Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehnte Vorlesung.
aber es ist bis jetzt noch keinem Experimentator, welcher
vorsichtig das Blut von dem Einströmen in die Gefässe abhielt,
gelungen, ein Exsudat zu erzeugen, welches in das Lumen ab-
gesetzt wurde. Vielmehr geht, wenn die Wand sich entzün-
det, die Exsudatmasse, welche gebildet wird, in die Wand
selbst; diese verdickt sich, trübt sich, und fängt späterhin an
zu eitern. Ja, es können sich Abscesse bilden, welche die
Wand nach beiden Seiten hin wie eine Pockenpustel hervor-
drängen, ohne dass eine Gerinnung des Blutes im Lumen er-
folgt. Andere Male freilich wird die eigentliche Phlebitis (und
ebenso die Arteriitis und Endocarditis) die Bedingung für
Thrombose, indem sich auf der inneren Wand Unebenheiten,
Höcker, Vertiefungen und selbst Ulcerationen bilden, welche
für die Entstehung des Thrombus Anhaltspunkte bieten. Allein
da, wo eine Phlebitis in dem gebräuchlichen Sinne des Wortes
stattfindet, ist die Veränderung der Gefässwand fast immer
eine secundäre, welche sogar verhältnissmässig spät zu Stande
kommt.

Der Prozess verläuft in der Weise, dass die jüngsten
Theile des Thrombus immer aus blossem Gerinsel bestehen.
Die Erweichung, das partielle Schmelzen beginnt in der Regel
central, so dass also, wenn der Thrombus eine gewisse Grösse
erreicht hat, sich inmitten desselben eine Höhle findet, mehr
oder weniger gross, die mit jedem Augenblicke sich erweitert
und die allmählig der Gefässwand immer näher rückt. Aber
in der Regel ist dieselbe nach oben und unten durch einen
frischeren, derberen Theil des Gerinnsels abgeschlossen, wel-
cher wie eine Kappe dafür sorgt, dass, wie Cruveilhier
sagte, der Eiter sequestrirt und die Berührung des De-
tritus mit dem circulirenden Blute gehindert wird. Nur seit-
lich erreicht die Erweichung endlich die Wand des Gefässes
selbst, diese verändert sich, es beginnt eine Verdickung und
zugleich Trübung derselben, und darauf endlich selbst eine
Eiterung innerhalb der Wandungen.

Dasselbe, was wir bis jetzt an den Venen betrachtet ha-
ben, kommt auch am Herzen vor. Namentlich am rechten Ventri-
kel sieht man nicht selten sogenannte Eitercysten zwischen den
Trabekeln der Herzwand. Sie ragen gegen die Höhle wie rund-

Zehnte Vorlesung.
aber es ist bis jetzt noch keinem Experimentator, welcher
vorsichtig das Blut von dem Einströmen in die Gefässe abhielt,
gelungen, ein Exsudat zu erzeugen, welches in das Lumen ab-
gesetzt wurde. Vielmehr geht, wenn die Wand sich entzün-
det, die Exsudatmasse, welche gebildet wird, in die Wand
selbst; diese verdickt sich, trübt sich, und fängt späterhin an
zu eitern. Ja, es können sich Abscesse bilden, welche die
Wand nach beiden Seiten hin wie eine Pockenpustel hervor-
drängen, ohne dass eine Gerinnung des Blutes im Lumen er-
folgt. Andere Male freilich wird die eigentliche Phlebitis (und
ebenso die Arteriitis und Endocarditis) die Bedingung für
Thrombose, indem sich auf der inneren Wand Unebenheiten,
Höcker, Vertiefungen und selbst Ulcerationen bilden, welche
für die Entstehung des Thrombus Anhaltspunkte bieten. Allein
da, wo eine Phlebitis in dem gebräuchlichen Sinne des Wortes
stattfindet, ist die Veränderung der Gefässwand fast immer
eine secundäre, welche sogar verhältnissmässig spät zu Stande
kommt.

Der Prozess verläuft in der Weise, dass die jüngsten
Theile des Thrombus immer aus blossem Gerinsel bestehen.
Die Erweichung, das partielle Schmelzen beginnt in der Regel
central, so dass also, wenn der Thrombus eine gewisse Grösse
erreicht hat, sich inmitten desselben eine Höhle findet, mehr
oder weniger gross, die mit jedem Augenblicke sich erweitert
und die allmählig der Gefässwand immer näher rückt. Aber
in der Regel ist dieselbe nach oben und unten durch einen
frischeren, derberen Theil des Gerinnsels abgeschlossen, wel-
cher wie eine Kappe dafür sorgt, dass, wie Cruveilhier
sagte, der Eiter sequestrirt und die Berührung des De-
tritus mit dem circulirenden Blute gehindert wird. Nur seit-
lich erreicht die Erweichung endlich die Wand des Gefässes
selbst, diese verändert sich, es beginnt eine Verdickung und
zugleich Trübung derselben, und darauf endlich selbst eine
Eiterung innerhalb der Wandungen.

Dasselbe, was wir bis jetzt an den Venen betrachtet ha-
ben, kommt auch am Herzen vor. Namentlich am rechten Ventri-
kel sieht man nicht selten sogenannte Eitercysten zwischen den
Trabekeln der Herzwand. Sie ragen gegen die Höhle wie rund-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="182"/><fw place="top" type="header">Zehnte Vorlesung.</fw><lb/>
aber es ist bis jetzt noch keinem Experimentator, welcher<lb/>
vorsichtig das Blut von dem Einströmen in die Gefässe abhielt,<lb/>
gelungen, ein Exsudat zu erzeugen, welches in das Lumen ab-<lb/>
gesetzt wurde. Vielmehr geht, wenn die Wand sich entzün-<lb/>
det, die Exsudatmasse, welche gebildet wird, in die Wand<lb/>
selbst; diese verdickt sich, trübt sich, und fängt späterhin an<lb/>
zu eitern. Ja, es können sich Abscesse bilden, welche die<lb/>
Wand nach beiden Seiten hin wie eine Pockenpustel hervor-<lb/>
drängen, ohne dass eine Gerinnung des Blutes im Lumen er-<lb/>
folgt. Andere Male freilich wird die eigentliche Phlebitis (und<lb/>
ebenso die Arteriitis und Endocarditis) die Bedingung für<lb/>
Thrombose, indem sich auf der inneren Wand Unebenheiten,<lb/>
Höcker, Vertiefungen und selbst Ulcerationen bilden, welche<lb/>
für die Entstehung des Thrombus Anhaltspunkte bieten. Allein<lb/>
da, wo eine Phlebitis in dem gebräuchlichen Sinne des Wortes<lb/>
stattfindet, ist die Veränderung der Gefässwand fast immer<lb/>
eine secundäre, welche sogar verhältnissmässig spät zu Stande<lb/>
kommt.</p><lb/>
        <p>Der Prozess verläuft in der Weise, dass die jüngsten<lb/>
Theile des Thrombus immer aus blossem Gerinsel bestehen.<lb/>
Die Erweichung, das partielle Schmelzen beginnt in der Regel<lb/>
central, so dass also, wenn der Thrombus eine gewisse Grösse<lb/>
erreicht hat, sich inmitten desselben eine Höhle findet, mehr<lb/>
oder weniger gross, die mit jedem Augenblicke sich erweitert<lb/>
und die allmählig der Gefässwand immer näher rückt. Aber<lb/>
in der Regel ist dieselbe nach oben und unten durch einen<lb/>
frischeren, derberen Theil des Gerinnsels abgeschlossen, wel-<lb/>
cher wie eine Kappe dafür sorgt, dass, wie <hi rendition="#g">Cruveilhier</hi><lb/>
sagte, der Eiter sequestrirt und die Berührung des De-<lb/>
tritus mit dem circulirenden Blute gehindert wird. Nur seit-<lb/>
lich erreicht die Erweichung endlich die Wand des Gefässes<lb/>
selbst, diese verändert sich, es beginnt eine Verdickung und<lb/>
zugleich Trübung derselben, und darauf endlich selbst eine<lb/>
Eiterung innerhalb der Wandungen.</p><lb/>
        <p>Dasselbe, was wir bis jetzt an den Venen betrachtet ha-<lb/>
ben, kommt auch am Herzen vor. Namentlich am rechten Ventri-<lb/>
kel sieht man nicht selten sogenannte Eitercysten zwischen den<lb/>
Trabekeln der Herzwand. Sie ragen gegen die Höhle wie rund-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0204] Zehnte Vorlesung. aber es ist bis jetzt noch keinem Experimentator, welcher vorsichtig das Blut von dem Einströmen in die Gefässe abhielt, gelungen, ein Exsudat zu erzeugen, welches in das Lumen ab- gesetzt wurde. Vielmehr geht, wenn die Wand sich entzün- det, die Exsudatmasse, welche gebildet wird, in die Wand selbst; diese verdickt sich, trübt sich, und fängt späterhin an zu eitern. Ja, es können sich Abscesse bilden, welche die Wand nach beiden Seiten hin wie eine Pockenpustel hervor- drängen, ohne dass eine Gerinnung des Blutes im Lumen er- folgt. Andere Male freilich wird die eigentliche Phlebitis (und ebenso die Arteriitis und Endocarditis) die Bedingung für Thrombose, indem sich auf der inneren Wand Unebenheiten, Höcker, Vertiefungen und selbst Ulcerationen bilden, welche für die Entstehung des Thrombus Anhaltspunkte bieten. Allein da, wo eine Phlebitis in dem gebräuchlichen Sinne des Wortes stattfindet, ist die Veränderung der Gefässwand fast immer eine secundäre, welche sogar verhältnissmässig spät zu Stande kommt. Der Prozess verläuft in der Weise, dass die jüngsten Theile des Thrombus immer aus blossem Gerinsel bestehen. Die Erweichung, das partielle Schmelzen beginnt in der Regel central, so dass also, wenn der Thrombus eine gewisse Grösse erreicht hat, sich inmitten desselben eine Höhle findet, mehr oder weniger gross, die mit jedem Augenblicke sich erweitert und die allmählig der Gefässwand immer näher rückt. Aber in der Regel ist dieselbe nach oben und unten durch einen frischeren, derberen Theil des Gerinnsels abgeschlossen, wel- cher wie eine Kappe dafür sorgt, dass, wie Cruveilhier sagte, der Eiter sequestrirt und die Berührung des De- tritus mit dem circulirenden Blute gehindert wird. Nur seit- lich erreicht die Erweichung endlich die Wand des Gefässes selbst, diese verändert sich, es beginnt eine Verdickung und zugleich Trübung derselben, und darauf endlich selbst eine Eiterung innerhalb der Wandungen. Dasselbe, was wir bis jetzt an den Venen betrachtet ha- ben, kommt auch am Herzen vor. Namentlich am rechten Ventri- kel sieht man nicht selten sogenannte Eitercysten zwischen den Trabekeln der Herzwand. Sie ragen gegen die Höhle wie rund-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/204
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/204>, abgerufen am 24.04.2024.