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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846.

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Persönlichkeit ist und zugleich in dieser sich als komisch weiß, als auch weil
er dieses Bewußtseyn des Subjects über die ganze Welt erweitert, objectiv
und subjectiv in Einem ist. Es wäre leicht, die besondern Stufen des
Humors und ebenso die untergeordneten Unterschiede in ihnen auf den-
selben Gegensatz zurückzuführen, wenn nicht für die erfülltere Form auch
der concretere Name vorzuziehen wäre. Warum aber dennoch das Komische
im Ganzen als subjectiv wie das Erhabene im Ganzen als objectiv sich
bestimmt, bedarf keiner Nachweisung mehr, sondern nur des Zusatzes, daß
das Erhabene weiter auch darum objectiv ist, weil es Object für das
Komische wird. Derselbe Gegensatz wird nun aber als Prinzip der Ein-
theilung des ganzen Systems auftreten, denn das Schöne als Einheit
des Objectiven und Subjectiven wird ihn alsbald in neuem Sinne aus
sich hervorgehen lassen und durch die ganze Bewegung, wodurch es sich
als Daseyn verwirklicht, als Eintheilungsgrund hindurchführen.

3. Weiße und Ruge gehen, wie schon berührt, von den wider-
streitenden Formen des Erhabenen und Komischen zum Ideale über.
Weiße betrachtet das Komische als eine Durcharbeitung und Schmelzung
des der Schöpferthätigkeit starr gegenüber stehenden endlichen Stoffes
(vergl. z. B. Aesth. Th. 1, S. 243). Der Geist gibt sich seine Frei-
heit vom Stoffartigen, um sich dann im Objecte als nicht mehr wider-
strebender Form, die er rein zum Ideale durchdringt, niederzulegen. Den
Uebergang bildet, wie gesagt, das Naive als die objective Erscheinung,
welche von dem Humor als selbst erfüllt mit dem Geiste, den er sonst
den Dingen nur leiht, als seelenvolles Endliche erkannt wird. Im Ge-
fühle aber, daß dieser Uebergang nicht ausreicht, bringt Weiße die
weltgeschichtliche Thätigkeit der Bildung herbei (a. a. O. §. 33), welche
hieher gar nicht gehört. Die Bildung ist überall vorausgesetzt, um das
Schöne als Ideal zu realisiren, und das Ideal selbst ist sowohl schönes,
als auch erhabenes und komisches Ideal; alle diese Formen des Ideals
sind in unmittelbarer Weise auch außer oder vor dem Ideale da, dann
verwirklicht sich dieses durch die Bildung der Phantasie; das komische
Ideal aber ist, wenn einmal das Schöne überhaupt als Ideal wirklich
wird, das Letzte und Reifste in diesem, es fordert die höchste Bildung.
Ruge nun betrachtet das Erhabene (vergl. §. 82 Anm.) als die erste
Form des sich erst erzeugenden Schönen; das Komische ist also die zweite.
Den Uebergang nimmt dann auch er durch das Naive (a. a. O. 207)
und weiter durch eine Form, die er humoristische Ironie nennt (S. 210).
Aber als hätte er vergessen, daß er nun beweisen soll, was er zuerst an-

Perſönlichkeit iſt und zugleich in dieſer ſich als komiſch weiß, als auch weil
er dieſes Bewußtſeyn des Subjects über die ganze Welt erweitert, objectiv
und ſubjectiv in Einem iſt. Es wäre leicht, die beſondern Stufen des
Humors und ebenſo die untergeordneten Unterſchiede in ihnen auf den-
ſelben Gegenſatz zurückzuführen, wenn nicht für die erfülltere Form auch
der concretere Name vorzuziehen wäre. Warum aber dennoch das Komiſche
im Ganzen als ſubjectiv wie das Erhabene im Ganzen als objectiv ſich
beſtimmt, bedarf keiner Nachweiſung mehr, ſondern nur des Zuſatzes, daß
das Erhabene weiter auch darum objectiv iſt, weil es Object für das
Komiſche wird. Derſelbe Gegenſatz wird nun aber als Prinzip der Ein-
theilung des ganzen Syſtems auftreten, denn das Schöne als Einheit
des Objectiven und Subjectiven wird ihn alsbald in neuem Sinne aus
ſich hervorgehen laſſen und durch die ganze Bewegung, wodurch es ſich
als Daſeyn verwirklicht, als Eintheilungsgrund hindurchführen.

3. Weiße und Ruge gehen, wie ſchon berührt, von den wider-
ſtreitenden Formen des Erhabenen und Komiſchen zum Ideale über.
Weiße betrachtet das Komiſche als eine Durcharbeitung und Schmelzung
des der Schöpferthätigkeit ſtarr gegenüber ſtehenden endlichen Stoffes
(vergl. z. B. Aeſth. Th. 1, S. 243). Der Geiſt gibt ſich ſeine Frei-
heit vom Stoffartigen, um ſich dann im Objecte als nicht mehr wider-
ſtrebender Form, die er rein zum Ideale durchdringt, niederzulegen. Den
Uebergang bildet, wie geſagt, das Naive als die objective Erſcheinung,
welche von dem Humor als ſelbſt erfüllt mit dem Geiſte, den er ſonſt
den Dingen nur leiht, als ſeelenvolles Endliche erkannt wird. Im Ge-
fühle aber, daß dieſer Uebergang nicht ausreicht, bringt Weiße die
weltgeſchichtliche Thätigkeit der Bildung herbei (a. a. O. §. 33), welche
hieher gar nicht gehört. Die Bildung iſt überall vorausgeſetzt, um das
Schöne als Ideal zu realiſiren, und das Ideal ſelbſt iſt ſowohl ſchönes,
als auch erhabenes und komiſches Ideal; alle dieſe Formen des Ideals
ſind in unmittelbarer Weiſe auch außer oder vor dem Ideale da, dann
verwirklicht ſich dieſes durch die Bildung der Phantaſie; das komiſche
Ideal aber iſt, wenn einmal das Schöne überhaupt als Ideal wirklich
wird, das Letzte und Reifſte in dieſem, es fordert die höchſte Bildung.
Ruge nun betrachtet das Erhabene (vergl. §. 82 Anm.) als die erſte
Form des ſich erſt erzeugenden Schönen; das Komiſche iſt alſo die zweite.
Den Uebergang nimmt dann auch er durch das Naive (a. a. O. 207)
und weiter durch eine Form, die er humoriſtiſche Ironie nennt (S. 210).
Aber als hätte er vergeſſen, daß er nun beweiſen ſoll, was er zuerſt an-

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[488/0502] Perſönlichkeit iſt und zugleich in dieſer ſich als komiſch weiß, als auch weil er dieſes Bewußtſeyn des Subjects über die ganze Welt erweitert, objectiv und ſubjectiv in Einem iſt. Es wäre leicht, die beſondern Stufen des Humors und ebenſo die untergeordneten Unterſchiede in ihnen auf den- ſelben Gegenſatz zurückzuführen, wenn nicht für die erfülltere Form auch der concretere Name vorzuziehen wäre. Warum aber dennoch das Komiſche im Ganzen als ſubjectiv wie das Erhabene im Ganzen als objectiv ſich beſtimmt, bedarf keiner Nachweiſung mehr, ſondern nur des Zuſatzes, daß das Erhabene weiter auch darum objectiv iſt, weil es Object für das Komiſche wird. Derſelbe Gegenſatz wird nun aber als Prinzip der Ein- theilung des ganzen Syſtems auftreten, denn das Schöne als Einheit des Objectiven und Subjectiven wird ihn alsbald in neuem Sinne aus ſich hervorgehen laſſen und durch die ganze Bewegung, wodurch es ſich als Daſeyn verwirklicht, als Eintheilungsgrund hindurchführen. 3. Weiße und Ruge gehen, wie ſchon berührt, von den wider- ſtreitenden Formen des Erhabenen und Komiſchen zum Ideale über. Weiße betrachtet das Komiſche als eine Durcharbeitung und Schmelzung des der Schöpferthätigkeit ſtarr gegenüber ſtehenden endlichen Stoffes (vergl. z. B. Aeſth. Th. 1, S. 243). Der Geiſt gibt ſich ſeine Frei- heit vom Stoffartigen, um ſich dann im Objecte als nicht mehr wider- ſtrebender Form, die er rein zum Ideale durchdringt, niederzulegen. Den Uebergang bildet, wie geſagt, das Naive als die objective Erſcheinung, welche von dem Humor als ſelbſt erfüllt mit dem Geiſte, den er ſonſt den Dingen nur leiht, als ſeelenvolles Endliche erkannt wird. Im Ge- fühle aber, daß dieſer Uebergang nicht ausreicht, bringt Weiße die weltgeſchichtliche Thätigkeit der Bildung herbei (a. a. O. §. 33), welche hieher gar nicht gehört. Die Bildung iſt überall vorausgeſetzt, um das Schöne als Ideal zu realiſiren, und das Ideal ſelbſt iſt ſowohl ſchönes, als auch erhabenes und komiſches Ideal; alle dieſe Formen des Ideals ſind in unmittelbarer Weiſe auch außer oder vor dem Ideale da, dann verwirklicht ſich dieſes durch die Bildung der Phantaſie; das komiſche Ideal aber iſt, wenn einmal das Schöne überhaupt als Ideal wirklich wird, das Letzte und Reifſte in dieſem, es fordert die höchſte Bildung. Ruge nun betrachtet das Erhabene (vergl. §. 82 Anm.) als die erſte Form des ſich erſt erzeugenden Schönen; das Komiſche iſt alſo die zweite. Den Uebergang nimmt dann auch er durch das Naive (a. a. O. 207) und weiter durch eine Form, die er humoriſtiſche Ironie nennt (S. 210). Aber als hätte er vergeſſen, daß er nun beweiſen ſoll, was er zuerſt an-

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/502>, abgerufen am 29.03.2024.