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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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bleiben, wenn auch nur eine Dame zugegen ist?! Man hat daher,
nicht mit Unrecht, vorgeschlagen, eine kleine Universität, z. B.
Gießen, ganz für Studentinnen zu bestimmen. Für gewisse Fächer,
z. B. Philologie, Chemie, Musik könnten daselbst auch Männer als
Professoren angestellt werden, aber nicht für Anatomie u. s. w.
Damen könnten ferner an Männeruniversitäten solche Fächer hören,
in denen nichts für Frauen Unpassendes vorkommt.

Es ist nicht rätlich, von der Gleichberechtigung beider
Geschlechter
zu reden, denn der Ausdruck bedingte, organische
Gleichstellung
klingt pedantisch; und eine unbedingte, mecha-
nische Gleichstellung
ist weder wünschenswert, noch möglich.8) Der
Kürze halber seien nur folgende, zum Teil sehr triviale, aber von
extremen Frauenrechtlerinnen immer wieder ignorierte Wahrheiten
hervorgehoben:

I. Frauen sind körperlichen und geistigen Anstrengungen in der
Regel viel weniger gewachsen wie Männer. Sie bedürfen ferner
vor und nach ihrer Niederkunft und zu anderen Zeiten einer
besonderen körperlichen und geistigen Schonung.9) Sie sind, sogar in
reichen Familien, durch ihre Mutter- und Wirtschaftspflichten
viel mehr an das Haus gebunden wie ihre Männer. Sie sind daher
häufig weltunkundig, Gefühlspolitikerinnen, von medizinischen, poli-
tischen und anderen Schwindlern, selbst von Wahrsagerinnen, weit
leichter zu dupieren wie Männer. (Vgl. auch oben S. 3.)
II. Beim Kampfe gegen die Hexenprozesse scheint keine einzige
Dame beteiligt gewesen zu sein. Die Protestantenverfolgungen
des 16. und 17. Jahrhunderts waren dagegen größtenteils Werke von
Frauen, nämlich der blutigen Maria in England; der unsittlichen
Luise von Savoyen, der Mutter Franz's I., der Katharina von
Medici und der Frau von Maintenon in Frankreich; Maria's der
Mutter, und Maria Anna's, der Gemahlin des nachmaligen Kaisers
Ferdinand's II. in Österreich.10) Beide waren bayerische Prinzessinnen,
aus der jüngeren, 1777 ausgestorbenen Linie der Wittelsbacher.
Gustav Adolf's Tochter wurde katholisch. Selbst Maria Theresia war
intolerant gegen Andersgläubige.

Die weiblichen "Hyänen" der französischen Revolution, die
Vorläuferinnen der Petroleusen von 1871, sind auch aus Schiller's
"Glocke" bekannt. Der französische, protestantische Graf A. v. Gasparin
schildert als Augenzeuge, von welcher Kriegsfurie ultramontane Fran-

bleiben, wenn auch nur eine Dame zugegen ist?! Man hat daher,
nicht mit Unrecht, vorgeschlagen, eine kleine Universität, z. B.
Gießen, ganz für Studentinnen zu bestimmen. Für gewisse Fächer,
z. B. Philologie, Chemie, Musik könnten daselbst auch Männer als
Professoren angestellt werden, aber nicht für Anatomie u. s. w.
Damen könnten ferner an Männeruniversitäten solche Fächer hören,
in denen nichts für Frauen Unpassendes vorkommt.

Es ist nicht rätlich, von der Gleichberechtigung beider
Geschlechter
zu reden, denn der Ausdruck bedingte, organische
Gleichstellung
klingt pedantisch; und eine unbedingte, mecha-
nische Gleichstellung
ist weder wünschenswert, noch möglich.8) Der
Kürze halber seien nur folgende, zum Teil sehr triviale, aber von
extremen Frauenrechtlerinnen immer wieder ignorierte Wahrheiten
hervorgehoben:

I. Frauen sind körperlichen und geistigen Anstrengungen in der
Regel viel weniger gewachsen wie Männer. Sie bedürfen ferner
vor und nach ihrer Niederkunft und zu anderen Zeiten einer
besonderen körperlichen und geistigen Schonung.9) Sie sind, sogar in
reichen Familien, durch ihre Mutter- und Wirtschaftspflichten
viel mehr an das Haus gebunden wie ihre Männer. Sie sind daher
häufig weltunkundig, Gefühlspolitikerinnen, von medizinischen, poli-
tischen und anderen Schwindlern, selbst von Wahrsagerinnen, weit
leichter zu dupieren wie Männer. (Vgl. auch oben S. 3.)
II. Beim Kampfe gegen die Hexenprozesse scheint keine einzige
Dame beteiligt gewesen zu sein. Die Protestantenverfolgungen
des 16. und 17. Jahrhunderts waren dagegen größtenteils Werke von
Frauen, nämlich der blutigen Maria in England; der unsittlichen
Luise von Savoyen, der Mutter Franz's I., der Katharina von
Medici und der Frau von Maintenon in Frankreich; Maria's der
Mutter, und Maria Anna's, der Gemahlin des nachmaligen Kaisers
Ferdinand's II. in Österreich.10) Beide waren bayerische Prinzessinnen,
aus der jüngeren, 1777 ausgestorbenen Linie der Wittelsbacher.
Gustav Adolf‘s Tochter wurde katholisch. Selbst Maria Theresia war
intolerant gegen Andersgläubige.

Die weiblichen „Hyänen“ der französischen Revolution, die
Vorläuferinnen der Petroleusen von 1871, sind auch aus Schiller's
„Glocke“ bekannt. Der französische, protestantische Graf A. v. Gasparin
schildert als Augenzeuge, von welcher Kriegsfurie ultramontane Fran-

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[18/0024] bleiben, wenn auch nur eine Dame zugegen ist?! Man hat daher, nicht mit Unrecht, vorgeschlagen, eine kleine Universität, z. B. Gießen, ganz für Studentinnen zu bestimmen. Für gewisse Fächer, z. B. Philologie, Chemie, Musik könnten daselbst auch Männer als Professoren angestellt werden, aber nicht für Anatomie u. s. w. Damen könnten ferner an Männeruniversitäten solche Fächer hören, in denen nichts für Frauen Unpassendes vorkommt. Es ist nicht rätlich, von der Gleichberechtigung beider Geschlechter zu reden, denn der Ausdruck bedingte, organische Gleichstellung klingt pedantisch; und eine unbedingte, mecha- nische Gleichstellung ist weder wünschenswert, noch möglich. ⁸⁾ Der Kürze halber seien nur folgende, zum Teil sehr triviale, aber von extremen Frauenrechtlerinnen immer wieder ignorierte Wahrheiten hervorgehoben: I. Frauen sind körperlichen und geistigen Anstrengungen in der Regel viel weniger gewachsen wie Männer. Sie bedürfen ferner vor und nach ihrer Niederkunft und zu anderen Zeiten einer besonderen körperlichen und geistigen Schonung. ⁹⁾ Sie sind, sogar in reichen Familien, durch ihre Mutter- und Wirtschaftspflichten viel mehr an das Haus gebunden wie ihre Männer. Sie sind daher häufig weltunkundig, Gefühlspolitikerinnen, von medizinischen, poli- tischen und anderen Schwindlern, selbst von Wahrsagerinnen, weit leichter zu dupieren wie Männer. (Vgl. auch oben S. 3.) II. Beim Kampfe gegen die Hexenprozesse scheint keine einzige Dame beteiligt gewesen zu sein. Die Protestantenverfolgungen des 16. und 17. Jahrhunderts waren dagegen größtenteils Werke von Frauen, nämlich der blutigen Maria in England; der unsittlichen Luise von Savoyen, der Mutter Franz's I., der Katharina von Medici und der Frau von Maintenon in Frankreich; Maria's der Mutter, und Maria Anna's, der Gemahlin des nachmaligen Kaisers Ferdinand's II. in Österreich. ¹⁰⁾ Beide waren bayerische Prinzessinnen, aus der jüngeren, 1777 ausgestorbenen Linie der Wittelsbacher. Gustav Adolf‘s Tochter wurde katholisch. Selbst Maria Theresia war intolerant gegen Andersgläubige. Die weiblichen „Hyänen“ der französischen Revolution, die Vorläuferinnen der Petroleusen von 1871, sind auch aus Schiller's „Glocke“ bekannt. Der französische, protestantische Graf A. v. Gasparin schildert als Augenzeuge, von welcher Kriegsfurie ultramontane Fran-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-09T14:25:10Z)

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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/24>, abgerufen am 18.04.2024.