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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Eilfte Vorlesung.
Vorstellung fast verloren gegangen, und erst durch Robin
ist in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit wieder auf die
Substanz hingelenkt worden, welche das Bündel zusam-
menhält und welche er Perineurium nannte. Es ist dies
[Abbildung] Fig. 77.
ein sehr dichtes Bindegewebe, in
welchem sich bei Zusatz von
Essigsäure kleine Kerne zeigen
und welches verschieden ist von
dem mehr lockeren Bindegewebe,
welches wieder die Fascikel zu-
sammenhält und das sogenannte
Neurilem darstellt.

Wenn wir kurzweg von Ner-
venfasern im histologischen Sinne
sprechen, so meinen wir immer die Primitivfaser, nicht das
Fascikel, welches vom blossen Auge als Faser erscheint. Jene
feinsten Fasern besitzen wiederum jede für sich eine äussere
Membran, die, wenn man sie vollkommen frei macht vom In-
halte, was allerdings sehr schwierig ist, was aber zuweilen in
pathologischen Verhältnissen spontan auftritt, z. B. bei gewis-
sen Zuständen der Atrophie, wandständige Kerne zeigt (Fig. 5,c).
Innerhalb dieser membranösen Röhren liegt der eigentliche
Nerveninhalt, welcher sich bei den gewöhnlichen Nerven
nochmals in zweierlei Bestandtheile scheidet. Diese sind bei
dem ganz frischen Nerven kaum zu trennen, treten aber kurze
Zeit nach dem Absterben oder Herausschneiden des Nerven oder
nach Einwirkung irgend eines Mediums auf den Nerven sofort
ganz deutlich auseinander, indem der eine dieser Bestandtheile
eine schnelle Veränderung erfährt, welche man gewöhnlich als
Gerinnung bezeichnet hat und durch welche er sich von dem
anderen Bestandtheil absetzt (Fig. 78.). Ist dies geschehen, so
sieht man im Innern der Nervenfaser deutlich ein feines Ge-
bilde, den sogenannten Axencylinder (das Primitivband von

[Abbildung] Fig. 77.

Querschnitt durch einen Nervenstamm des Plexus bra-
chialis. l, l Neurilem, von dem eine grössere Scheide l' und feinere, durch
helle Linien bezeichnete Fortsätze durch den Nerven verlaufen und ihn
in kleine Fascikel scheiden. Letztere zeigen die dunklen, punktförmigen
Durchsclmitte der Primitivfasern und dazwischen das Perineurium. Ver-
gröss. 80.

Eilfte Vorlesung.
Vorstellung fast verloren gegangen, und erst durch Robin
ist in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit wieder auf die
Substanz hingelenkt worden, welche das Bündel zusam-
menhält und welche er Perineurium nannte. Es ist dies
[Abbildung] Fig. 77.
ein sehr dichtes Bindegewebe, in
welchem sich bei Zusatz von
Essigsäure kleine Kerne zeigen
und welches verschieden ist von
dem mehr lockeren Bindegewebe,
welches wieder die Fascikel zu-
sammenhält und das sogenannte
Neurilem darstellt.

Wenn wir kurzweg von Ner-
venfasern im histologischen Sinne
sprechen, so meinen wir immer die Primitivfaser, nicht das
Fascikel, welches vom blossen Auge als Faser erscheint. Jene
feinsten Fasern besitzen wiederum jede für sich eine äussere
Membran, die, wenn man sie vollkommen frei macht vom In-
halte, was allerdings sehr schwierig ist, was aber zuweilen in
pathologischen Verhältnissen spontan auftritt, z. B. bei gewis-
sen Zuständen der Atrophie, wandständige Kerne zeigt (Fig. 5,c).
Innerhalb dieser membranösen Röhren liegt der eigentliche
Nerveninhalt, welcher sich bei den gewöhnlichen Nerven
nochmals in zweierlei Bestandtheile scheidet. Diese sind bei
dem ganz frischen Nerven kaum zu trennen, treten aber kurze
Zeit nach dem Absterben oder Herausschneiden des Nerven oder
nach Einwirkung irgend eines Mediums auf den Nerven sofort
ganz deutlich auseinander, indem der eine dieser Bestandtheile
eine schnelle Veränderung erfährt, welche man gewöhnlich als
Gerinnung bezeichnet hat und durch welche er sich von dem
anderen Bestandtheil absetzt (Fig. 78.). Ist dies geschehen, so
sieht man im Innern der Nervenfaser deutlich ein feines Ge-
bilde, den sogenannten Axencylinder (das Primitivband von

[Abbildung] Fig. 77.

Querschnitt durch einen Nervenstamm des Plexus bra-
chialis. l, l Neurilem, von dem eine grössere Scheide l' und feinere, durch
helle Linien bezeichnete Fortsätze durch den Nerven verlaufen und ihn
in kleine Fascikel scheiden. Letztere zeigen die dunklen, punktförmigen
Durchsclmitte der Primitivfasern und dazwischen das Perineurium. Ver-
gröss. 80.

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[206/0228] Eilfte Vorlesung. Vorstellung fast verloren gegangen, und erst durch Robin ist in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit wieder auf die Substanz hingelenkt worden, welche das Bündel zusam- menhält und welche er Perineurium nannte. Es ist dies [Abbildung Fig. 77.] ein sehr dichtes Bindegewebe, in welchem sich bei Zusatz von Essigsäure kleine Kerne zeigen und welches verschieden ist von dem mehr lockeren Bindegewebe, welches wieder die Fascikel zu- sammenhält und das sogenannte Neurilem darstellt. Wenn wir kurzweg von Ner- venfasern im histologischen Sinne sprechen, so meinen wir immer die Primitivfaser, nicht das Fascikel, welches vom blossen Auge als Faser erscheint. Jene feinsten Fasern besitzen wiederum jede für sich eine äussere Membran, die, wenn man sie vollkommen frei macht vom In- halte, was allerdings sehr schwierig ist, was aber zuweilen in pathologischen Verhältnissen spontan auftritt, z. B. bei gewis- sen Zuständen der Atrophie, wandständige Kerne zeigt (Fig. 5,c). Innerhalb dieser membranösen Röhren liegt der eigentliche Nerveninhalt, welcher sich bei den gewöhnlichen Nerven nochmals in zweierlei Bestandtheile scheidet. Diese sind bei dem ganz frischen Nerven kaum zu trennen, treten aber kurze Zeit nach dem Absterben oder Herausschneiden des Nerven oder nach Einwirkung irgend eines Mediums auf den Nerven sofort ganz deutlich auseinander, indem der eine dieser Bestandtheile eine schnelle Veränderung erfährt, welche man gewöhnlich als Gerinnung bezeichnet hat und durch welche er sich von dem anderen Bestandtheil absetzt (Fig. 78.). Ist dies geschehen, so sieht man im Innern der Nervenfaser deutlich ein feines Ge- bilde, den sogenannten Axencylinder (das Primitivband von [Abbildung Fig. 77. Querschnitt durch einen Nervenstamm des Plexus bra- chialis. l, l Neurilem, von dem eine grössere Scheide l' und feinere, durch helle Linien bezeichnete Fortsätze durch den Nerven verlaufen und ihn in kleine Fascikel scheiden. Letztere zeigen die dunklen, punktförmigen Durchsclmitte der Primitivfasern und dazwischen das Perineurium. Ver- gröss. 80.]

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/228>, abgerufen am 19.04.2024.