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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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unwahr, egoistisch, und in einem gemeinsamen Bedürfnisse
daher nicht nur nicht enthalten ist, sondern als bloßes Be¬
dürfniß der Erhaltung des Ueberflusses -- als welches ein
Bedürfniß ohne Kraft der Noth einzig gedacht werden
kann -- dem gemeinsamen Bedürfnisse geradezu entgegen¬
steht.

Wo keine Noth ist, ist kein wahres Bedürfniß; wo
kein wahres Bedürfniß, keine nothwendige Thätigkeit; wo
keine nothwendige Thätigkeit ist, da ist aber Willkür; wo
Willkür herrscht, da blüht aber jedes Laster, jedes Ver¬
brechen gegen die Natur. Denn nur durch Zurückdrängung,
durch Versagung und Verwehrung der Befriedigung des
wahren Bedürfnisses, kann das eingebildete, unwahre Be¬
dürfniß sich zu befriedigen suchen.

Die Befriedigung des eingebildeten Bedürfnisses ist
aber der Luxus, welcher nur im Gegensatze und auf
Kosten der Entbehrung des Nothwendigen von der ande¬
ren Seite erzeugt und unterhalten werden kann.

Der Luxus ist ebenso herzlos, unmenschlich, uner¬
sättlich und egoistisch, als das Bedürfniß, welches ihn her¬
vorruft, das er aber, bei aller Steigerung und Ueberbie¬
tung seines Wesens nie zu stillen vermag, weil das Be¬
dürfniß eben selbst kein natürliches, deshalb zu befriedigen¬
des ist, und zwar aus dem Grunde, weil es als ein un¬
wahres, auch keinen wahren, wesenhaften Gegensatz hat, in

unwahr, egoiſtiſch, und in einem gemeinſamen Bedürfniſſe
daher nicht nur nicht enthalten iſt, ſondern als bloßes Be¬
dürfniß der Erhaltung des Ueberfluſſes — als welches ein
Bedürfniß ohne Kraft der Noth einzig gedacht werden
kann — dem gemeinſamen Bedürfniſſe geradezu entgegen¬
ſteht.

Wo keine Noth iſt, iſt kein wahres Bedürfniß; wo
kein wahres Bedürfniß, keine nothwendige Thätigkeit; wo
keine nothwendige Thätigkeit iſt, da iſt aber Willkür; wo
Willkür herrſcht, da blüht aber jedes Laſter, jedes Ver¬
brechen gegen die Natur. Denn nur durch Zurückdrängung,
durch Verſagung und Verwehrung der Befriedigung des
wahren Bedürfniſſes, kann das eingebildete, unwahre Be¬
dürfniß ſich zu befriedigen ſuchen.

Die Befriedigung des eingebildeten Bedürfniſſes iſt
aber der Luxus, welcher nur im Gegenſatze und auf
Koſten der Entbehrung des Nothwendigen von der ande¬
ren Seite erzeugt und unterhalten werden kann.

Der Luxus iſt ebenſo herzlos, unmenſchlich, uner¬
ſättlich und egoiſtiſch, als das Bedürfniß, welches ihn her¬
vorruft, das er aber, bei aller Steigerung und Ueberbie¬
tung ſeines Weſens nie zu ſtillen vermag, weil das Be¬
dürfniß eben ſelbſt kein natürliches, deshalb zu befriedigen¬
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[12/0028] unwahr, egoiſtiſch, und in einem gemeinſamen Bedürfniſſe daher nicht nur nicht enthalten iſt, ſondern als bloßes Be¬ dürfniß der Erhaltung des Ueberfluſſes — als welches ein Bedürfniß ohne Kraft der Noth einzig gedacht werden kann — dem gemeinſamen Bedürfniſſe geradezu entgegen¬ ſteht. Wo keine Noth iſt, iſt kein wahres Bedürfniß; wo kein wahres Bedürfniß, keine nothwendige Thätigkeit; wo keine nothwendige Thätigkeit iſt, da iſt aber Willkür; wo Willkür herrſcht, da blüht aber jedes Laſter, jedes Ver¬ brechen gegen die Natur. Denn nur durch Zurückdrängung, durch Verſagung und Verwehrung der Befriedigung des wahren Bedürfniſſes, kann das eingebildete, unwahre Be¬ dürfniß ſich zu befriedigen ſuchen. Die Befriedigung des eingebildeten Bedürfniſſes iſt aber der Luxus, welcher nur im Gegenſatze und auf Koſten der Entbehrung des Nothwendigen von der ande¬ ren Seite erzeugt und unterhalten werden kann. Der Luxus iſt ebenſo herzlos, unmenſchlich, uner¬ ſättlich und egoiſtiſch, als das Bedürfniß, welches ihn her¬ vorruft, das er aber, bei aller Steigerung und Ueberbie¬ tung ſeines Weſens nie zu ſtillen vermag, weil das Be¬ dürfniß eben ſelbſt kein natürliches, deshalb zu befriedigen¬ des iſt, und zwar aus dem Grunde, weil es als ein un¬ wahres, auch keinen wahren, weſenhaften Gegenſatz hat, in

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/28>, abgerufen am 29.03.2024.