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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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Wahrheit nichts anderes als Auffinden, nämlich Auffin¬
den, Erkennen der Natur.

Das Erfinden der Mode ist daher ein mechanisches.
Das Mechanische unterscheidet sich vom Künstlerischen aber
dadurch, daß es von Ableitung zu Ableitung, von Mittel
zu Mittel geht, um endlich doch immer wieder nur ein
Mittel, die Maschine, hervorzubringen; wogegen das
Künstlerische gerade den entgegengesetzten Weg einschlägt,
Mittel auf Mittel hinter sich wirft, von Ableitung auf Ab¬
leitung absieht, um endlich beim Quell aller Ableitung,
alles Mittels, der Natur, mit verständnißvoller Befriedi¬
gung seines Bedürfnisses anzukommen.

So ist denn die Maschine der kalte, herzlose Wohl¬
thäter der luxusbedürftigen Menschheit. Durch die Ma¬
schine hat diese endlich aber auch noch den menschlichen Verstand
sich unterthänig gemacht; denn vom künstlerischen Streben,
vom künstlerischen Auffinden abgelenkt, verleugnet, verunehrt,
verzehrt er sich endlich im mechanischen Raffiniren, im
Einswerden mit der Maschine, statt im Einswerden mit
der Natur im Kunstwerke.

Das Bedürfniß der Mode ist somit der schnurgerade
Gegensatz des Bedürfnisses der Kunst; denn das Bedürf¬
niß der Kunst kann unmöglich da vorhanden sein, wo die
Mode die gesetzgebende Gewalt des Lebens ist. In Wahr¬
heit konnte das Streben einzelner begeisterter Künstler

Wahrheit nichts anderes als Auffinden, nämlich Auffin¬
den, Erkennen der Natur.

Das Erfinden der Mode iſt daher ein mechaniſches.
Das Mechaniſche unterſcheidet ſich vom Künſtleriſchen aber
dadurch, daß es von Ableitung zu Ableitung, von Mittel
zu Mittel geht, um endlich doch immer wieder nur ein
Mittel, die Maſchine, hervorzubringen; wogegen das
Künſtleriſche gerade den entgegengeſetzten Weg einſchlägt,
Mittel auf Mittel hinter ſich wirft, von Ableitung auf Ab¬
leitung abſieht, um endlich beim Quell aller Ableitung,
alles Mittels, der Natur, mit verſtändnißvoller Befriedi¬
gung ſeines Bedürfniſſes anzukommen.

So iſt denn die Maſchine der kalte, herzloſe Wohl¬
thäter der luxusbedürftigen Menſchheit. Durch die Ma¬
ſchine hat dieſe endlich aber auch noch den menſchlichen Verſtand
ſich unterthänig gemacht; denn vom künſtleriſchen Streben,
vom künſtleriſchen Auffinden abgelenkt, verleugnet, verunehrt,
verzehrt er ſich endlich im mechaniſchen Raffiniren, im
Einswerden mit der Maſchine, ſtatt im Einswerden mit
der Natur im Kunſtwerke.

Das Bedürfniß der Mode iſt ſomit der ſchnurgerade
Gegenſatz des Bedürfniſſes der Kunſt; denn das Bedürf¬
niß der Kunſt kann unmöglich da vorhanden ſein, wo die
Mode die geſetzgebende Gewalt des Lebens iſt. In Wahr¬
heit konnte das Streben einzelner begeiſterter Künſtler

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[28/0044] Wahrheit nichts anderes als Auffinden, nämlich Auffin¬ den, Erkennen der Natur. Das Erfinden der Mode iſt daher ein mechaniſches. Das Mechaniſche unterſcheidet ſich vom Künſtleriſchen aber dadurch, daß es von Ableitung zu Ableitung, von Mittel zu Mittel geht, um endlich doch immer wieder nur ein Mittel, die Maſchine, hervorzubringen; wogegen das Künſtleriſche gerade den entgegengeſetzten Weg einſchlägt, Mittel auf Mittel hinter ſich wirft, von Ableitung auf Ab¬ leitung abſieht, um endlich beim Quell aller Ableitung, alles Mittels, der Natur, mit verſtändnißvoller Befriedi¬ gung ſeines Bedürfniſſes anzukommen. So iſt denn die Maſchine der kalte, herzloſe Wohl¬ thäter der luxusbedürftigen Menſchheit. Durch die Ma¬ ſchine hat dieſe endlich aber auch noch den menſchlichen Verſtand ſich unterthänig gemacht; denn vom künſtleriſchen Streben, vom künſtleriſchen Auffinden abgelenkt, verleugnet, verunehrt, verzehrt er ſich endlich im mechaniſchen Raffiniren, im Einswerden mit der Maſchine, ſtatt im Einswerden mit der Natur im Kunſtwerke. Das Bedürfniß der Mode iſt ſomit der ſchnurgerade Gegenſatz des Bedürfniſſes der Kunſt; denn das Bedürf¬ niß der Kunſt kann unmöglich da vorhanden ſein, wo die Mode die geſetzgebende Gewalt des Lebens iſt. In Wahr¬ heit konnte das Streben einzelner begeiſterter Künſtler

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/44>, abgerufen am 28.03.2024.