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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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welche auf den Linne'schen Genus- oder Gattungsnamen führt. Die
Vergleichung des Esels und Pferdes z. B. bietet bei großen Ver-
schiedenheiten in der Behaarung, in der Gestalt des Körpers, der
Ohren, des Schwanzes, eine außerordentliche Summe verschiedener
Merkmale dar, welche auf das Engste mit einander übereinstimmen,
wie z. B. die Gestalt und Bildung der Hufe, der Zähne u. s. w.,
so daß sich eine Verwandtschaft herausstellt, die ebenfalls Jeder auf
den ersten Blick fühlt, eine Verwandtschaft, welche von Linne in dem
erstgenannten Gattungsnamen ihren Ausdruck erhielt.

Mit dieser so einfachen und so bequemen Benennungsweise ver-
einigten die Linne'schen Arbeiten einen Grad von Genauigkeit, Klar-
heit und Kürze in der Aufzählung der charakteristischen Kennzeichen
der Thiere, der von keinem seiner Nachfolger erreicht wurde. Er
verglich die Beobachtungen seiner Vorgänger, stellte größere Gruppen
auf, die er scharf nach äußern und innern Merkmalen schied und ent-
wickelte eine ungemeine Thätigkeit, sowohl selbst als auch namentlich
durch seine Schüler, welche sich über die ganze damals bekannte Erde
zerstreuten und ihrem Meister Materialien zur Vervollständigung seines
Systems sammelten. Trotz des Einspruches, den namentlich Buffon
von Anfang an gegen die classificirende Methode Linne's erhob, wur-
den dennoch die einfachen Grundsätze des schwedischen Naturforschers
bald so allgemeine Regel, daß Jeder, der gelesen und verstanden sein
wollte, sich der Linne'schen Sprache bedienen mußte. Die Bezeichnungs-
art, welche er einführte, ist in der That bis auf heute geblieben und
kann um so weniger geändert werden, als sie das alleinige Mittel
bleibt, die Forscher verschiedener Länder in Uebereinstimmung zu
bringen.

Während mit Linne und von ihm aus sich eine Schule der Systema-
tiker entwickelte, welche oft in dürren Formelkram versank und ihre
Wißbegierde vollkommen befriedigt fühlte, wenn sie ein neu bekannt
gewordenes Thier in den Katalog registrirt hatte, bildeten sich auf
der andern Seite einige Männer hervor, welche besonders auf das
Leben und Verhalten der kleinern Thiere ihre Aufmerksamkeit richteten
und mit unendlicher Geduld die Sitten und den Haushalt derselben
studirten. Reaumur, Rösel, de Geer etc. beschäftigten sich besonders
mit diesen zeitraubenden Beobachtungen und lieferten dadurch den Sy-
stematikern vortreffliche Grundlagen zu späterer Verbesserung ihrer
Gebäude und Fachwerke.

Auch eine aristokratische Richtung der Wissenschaft sollte in der
letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nicht fehlen. Buffon war

welche auf den Linné’ſchen Genus- oder Gattungsnamen führt. Die
Vergleichung des Eſels und Pferdes z. B. bietet bei großen Ver-
ſchiedenheiten in der Behaarung, in der Geſtalt des Körpers, der
Ohren, des Schwanzes, eine außerordentliche Summe verſchiedener
Merkmale dar, welche auf das Engſte mit einander übereinſtimmen,
wie z. B. die Geſtalt und Bildung der Hufe, der Zähne u. ſ. w.,
ſo daß ſich eine Verwandtſchaft herausſtellt, die ebenfalls Jeder auf
den erſten Blick fühlt, eine Verwandtſchaft, welche von Linné in dem
erſtgenannten Gattungsnamen ihren Ausdruck erhielt.

Mit dieſer ſo einfachen und ſo bequemen Benennungsweiſe ver-
einigten die Linné’ſchen Arbeiten einen Grad von Genauigkeit, Klar-
heit und Kürze in der Aufzählung der charakteriſtiſchen Kennzeichen
der Thiere, der von keinem ſeiner Nachfolger erreicht wurde. Er
verglich die Beobachtungen ſeiner Vorgänger, ſtellte größere Gruppen
auf, die er ſcharf nach äußern und innern Merkmalen ſchied und ent-
wickelte eine ungemeine Thätigkeit, ſowohl ſelbſt als auch namentlich
durch ſeine Schüler, welche ſich über die ganze damals bekannte Erde
zerſtreuten und ihrem Meiſter Materialien zur Vervollſtändigung ſeines
Syſtems ſammelten. Trotz des Einſpruches, den namentlich Buffon
von Anfang an gegen die claſſificirende Methode Linné’s erhob, wur-
den dennoch die einfachen Grundſätze des ſchwediſchen Naturforſchers
bald ſo allgemeine Regel, daß Jeder, der geleſen und verſtanden ſein
wollte, ſich der Linné’ſchen Sprache bedienen mußte. Die Bezeichnungs-
art, welche er einführte, iſt in der That bis auf heute geblieben und
kann um ſo weniger geändert werden, als ſie das alleinige Mittel
bleibt, die Forſcher verſchiedener Länder in Uebereinſtimmung zu
bringen.

Während mit Linné und von ihm aus ſich eine Schule der Syſtema-
tiker entwickelte, welche oft in dürren Formelkram verſank und ihre
Wißbegierde vollkommen befriedigt fühlte, wenn ſie ein neu bekannt
gewordenes Thier in den Katalog regiſtrirt hatte, bildeten ſich auf
der andern Seite einige Männer hervor, welche beſonders auf das
Leben und Verhalten der kleinern Thiere ihre Aufmerkſamkeit richteten
und mit unendlicher Geduld die Sitten und den Haushalt derſelben
ſtudirten. Réaumur, Röſel, de Geer etc. beſchäftigten ſich beſonders
mit dieſen zeitraubenden Beobachtungen und lieferten dadurch den Sy-
ſtematikern vortreffliche Grundlagen zu ſpäterer Verbeſſerung ihrer
Gebäude und Fachwerke.

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[12/0018] welche auf den Linné’ſchen Genus- oder Gattungsnamen führt. Die Vergleichung des Eſels und Pferdes z. B. bietet bei großen Ver- ſchiedenheiten in der Behaarung, in der Geſtalt des Körpers, der Ohren, des Schwanzes, eine außerordentliche Summe verſchiedener Merkmale dar, welche auf das Engſte mit einander übereinſtimmen, wie z. B. die Geſtalt und Bildung der Hufe, der Zähne u. ſ. w., ſo daß ſich eine Verwandtſchaft herausſtellt, die ebenfalls Jeder auf den erſten Blick fühlt, eine Verwandtſchaft, welche von Linné in dem erſtgenannten Gattungsnamen ihren Ausdruck erhielt. Mit dieſer ſo einfachen und ſo bequemen Benennungsweiſe ver- einigten die Linné’ſchen Arbeiten einen Grad von Genauigkeit, Klar- heit und Kürze in der Aufzählung der charakteriſtiſchen Kennzeichen der Thiere, der von keinem ſeiner Nachfolger erreicht wurde. Er verglich die Beobachtungen ſeiner Vorgänger, ſtellte größere Gruppen auf, die er ſcharf nach äußern und innern Merkmalen ſchied und ent- wickelte eine ungemeine Thätigkeit, ſowohl ſelbſt als auch namentlich durch ſeine Schüler, welche ſich über die ganze damals bekannte Erde zerſtreuten und ihrem Meiſter Materialien zur Vervollſtändigung ſeines Syſtems ſammelten. Trotz des Einſpruches, den namentlich Buffon von Anfang an gegen die claſſificirende Methode Linné’s erhob, wur- den dennoch die einfachen Grundſätze des ſchwediſchen Naturforſchers bald ſo allgemeine Regel, daß Jeder, der geleſen und verſtanden ſein wollte, ſich der Linné’ſchen Sprache bedienen mußte. Die Bezeichnungs- art, welche er einführte, iſt in der That bis auf heute geblieben und kann um ſo weniger geändert werden, als ſie das alleinige Mittel bleibt, die Forſcher verſchiedener Länder in Uebereinſtimmung zu bringen. Während mit Linné und von ihm aus ſich eine Schule der Syſtema- tiker entwickelte, welche oft in dürren Formelkram verſank und ihre Wißbegierde vollkommen befriedigt fühlte, wenn ſie ein neu bekannt gewordenes Thier in den Katalog regiſtrirt hatte, bildeten ſich auf der andern Seite einige Männer hervor, welche beſonders auf das Leben und Verhalten der kleinern Thiere ihre Aufmerkſamkeit richteten und mit unendlicher Geduld die Sitten und den Haushalt derſelben ſtudirten. Réaumur, Röſel, de Geer etc. beſchäftigten ſich beſonders mit dieſen zeitraubenden Beobachtungen und lieferten dadurch den Sy- ſtematikern vortreffliche Grundlagen zu ſpäterer Verbeſſerung ihrer Gebäude und Fachwerke. Auch eine ariſtokratiſche Richtung der Wiſſenſchaft ſollte in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nicht fehlen. Buffon war

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/18>, abgerufen am 18.04.2024.