adresse mit Protest
zurückzusenden, oder wenigstens die Streichung des unpassenden,
eigentlich gegen den Frankfurter Frieden verstoßenden Ausdruckes
"jenseits des Rheins" zu fordern. Jn der Suttner'schen Zeitschrift
1895, S. 416, 417, sind beide Adressen mitgeteilt. Drei Namen sind
verdruckt. Es muß natürlich Frau Paule Munck, Frl. Dr. Tibur-
tius
und Frl. Marie Mellien heißen.
H. Deutsche Frauen sollen die Augen offen halten, sich nicht
von Aus- oder Jnländern antinationale Phrasen suggerieren lassen.
Es kommt allerdings vor, daß manche Altdeutsche, Großdeutsche u. s. w.
mit unpolitischer Schroffheit über fremde Völker urteilen; aber man
darf nicht kurzweg nationale Toleranz predigen. Man denke z. B. an
Magyaren, welche singen, oder drucken lassen "Der Deutsche ist ein
Hundsfott". Der Satz: "Die Frauen sollen ihre Kinder zum Frieden
erziehen" ist selbst für Frankreich und Rußland nur bedingt zuzugeben,
da beide Staaten gelegentlich gerechte Kriege führen können. Für das
deutsche Volk ist der Satz ganz verkehrt. "Si vis pacem, para bellum. "
"Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben,
Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt."

heißt es mit Recht in Schiller's "Tell".

reiche Macht des Dreibundes“ halb und halb geleugnet. Byzantinis-
mus und Leisetreterei sind gewiß nicht zu billigen, aber das andere
Extrem ist auch nicht zu billigen. Dahin gehört die an F. H. in
Baden adressierte, auf S. 155 stehende Briefkasten-Notiz, die für die
Dynastien Habsburg-Lothringen und Hohenzollern, für die
Unterthanen und Freunde derselben verletzend ist, und überdies ganz
ohne Not, nicht in Verteidigung irgend eines berechtigten Jnteresses,
vorgebracht wird. Selbst wenn die über Kaiser Franz I. Stephan
und Friedrich den Großen aufgestellten Behauptungen bewiesen
werden könnten (?), so wäre das Aufrühren solcher alter Geschichten
unpolitisch; besonders da beide Fürsten sich, trotz ihren Schattenseiten,
große Verdienste erworben haben.

Kurz, die Baronin B. v. Suttner, die überdies eine Aus-
länderin ist, eignet sich durchaus nicht zu einer politischen Führerin
deutscher Frauen oder Männer.

G. 1895 richteten einige französische Damen eine Friedens-
adresse
an die „Schwestern jenseits des Rheins“, welche von
7 reichsdeutschen Damen und der Baronin v. Suttner zustimmend
beantwortet wurde. Richtiger wäre es gewesen, die Adresse mit Protest
zurückzusenden, oder wenigstens die Streichung des unpassenden,
eigentlich gegen den Frankfurter Frieden verstoßenden Ausdruckes
„jenseits des Rheins“ zu fordern. Jn der Suttner’schen Zeitschrift
1895, S. 416, 417, sind beide Adressen mitgeteilt. Drei Namen sind
verdruckt. Es muß natürlich Frau Paule Munck, Frl. Dr. Tibur-
tius
und Frl. Marie Mellien heißen.
H. Deutsche Frauen sollen die Augen offen halten, sich nicht
von Aus- oder Jnländern antinationale Phrasen suggerieren lassen.
Es kommt allerdings vor, daß manche Altdeutsche, Großdeutsche u. s. w.
mit unpolitischer Schroffheit über fremde Völker urteilen; aber man
darf nicht kurzweg nationale Toleranz predigen. Man denke z. B. an
Magyaren, welche singen, oder drucken lassen „Der Deutsche ist ein
Hundsfott“. Der Satz: „Die Frauen sollen ihre Kinder zum Frieden
erziehen“ ist selbst für Frankreich und Rußland nur bedingt zuzugeben,
da beide Staaten gelegentlich gerechte Kriege führen können. Für das
deutsche Volk ist der Satz ganz verkehrt. «Si vis pacem, para bellum. »
„Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben,
Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.“

heißt es mit Recht in Schiller’s „Tell“.
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[26/0032] reiche Macht des Dreibundes“ halb und halb geleugnet. Byzantinis- mus und Leisetreterei sind gewiß nicht zu billigen, aber das andere Extrem ist auch nicht zu billigen. Dahin gehört die an F. H. in Baden adressierte, auf S. 155 stehende Briefkasten-Notiz, die für die Dynastien Habsburg-Lothringen und Hohenzollern, für die Unterthanen und Freunde derselben verletzend ist, und überdies ganz ohne Not, nicht in Verteidigung irgend eines berechtigten Jnteresses, vorgebracht wird. Selbst wenn die über Kaiser Franz I. Stephan und Friedrich den Großen aufgestellten Behauptungen bewiesen werden könnten (?), so wäre das Aufrühren solcher alter Geschichten unpolitisch; besonders da beide Fürsten sich, trotz ihren Schattenseiten, große Verdienste erworben haben. Kurz, die Baronin B. v. Suttner, die überdies eine Aus- länderin ist, eignet sich durchaus nicht zu einer politischen Führerin deutscher Frauen oder Männer. G. 1895 richteten einige französische Damen eine Friedens- adresse an die „Schwestern jenseits des Rheins“, welche von 7 reichsdeutschen Damen und der Baronin v. Suttner zustimmend beantwortet wurde. Richtiger wäre es gewesen, die Adresse mit Protest zurückzusenden, oder wenigstens die Streichung des unpassenden, eigentlich gegen den Frankfurter Frieden verstoßenden Ausdruckes „jenseits des Rheins“ zu fordern. Jn der Suttner’schen Zeitschrift 1895, S. 416, 417, sind beide Adressen mitgeteilt. Drei Namen sind verdruckt. Es muß natürlich Frau Paule Munck, Frl. Dr. Tibur- tius und Frl. Marie Mellien heißen. H. Deutsche Frauen sollen die Augen offen halten, sich nicht von Aus- oder Jnländern antinationale Phrasen suggerieren lassen. Es kommt allerdings vor, daß manche Altdeutsche, Großdeutsche u. s. w. mit unpolitischer Schroffheit über fremde Völker urteilen; aber man darf nicht kurzweg nationale Toleranz predigen. Man denke z. B. an Magyaren, welche singen, oder drucken lassen „Der Deutsche ist ein Hundsfott“. Der Satz: „Die Frauen sollen ihre Kinder zum Frieden erziehen“ ist selbst für Frankreich und Rußland nur bedingt zuzugeben, da beide Staaten gelegentlich gerechte Kriege führen können. Für das deutsche Volk ist der Satz ganz verkehrt. «Si vis pacem, para bellum. » „Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.“ heißt es mit Recht in Schiller’s „Tell“.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-09T14:25:10Z)

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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/32>, abgerufen am 28.03.2024.