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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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fläche tragen, mit der sie auf dem Flossenträger befestigt sind. Meist
sind diese Stachelstrahlen hart und spröde, so daß sie selbst em-
pfindlich verwunden können und nur bei wenigen Familien erscheinen
sie so dünn und zart, daß sie weich und biegsam werden. Sie kön-
nen sich mit Ausnahme der Schwanzflosse in allen übrigen Flossen
finden, bilden aber immer nur die vordere Partie der Flossen und

[Abbildung] Fig. 935.

Der Lippfisch (Labrus merula). Die vordere Hälfte der Rücken- und Afterflosse ist aus
Stachelstrahlen gebildet.

werden stets nach hinten von weichen Strahlen gefolgt. Diese wei-
chen
oder gegliederten Strahlen bestehen zwar meist ebenfalls
aus Knochensubstanz, sind aber der Quere nach in einzelne Abthei-
lungen zerlegt und zertheilen sich zugleich der Länge nach dichotomisch,
so daß sie, je länger sie werden, desto mehr sich fächerartig ausbrei-
ten, während sie zugleich dünner und biegsamer werden. Alle diese
Strahlen sind auf besonderen Knochen eingelenkt, welche in der Mit-
tellinie zwischen den großen Muskelmassen stecken und meistens die
Gestalt einer mit der Spitze nach innen gerichteten Dolchklinge zeigen.
An diesen Flossenträgern setzen sich kleine Muskeln fest, welche
die Strahlen aufrichten und niederlegen, also die zwischen ihnen
liegende Flossenhaut spannen und erschlaffen können.

Die paarigen Flossen entsprechen, wie schon bemerkt, den
Gliedmaßen der übrigen Wirbelthiere und zeigen als solche eine von
den senkrechten Flossen durchaus verschiedene Structur, wenngleich die
Bildung ihrer Strahlen mit der bei jenen vorkommenden überein-
stimmt; die Brustflosse (Pinna pectoralis) fehlt zuweilen ganz,
meistens ist sie vorhanden und steht dann immer unmittelbar hinter
den Kiemen am Beginne des Rumpfes; sie besteht ursprünglich aus
drei Theilen, aus dem Schultergürtel, welcher eine bogenförmige
Gestalt hat und anfangs aus einem einzigen Knorpelstücke besteht,
welches bei der Verknöcherung in mehrere Stücke zerfällt, die man
als Schulterblatt, Schlüsselbein und Rabenbein unterschieden hat; -- aus

fläche tragen, mit der ſie auf dem Floſſenträger befeſtigt ſind. Meiſt
ſind dieſe Stachelſtrahlen hart und ſpröde, ſo daß ſie ſelbſt em-
pfindlich verwunden können und nur bei wenigen Familien erſcheinen
ſie ſo dünn und zart, daß ſie weich und biegſam werden. Sie kön-
nen ſich mit Ausnahme der Schwanzfloſſe in allen übrigen Floſſen
finden, bilden aber immer nur die vordere Partie der Floſſen und

[Abbildung] Fig. 935.

Der Lippfiſch (Labrus merula). Die vordere Hälfte der Rücken- und Afterfloſſe iſt aus
Stachelſtrahlen gebildet.

werden ſtets nach hinten von weichen Strahlen gefolgt. Dieſe wei-
chen
oder gegliederten Strahlen beſtehen zwar meiſt ebenfalls
aus Knochenſubſtanz, ſind aber der Quere nach in einzelne Abthei-
lungen zerlegt und zertheilen ſich zugleich der Länge nach dichotomiſch,
ſo daß ſie, je länger ſie werden, deſto mehr ſich fächerartig ausbrei-
ten, während ſie zugleich dünner und biegſamer werden. Alle dieſe
Strahlen ſind auf beſonderen Knochen eingelenkt, welche in der Mit-
tellinie zwiſchen den großen Muskelmaſſen ſtecken und meiſtens die
Geſtalt einer mit der Spitze nach innen gerichteten Dolchklinge zeigen.
An dieſen Floſſenträgern ſetzen ſich kleine Muskeln feſt, welche
die Strahlen aufrichten und niederlegen, alſo die zwiſchen ihnen
liegende Floſſenhaut ſpannen und erſchlaffen können.

Die paarigen Floſſen entſprechen, wie ſchon bemerkt, den
Gliedmaßen der übrigen Wirbelthiere und zeigen als ſolche eine von
den ſenkrechten Floſſen durchaus verſchiedene Structur, wenngleich die
Bildung ihrer Strahlen mit der bei jenen vorkommenden überein-
ſtimmt; die Bruſtfloſſe (Pinna pectoralis) fehlt zuweilen ganz,
meiſtens iſt ſie vorhanden und ſteht dann immer unmittelbar hinter
den Kiemen am Beginne des Rumpfes; ſie beſteht urſprünglich aus
drei Theilen, aus dem Schultergürtel, welcher eine bogenförmige
Geſtalt hat und anfangs aus einem einzigen Knorpelſtücke beſteht,
welches bei der Verknöcherung in mehrere Stücke zerfällt, die man
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[31/0037] fläche tragen, mit der ſie auf dem Floſſenträger befeſtigt ſind. Meiſt ſind dieſe Stachelſtrahlen hart und ſpröde, ſo daß ſie ſelbſt em- pfindlich verwunden können und nur bei wenigen Familien erſcheinen ſie ſo dünn und zart, daß ſie weich und biegſam werden. Sie kön- nen ſich mit Ausnahme der Schwanzfloſſe in allen übrigen Floſſen finden, bilden aber immer nur die vordere Partie der Floſſen und [Abbildung Fig. 935. Der Lippfiſch (Labrus merula). Die vordere Hälfte der Rücken- und Afterfloſſe iſt aus Stachelſtrahlen gebildet.] werden ſtets nach hinten von weichen Strahlen gefolgt. Dieſe wei- chen oder gegliederten Strahlen beſtehen zwar meiſt ebenfalls aus Knochenſubſtanz, ſind aber der Quere nach in einzelne Abthei- lungen zerlegt und zertheilen ſich zugleich der Länge nach dichotomiſch, ſo daß ſie, je länger ſie werden, deſto mehr ſich fächerartig ausbrei- ten, während ſie zugleich dünner und biegſamer werden. Alle dieſe Strahlen ſind auf beſonderen Knochen eingelenkt, welche in der Mit- tellinie zwiſchen den großen Muskelmaſſen ſtecken und meiſtens die Geſtalt einer mit der Spitze nach innen gerichteten Dolchklinge zeigen. An dieſen Floſſenträgern ſetzen ſich kleine Muskeln feſt, welche die Strahlen aufrichten und niederlegen, alſo die zwiſchen ihnen liegende Floſſenhaut ſpannen und erſchlaffen können. Die paarigen Floſſen entſprechen, wie ſchon bemerkt, den Gliedmaßen der übrigen Wirbelthiere und zeigen als ſolche eine von den ſenkrechten Floſſen durchaus verſchiedene Structur, wenngleich die Bildung ihrer Strahlen mit der bei jenen vorkommenden überein- ſtimmt; die Bruſtfloſſe (Pinna pectoralis) fehlt zuweilen ganz, meiſtens iſt ſie vorhanden und ſteht dann immer unmittelbar hinter den Kiemen am Beginne des Rumpfes; ſie beſteht urſprünglich aus drei Theilen, aus dem Schultergürtel, welcher eine bogenförmige Geſtalt hat und anfangs aus einem einzigen Knorpelſtücke beſteht, welches bei der Verknöcherung in mehrere Stücke zerfällt, die man als Schulterblatt, Schlüſſelbein und Rabenbein unterſchieden hat; — aus

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/37>, abgerufen am 20.04.2024.