Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

von Guizot ernsthafte, dauerhafte Regierungen genannt - man halte ihre Dauer gegen die Dynastieen der älteren Zeiten!

Die Staatsformen der Thierwelt haben eine ermüdende Dauer. Nicht, daß sie besondere konstitutionelle Garantien, wie Gesetze über Belagerungszustand und dergleichen mehr böten - die einzige Garantie ihres Bestandes ist die Gleichartigkeit in der Nahrung der Staatsangehörigen. Blumenstaub und Honig - Honig und Blumenstaub sind die einzigen Erhaltungsmittel des Bienenlebens. Zwar stehen sich auch hier die Gegensätze gegenüber, wie im Kaffee und der Kartoffel - frischer Blumenstaub im Sommer reizt das Bienenvolk zum Schwärmen, zum Wandern, während im Winter die Honignahrung sie in den Stock bannt und dort, ehrsamen Bürgern gleich, in Gesellschaft festhält, wo sie höchstens ein wenig brummen. Aber dennoch bleibt die Veränderung in einen höchst engen Kreis gebannt - legaler Fortschritt! - für das blöde Auge des in die Geheimnisse des Bienenstaates uneingeweihten Menschen gänzlich unbemerkbar, aber trotzdem vorhanden. So bemerkt auch das blöde Auge des Bauers, des Bürgers oft den legalen Fortschritt nicht, womit zuweilen sogar Märzminister ihr Land beglückt haben.

Der Forscher über Thierstaatengeschichte bedarf deßhalb keiner Folianten, keiner alten Urkunden. Die Gegenwart bietet ihm meist denselben Stoff unverändert, den die Vergangenheit zeigen würde. Nicht, daß wir keine Urkunden besäßen. Ueber viele Thierstaaten reichen unsere Kenntnisse bis in die Zeit der Sagen und Mährchen zurück; über einige, der Civilisation näher gerückte, wie z. B. Bienen- und Ameisenstaaten, finden wir in den alten Schriftstellern

von Guizot ernsthafte, dauerhafte Regierungen genannt – man halte ihre Dauer gegen die Dynastieen der älteren Zeiten!

Die Staatsformen der Thierwelt haben eine ermüdende Dauer. Nicht, daß sie besondere konstitutionelle Garantien, wie Gesetze über Belagerungszustand und dergleichen mehr böten – die einzige Garantie ihres Bestandes ist die Gleichartigkeit in der Nahrung der Staatsangehörigen. Blumenstaub und Honig – Honig und Blumenstaub sind die einzigen Erhaltungsmittel des Bienenlebens. Zwar stehen sich auch hier die Gegensätze gegenüber, wie im Kaffee und der Kartoffel – frischer Blumenstaub im Sommer reizt das Bienenvolk zum Schwärmen, zum Wandern, während im Winter die Honignahrung sie in den Stock bannt und dort, ehrsamen Bürgern gleich, in Gesellschaft festhält, wo sie höchstens ein wenig brummen. Aber dennoch bleibt die Veränderung in einen höchst engen Kreis gebannt – legaler Fortschritt! – für das blöde Auge des in die Geheimnisse des Bienenstaates uneingeweihten Menschen gänzlich unbemerkbar, aber trotzdem vorhanden. So bemerkt auch das blöde Auge des Bauers, des Bürgers oft den legalen Fortschritt nicht, womit zuweilen sogar Märzminister ihr Land beglückt haben.

Der Forscher über Thierstaatengeschichte bedarf deßhalb keiner Folianten, keiner alten Urkunden. Die Gegenwart bietet ihm meist denselben Stoff unverändert, den die Vergangenheit zeigen würde. Nicht, daß wir keine Urkunden besäßen. Ueber viele Thierstaaten reichen unsere Kenntnisse bis in die Zeit der Sagen und Mährchen zurück; über einige, der Civilisation näher gerückte, wie z. B. Bienen- und Ameisenstaaten, finden wir in den alten Schriftstellern

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="8"/>
von Guizot ernsthafte, dauerhafte Regierungen genannt &#x2013; man halte ihre Dauer gegen die Dynastieen der älteren Zeiten!</p>
        <p>Die Staatsformen der Thierwelt haben eine ermüdende Dauer. Nicht, daß sie besondere konstitutionelle Garantien, wie Gesetze über Belagerungszustand und dergleichen mehr böten &#x2013; die einzige Garantie ihres Bestandes ist die Gleichartigkeit in der Nahrung der Staatsangehörigen. Blumenstaub und Honig &#x2013; Honig und Blumenstaub sind die einzigen Erhaltungsmittel des Bienenlebens. Zwar stehen sich auch hier die Gegensätze gegenüber, wie im Kaffee und der Kartoffel &#x2013; frischer Blumenstaub im Sommer reizt das Bienenvolk zum Schwärmen, zum Wandern, während im Winter die Honignahrung sie in den Stock bannt und dort, ehrsamen Bürgern gleich, in Gesellschaft festhält, wo sie höchstens ein wenig brummen. Aber dennoch bleibt die Veränderung in einen höchst engen Kreis gebannt &#x2013; legaler Fortschritt! &#x2013; für das blöde Auge des in die Geheimnisse des Bienenstaates uneingeweihten Menschen gänzlich unbemerkbar, aber trotzdem vorhanden. So bemerkt auch das blöde Auge des Bauers, des Bürgers oft den legalen Fortschritt nicht, womit zuweilen sogar Märzminister ihr Land beglückt haben.</p>
        <p>Der Forscher über Thierstaatengeschichte bedarf deßhalb keiner Folianten, keiner alten Urkunden. Die Gegenwart bietet ihm meist denselben Stoff unverändert, den die Vergangenheit zeigen würde. Nicht, daß wir keine Urkunden besäßen. Ueber viele Thierstaaten reichen unsere Kenntnisse bis in die Zeit der Sagen und Mährchen zurück; über einige, der Civilisation näher gerückte, wie z. B. Bienen- und Ameisenstaaten, finden wir in den alten Schriftstellern
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[8/0034] von Guizot ernsthafte, dauerhafte Regierungen genannt – man halte ihre Dauer gegen die Dynastieen der älteren Zeiten! Die Staatsformen der Thierwelt haben eine ermüdende Dauer. Nicht, daß sie besondere konstitutionelle Garantien, wie Gesetze über Belagerungszustand und dergleichen mehr böten – die einzige Garantie ihres Bestandes ist die Gleichartigkeit in der Nahrung der Staatsangehörigen. Blumenstaub und Honig – Honig und Blumenstaub sind die einzigen Erhaltungsmittel des Bienenlebens. Zwar stehen sich auch hier die Gegensätze gegenüber, wie im Kaffee und der Kartoffel – frischer Blumenstaub im Sommer reizt das Bienenvolk zum Schwärmen, zum Wandern, während im Winter die Honignahrung sie in den Stock bannt und dort, ehrsamen Bürgern gleich, in Gesellschaft festhält, wo sie höchstens ein wenig brummen. Aber dennoch bleibt die Veränderung in einen höchst engen Kreis gebannt – legaler Fortschritt! – für das blöde Auge des in die Geheimnisse des Bienenstaates uneingeweihten Menschen gänzlich unbemerkbar, aber trotzdem vorhanden. So bemerkt auch das blöde Auge des Bauers, des Bürgers oft den legalen Fortschritt nicht, womit zuweilen sogar Märzminister ihr Land beglückt haben. Der Forscher über Thierstaatengeschichte bedarf deßhalb keiner Folianten, keiner alten Urkunden. Die Gegenwart bietet ihm meist denselben Stoff unverändert, den die Vergangenheit zeigen würde. Nicht, daß wir keine Urkunden besäßen. Ueber viele Thierstaaten reichen unsere Kenntnisse bis in die Zeit der Sagen und Mährchen zurück; über einige, der Civilisation näher gerückte, wie z. B. Bienen- und Ameisenstaaten, finden wir in den alten Schriftstellern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/34
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/34>, abgerufen am 29.03.2024.