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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Eilfte Vorlesung.
Geschichte der Affection wieder hinauszubringen sein dürften.
Unzweifelhaft giebt es aber einen Zustand, in welchem farbige
Elemente im Blute vorkommen, welche in dasselbe nicht hinein-
gehören. Einzelne Beobachtungen solcher Art finden sich
schon seit längerer Zeit und zwar zuerst in der Geschichte
der melanotischen Geschwülste, wo man öfter angegeben hat,
dass in der Nähe der Geschwülste schwarze Partikelchen in den
Gefässen vorkommen, und wo man sich dachte, dass hieraus
die melanotische Dyscrasie entstände. Dies ist aber gerade
der Fall nicht, den man meint, wenn man heut zu Tage von
Melanämie redet. In den letzten zehn Jahren ist keine ein-
zige Beobachtung gemacht worden, welche in Beziehung auf
den Uebergang melanotischer Geschwulsttheile in das Blut einen
Fortschritt darböte.

Die erste Beobachtung derjenigen Reihe, welche im enge-
ren Sinne als Melanämie bezeichnet wird, ist von Heinrich
Meckel
bei einer Geisteskranken gemacht worden, kurze Zeit,
nachdem ich die Leukämie beschrieben hatte. Meckel fand,
dass auch hier die Milz in einem sehr erheblichen Maasse ver-
grössert und mit schwarzen, farbigen Elementen durchsetzt
war, und er leitete daher die Veränderung im Blute von einer
Aufnahme farbiger Partikelchen aus der Milz ab. Die nächste
Beobachtung habe ich selbst gemacht, und zwar in einer Rich-
tung, die nachher sehr fruchtbar geworden ist, bei einem In-
termittenskranken, welcher lange Zeit mit einem beträchtlichen
Milztumor behaftet war; ich fand in seinem Herzblute pigmen-
tirte Zellen. Meckel hatte nur freie Pigmentkörner und

[Abbildung] Fig. 76.
Schollen gesehen. Die von mir gefundenen
Zellen hatten vielfache Aehnlichkeit mit farb-
losen Blutkörperchen; es waren sphärische,
manchmal auch mehr längliche, kernhaltige
Elemente, innerhalb deren sich mehr oder
weniger grosse schwarze Partikelchen fan-
den. Auch in diesem Falle bestätigte sich wieder das Vor-
[Abbildung] Fig. 76.

Melanämie. Blut aus dem rechten Herzen (vgl. Archiv f.
pathol. Anatomie und Physiologie. Bd. II. Fig. 8. S. 594.). Farblose
Zellen von verschiedener Gestalt, mit schwarzen, zum Theil eckigen
Pigmentkörnern erfüllt. Vergr. 300.

Eilfte Vorlesung.
Geschichte der Affection wieder hinauszubringen sein dürften.
Unzweifelhaft giebt es aber einen Zustand, in welchem farbige
Elemente im Blute vorkommen, welche in dasselbe nicht hinein-
gehören. Einzelne Beobachtungen solcher Art finden sich
schon seit längerer Zeit und zwar zuerst in der Geschichte
der melanotischen Geschwülste, wo man öfter angegeben hat,
dass in der Nähe der Geschwülste schwarze Partikelchen in den
Gefässen vorkommen, und wo man sich dachte, dass hieraus
die melanotische Dyscrasie entstände. Dies ist aber gerade
der Fall nicht, den man meint, wenn man heut zu Tage von
Melanämie redet. In den letzten zehn Jahren ist keine ein-
zige Beobachtung gemacht worden, welche in Beziehung auf
den Uebergang melanotischer Geschwulsttheile in das Blut einen
Fortschritt darböte.

Die erste Beobachtung derjenigen Reihe, welche im enge-
ren Sinne als Melanämie bezeichnet wird, ist von Heinrich
Meckel
bei einer Geisteskranken gemacht worden, kurze Zeit,
nachdem ich die Leukämie beschrieben hatte. Meckel fand,
dass auch hier die Milz in einem sehr erheblichen Maasse ver-
grössert und mit schwarzen, farbigen Elementen durchsetzt
war, und er leitete daher die Veränderung im Blute von einer
Aufnahme farbiger Partikelchen aus der Milz ab. Die nächste
Beobachtung habe ich selbst gemacht, und zwar in einer Rich-
tung, die nachher sehr fruchtbar geworden ist, bei einem In-
termittenskranken, welcher lange Zeit mit einem beträchtlichen
Milztumor behaftet war; ich fand in seinem Herzblute pigmen-
tirte Zellen. Meckel hatte nur freie Pigmentkörner und

[Abbildung] Fig. 76.
Schollen gesehen. Die von mir gefundenen
Zellen hatten vielfache Aehnlichkeit mit farb-
losen Blutkörperchen; es waren sphärische,
manchmal auch mehr längliche, kernhaltige
Elemente, innerhalb deren sich mehr oder
weniger grosse schwarze Partikelchen fan-
den. Auch in diesem Falle bestätigte sich wieder das Vor-
[Abbildung] Fig. 76.

Melanämie. Blut aus dem rechten Herzen (vgl. Archiv f.
pathol. Anatomie und Physiologie. Bd. II. Fig. 8. S. 594.). Farblose
Zellen von verschiedener Gestalt, mit schwarzen, zum Theil eckigen
Pigmentkörnern erfüllt. Vergr. 300.

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[198/0220] Eilfte Vorlesung. Geschichte der Affection wieder hinauszubringen sein dürften. Unzweifelhaft giebt es aber einen Zustand, in welchem farbige Elemente im Blute vorkommen, welche in dasselbe nicht hinein- gehören. Einzelne Beobachtungen solcher Art finden sich schon seit längerer Zeit und zwar zuerst in der Geschichte der melanotischen Geschwülste, wo man öfter angegeben hat, dass in der Nähe der Geschwülste schwarze Partikelchen in den Gefässen vorkommen, und wo man sich dachte, dass hieraus die melanotische Dyscrasie entstände. Dies ist aber gerade der Fall nicht, den man meint, wenn man heut zu Tage von Melanämie redet. In den letzten zehn Jahren ist keine ein- zige Beobachtung gemacht worden, welche in Beziehung auf den Uebergang melanotischer Geschwulsttheile in das Blut einen Fortschritt darböte. Die erste Beobachtung derjenigen Reihe, welche im enge- ren Sinne als Melanämie bezeichnet wird, ist von Heinrich Meckel bei einer Geisteskranken gemacht worden, kurze Zeit, nachdem ich die Leukämie beschrieben hatte. Meckel fand, dass auch hier die Milz in einem sehr erheblichen Maasse ver- grössert und mit schwarzen, farbigen Elementen durchsetzt war, und er leitete daher die Veränderung im Blute von einer Aufnahme farbiger Partikelchen aus der Milz ab. Die nächste Beobachtung habe ich selbst gemacht, und zwar in einer Rich- tung, die nachher sehr fruchtbar geworden ist, bei einem In- termittenskranken, welcher lange Zeit mit einem beträchtlichen Milztumor behaftet war; ich fand in seinem Herzblute pigmen- tirte Zellen. Meckel hatte nur freie Pigmentkörner und [Abbildung Fig. 76.] Schollen gesehen. Die von mir gefundenen Zellen hatten vielfache Aehnlichkeit mit farb- losen Blutkörperchen; es waren sphärische, manchmal auch mehr längliche, kernhaltige Elemente, innerhalb deren sich mehr oder weniger grosse schwarze Partikelchen fan- den. Auch in diesem Falle bestätigte sich wieder das Vor- [Abbildung Fig. 76. Melanämie. Blut aus dem rechten Herzen (vgl. Archiv f. pathol. Anatomie und Physiologie. Bd. II. Fig. 8. S. 594.). Farblose Zellen von verschiedener Gestalt, mit schwarzen, zum Theil eckigen Pigmentkörnern erfüllt. Vergr. 300.]

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/220>, abgerufen am 19.04.2024.