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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Hypertrophie und Hyperplasie.
durch eine Vermehrung der Zahl der Elemente. Eine
Leber kann nämlich auch grösser werden dadurch, dass an
der Stelle der gewöhnlichen Zellen sich eine Reihe von klei-
nen sehr reichlich entwickelt. So sehen wir in der einfachen
Hypertrophie das Fett-Polster der Haut anschwellen, indem
jede einzelne Fettzelle eine grössere Masse von Fett auf-
nimmt; wenn dies an Tausenden und aber Tausenden, ja man
kann sagen, an Hunderttausenden und Millionen von Zellen
geschieht, so ist das Resultat ein sehr grobes und augenfäl-
liges (Polysarcie). Allein es kann eben so gut sein, dass
sich neben den alten Zellen neue hinzubilden und eine Ver-
grösserung erfolgt, ohne dass die Elemente für sich eine Ver-
grösserung erfahren. Dies sind wesentlich differente Processe:
die einfache und die numerische Hypertrophie.

Hyperplastische Prozesse (numerische Hypertrophie) brin-
gen in allen Fällen ein Gewebe hervor, welches dem Gewebe
des alten Theiles gleichartig ist; eine Hyperplasie der Leber
bringt wieder Leberzellen, die des Nerven wieder Nerven, die
der Haut wieder die Elemente der Haut hervor. Ein hetero-
plastischer Process dagegen erzeugt Gewebselemente, welche
freilich natürlichen Formen entsprechen, z. B. Elemente von
drüsenartigem Bau, von Nervenmasse, von Bindegewebs- oder
epithelialer Structur, aber diese Elemente entstehen nicht
durch einfache Zunahme der vorher vorhanden gewesenen,
sondern durch eine Umwandlung des ursprünglichen Typus.
Wenn sich Gehirnmasse im Eierstock bildet, so entsteht die-
selbe nicht aus präexistirender Gehirnmasse, nicht durch irgend
einen Akt einfacher Wucherung; wenn sich Epidermis z. B.
im Muskelfleische des Herzens bildet, so mag sie noch so
sehr übereinstimmen mit der auf der äusseren Haut, sie ist
doch ein heteroplastisches Gebilde. Wenn sich Haare von
ganz natürlichem Bau in der Hirnsubstanz finden, so mag man
die grösste Uebereinstimmung finden zwischen ihnen und ei-
nem äusseren Haar der Oberfläche; es wird dies immer ein
heteroplastisches Haar sein. So sehen wir Knorpelsubstanz
entstehen, ohne dass ein wesentlicher Unterschied zwischen
ihr und der gewöhnlichen, bekannten Knorpelsubstanz besteht,
z. B. in Enchondromen. Dennoch ist das Enchondrom eine

Hypertrophie und Hyperplasie.
durch eine Vermehrung der Zahl der Elemente. Eine
Leber kann nämlich auch grösser werden dadurch, dass an
der Stelle der gewöhnlichen Zellen sich eine Reihe von klei-
nen sehr reichlich entwickelt. So sehen wir in der einfachen
Hypertrophie das Fett-Polster der Haut anschwellen, indem
jede einzelne Fettzelle eine grössere Masse von Fett auf-
nimmt; wenn dies an Tausenden und aber Tausenden, ja man
kann sagen, an Hunderttausenden und Millionen von Zellen
geschieht, so ist das Resultat ein sehr grobes und augenfäl-
liges (Polysarcie). Allein es kann eben so gut sein, dass
sich neben den alten Zellen neue hinzubilden und eine Ver-
grösserung erfolgt, ohne dass die Elemente für sich eine Ver-
grösserung erfahren. Dies sind wesentlich differente Processe:
die einfache und die numerische Hypertrophie.

Hyperplastische Prozesse (numerische Hypertrophie) brin-
gen in allen Fällen ein Gewebe hervor, welches dem Gewebe
des alten Theiles gleichartig ist; eine Hyperplasie der Leber
bringt wieder Leberzellen, die des Nerven wieder Nerven, die
der Haut wieder die Elemente der Haut hervor. Ein hetero-
plastischer Process dagegen erzeugt Gewebselemente, welche
freilich natürlichen Formen entsprechen, z. B. Elemente von
drüsenartigem Bau, von Nervenmasse, von Bindegewebs- oder
epithelialer Structur, aber diese Elemente entstehen nicht
durch einfache Zunahme der vorher vorhanden gewesenen,
sondern durch eine Umwandlung des ursprünglichen Typus.
Wenn sich Gehirnmasse im Eierstock bildet, so entsteht die-
selbe nicht aus präexistirender Gehirnmasse, nicht durch irgend
einen Akt einfacher Wucherung; wenn sich Epidermis z. B.
im Muskelfleische des Herzens bildet, so mag sie noch so
sehr übereinstimmen mit der auf der äusseren Haut, sie ist
doch ein heteroplastisches Gebilde. Wenn sich Haare von
ganz natürlichem Bau in der Hirnsubstanz finden, so mag man
die grösste Uebereinstimmung finden zwischen ihnen und ei-
nem äusseren Haar der Oberfläche; es wird dies immer ein
heteroplastisches Haar sein. So sehen wir Knorpelsubstanz
entstehen, ohne dass ein wesentlicher Unterschied zwischen
ihr und der gewöhnlichen, bekannten Knorpelsubstanz besteht,
z. B. in Enchondromen. Dennoch ist das Enchondrom eine

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[59/0081] Hypertrophie und Hyperplasie. durch eine Vermehrung der Zahl der Elemente. Eine Leber kann nämlich auch grösser werden dadurch, dass an der Stelle der gewöhnlichen Zellen sich eine Reihe von klei- nen sehr reichlich entwickelt. So sehen wir in der einfachen Hypertrophie das Fett-Polster der Haut anschwellen, indem jede einzelne Fettzelle eine grössere Masse von Fett auf- nimmt; wenn dies an Tausenden und aber Tausenden, ja man kann sagen, an Hunderttausenden und Millionen von Zellen geschieht, so ist das Resultat ein sehr grobes und augenfäl- liges (Polysarcie). Allein es kann eben so gut sein, dass sich neben den alten Zellen neue hinzubilden und eine Ver- grösserung erfolgt, ohne dass die Elemente für sich eine Ver- grösserung erfahren. Dies sind wesentlich differente Processe: die einfache und die numerische Hypertrophie. Hyperplastische Prozesse (numerische Hypertrophie) brin- gen in allen Fällen ein Gewebe hervor, welches dem Gewebe des alten Theiles gleichartig ist; eine Hyperplasie der Leber bringt wieder Leberzellen, die des Nerven wieder Nerven, die der Haut wieder die Elemente der Haut hervor. Ein hetero- plastischer Process dagegen erzeugt Gewebselemente, welche freilich natürlichen Formen entsprechen, z. B. Elemente von drüsenartigem Bau, von Nervenmasse, von Bindegewebs- oder epithelialer Structur, aber diese Elemente entstehen nicht durch einfache Zunahme der vorher vorhanden gewesenen, sondern durch eine Umwandlung des ursprünglichen Typus. Wenn sich Gehirnmasse im Eierstock bildet, so entsteht die- selbe nicht aus präexistirender Gehirnmasse, nicht durch irgend einen Akt einfacher Wucherung; wenn sich Epidermis z. B. im Muskelfleische des Herzens bildet, so mag sie noch so sehr übereinstimmen mit der auf der äusseren Haut, sie ist doch ein heteroplastisches Gebilde. Wenn sich Haare von ganz natürlichem Bau in der Hirnsubstanz finden, so mag man die grösste Uebereinstimmung finden zwischen ihnen und ei- nem äusseren Haar der Oberfläche; es wird dies immer ein heteroplastisches Haar sein. So sehen wir Knorpelsubstanz entstehen, ohne dass ein wesentlicher Unterschied zwischen ihr und der gewöhnlichen, bekannten Knorpelsubstanz besteht, z. B. in Enchondromen. Dennoch ist das Enchondrom eine

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/81>, abgerufen am 20.04.2024.