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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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erschien in demselben Jahre eine Erklärung für das Frauen-
stimmrecht
. Mehr als 2000 Frauen und Mädchen unterschrieben.
Aus räumlichen Gründen wurden ungefähr nur 1/4 der Namen,
circa 500, veröffentlicht. Darunter befanden sich 1 Markgräfin
(marchioness), 1 Vicegräfin, 7 Gräfinnen, Frau Karl Blind, Frl.
J. Cobden, Frau Henry Fawcett, W. E. H. Lecky und andere.
Fast alle 500 Unterzeichnerinnen gehören dem Adel oder der Bour-
geoisie an, nur unter den letzten 24 Namen kann es einige Hand-
arbeiterinnen geben, zu denen nach S. 139 noch 187 Frauen dieser
Klassen kommen. Die fehlenden 1500 Namen gehören nicht lauter
Proletarierinnen an, denn nach S. 131 befinden sich unter ihnen
many valuable and important names. Frau Lily von Gizycki
spricht in ihrer Broschüre "Die Bürgerpflicht der Frau," 1895,
S. 14, von der Sache, scheint aber die beiden Listen nicht selbst
gesehen zu haben. Sie sagt: "Es fand sich, daß diese 2000 Frauen
ihr Leben mit einem Berufe ausfüllen, während die Protestlerinnen
lauter nichtsthuende Damen sind." Das ist eine Anspielung auf
S. 125, 126 der Fortnightly Review, wo aber so extreme Behaup-
tungen nicht stehen. Zu den angeblich nichtsthuenden Damen gehören
auch Frau Sidney Webb und Frau Humphry Ward. Der Frau
von Gizycky passiert dabei das Mißgeschick, daß sie auf S. 13 ihre
These von S. 14 selbst widerlegt, d. h. Frau Webb sehr lobt, weil
diese reiche Dame als junges Mädchen im Osten Londons als
Schneiderin arbeitete, um Material gegen das Sweating-System zu
sammeln. Dies Lob ist natürlich verdient. Frau Ward, die frucht-
bare Romanschriftstellerin und verdienstvolle Vorkämpferin der deutschen,
aufgeklärten Theologie, ist wahrlich auch keine Drohne. Wie sollte
ferner der Beweis geführt werden, daß z. B. die 2 protestierenden
Gräfinnen nichts thun, und daß die 7 zustimmenden Gräfinnen ihr
Leben mit einem Berufe ausfüllen? U. s. w.

Schon 1886 gab es in London eine segensreich wirkende So-
ciety for the Prevention of Cruelty to Children
. Eine Ausdehnung
des Vereinszweckes auf den Frauenschutz ist wünschenswert. Die 1878
in der Monatsschrift Contemporary Review, Bd. 32, erschienene
Abhandlung F. P. Cobbe's Wife-Torture in England ist leider
wohl noch heute beachtenswert.

Eine der namhaftesten englischen Damen ist die 1851 geborene
Lady Henry Somerset. Jhre Biographie erschien 1893 im Juni-

erschien in demselben Jahre eine Erklärung für das Frauen-
stimmrecht
. Mehr als 2000 Frauen und Mädchen unterschrieben.
Aus räumlichen Gründen wurden ungefähr nur 1/4 der Namen,
circa 500, veröffentlicht. Darunter befanden sich 1 Markgräfin
(marchioness), 1 Vicegräfin, 7 Gräfinnen, Frau Karl Blind, Frl.
J. Cobden, Frau Henry Fawcett, W. E. H. Lecky und andere.
Fast alle 500 Unterzeichnerinnen gehören dem Adel oder der Bour-
geoisie an, nur unter den letzten 24 Namen kann es einige Hand-
arbeiterinnen geben, zu denen nach S. 139 noch 187 Frauen dieser
Klassen kommen. Die fehlenden 1500 Namen gehören nicht lauter
Proletarierinnen an, denn nach S. 131 befinden sich unter ihnen
many valuable and important names. Frau Lily von Gizycki
spricht in ihrer Broschüre „Die Bürgerpflicht der Frau,“ 1895,
S. 14, von der Sache, scheint aber die beiden Listen nicht selbst
gesehen zu haben. Sie sagt: „Es fand sich, daß diese 2000 Frauen
ihr Leben mit einem Berufe ausfüllen, während die Protestlerinnen
lauter nichtsthuende Damen sind.“ Das ist eine Anspielung auf
S. 125, 126 der Fortnightly Review, wo aber so extreme Behaup-
tungen nicht stehen. Zu den angeblich nichtsthuenden Damen gehören
auch Frau Sidney Webb und Frau Humphry Ward. Der Frau
von Gizycky passiert dabei das Mißgeschick, daß sie auf S. 13 ihre
These von S. 14 selbst widerlegt, d. h. Frau Webb sehr lobt, weil
diese reiche Dame als junges Mädchen im Osten Londons als
Schneiderin arbeitete, um Material gegen das Sweating-System zu
sammeln. Dies Lob ist natürlich verdient. Frau Ward, die frucht-
bare Romanschriftstellerin und verdienstvolle Vorkämpferin der deutschen,
aufgeklärten Theologie, ist wahrlich auch keine Drohne. Wie sollte
ferner der Beweis geführt werden, daß z. B. die 2 protestierenden
Gräfinnen nichts thun, und daß die 7 zustimmenden Gräfinnen ihr
Leben mit einem Berufe ausfüllen? U. s. w.

Schon 1886 gab es in London eine segensreich wirkende So-
ciety for the Prevention of Cruelty to Children
. Eine Ausdehnung
des Vereinszweckes auf den Frauenschutz ist wünschenswert. Die 1878
in der Monatsschrift Contemporary Review, Bd. 32, erschienene
Abhandlung F. P. Cobbe's Wife-Torture in England ist leider
wohl noch heute beachtenswert.

Eine der namhaftesten englischen Damen ist die 1851 geborene
Lady Henry Somerset. Jhre Biographie erschien 1893 im Juni-

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[6/0012] erschien in demselben Jahre eine Erklärung für das Frauen- stimmrecht. Mehr als 2000 Frauen und Mädchen unterschrieben. Aus räumlichen Gründen wurden ungefähr nur 1/4 der Namen, circa 500, veröffentlicht. Darunter befanden sich 1 Markgräfin (marchioness), 1 Vicegräfin, 7 Gräfinnen, Frau Karl Blind, Frl. J. Cobden, Frau Henry Fawcett, W. E. H. Lecky und andere. Fast alle 500 Unterzeichnerinnen gehören dem Adel oder der Bour- geoisie an, nur unter den letzten 24 Namen kann es einige Hand- arbeiterinnen geben, zu denen nach S. 139 noch 187 Frauen dieser Klassen kommen. Die fehlenden 1500 Namen gehören nicht lauter Proletarierinnen an, denn nach S. 131 befinden sich unter ihnen many valuable and important names. Frau Lily von Gizycki spricht in ihrer Broschüre „Die Bürgerpflicht der Frau,“ 1895, S. 14, von der Sache, scheint aber die beiden Listen nicht selbst gesehen zu haben. Sie sagt: „Es fand sich, daß diese 2000 Frauen ihr Leben mit einem Berufe ausfüllen, während die Protestlerinnen lauter nichtsthuende Damen sind.“ Das ist eine Anspielung auf S. 125, 126 der Fortnightly Review, wo aber so extreme Behaup- tungen nicht stehen. Zu den angeblich nichtsthuenden Damen gehören auch Frau Sidney Webb und Frau Humphry Ward. Der Frau von Gizycky passiert dabei das Mißgeschick, daß sie auf S. 13 ihre These von S. 14 selbst widerlegt, d. h. Frau Webb sehr lobt, weil diese reiche Dame als junges Mädchen im Osten Londons als Schneiderin arbeitete, um Material gegen das Sweating-System zu sammeln. Dies Lob ist natürlich verdient. Frau Ward, die frucht- bare Romanschriftstellerin und verdienstvolle Vorkämpferin der deutschen, aufgeklärten Theologie, ist wahrlich auch keine Drohne. Wie sollte ferner der Beweis geführt werden, daß z. B. die 2 protestierenden Gräfinnen nichts thun, und daß die 7 zustimmenden Gräfinnen ihr Leben mit einem Berufe ausfüllen? U. s. w. Schon 1886 gab es in London eine segensreich wirkende So- ciety for the Prevention of Cruelty to Children. Eine Ausdehnung des Vereinszweckes auf den Frauenschutz ist wünschenswert. Die 1878 in der Monatsschrift Contemporary Review, Bd. 32, erschienene Abhandlung F. P. Cobbe's Wife-Torture in England ist leider wohl noch heute beachtenswert. Eine der namhaftesten englischen Damen ist die 1851 geborene Lady Henry Somerset. Jhre Biographie erschien 1893 im Juni-  

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-09T14:25:10Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/12>, abgerufen am 19.04.2024.