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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Die puriforme Schmelzung der Thromben.
sich, dass die eiterartige Masse, welche sich innerhalb dersel-
ben vorfindet, nicht von der Wand herstammt, sondern direct
durch eine Umwandlung der centralen Gerinnselschichten selbst
entsteht, und zwar durch eine Umwandlung chemischer Art,
wobei in ähnlicher Weise, wie man dies durch langsame Di-
gestion von geronnenem Fibrin künstlich erzeugen kann, das
Fibrin in eine feinkörnige Substanz zerfällt und die ganze
Masse in Detritus übergeht. Es ist dies eine Art von Er-
weichung und Rückbildung der organischen Substanz, wobei
von Anfang an eine Menge von kleinsten Partikelchen sichtbar
wird; die grossen Fäden des Fibrins zertrümmern in Stücke,
[Abbildung] Fig. 70.
diese wieder in kleinere und so
fort, bis man nach einer ge-
wissen Zeit die Hauptmasse zu-
sammengesetzt findet aus kleinen,
feinen, blassen Körnern (Fig. 70.
A.). In Fällen, wo das Fibrin
verhältnissmässig sehr rein ist,
sieht man manchmal fast gar nichts
weiter, als diese Körnchen.

Sie sehen, meine Herren, das Mikroskop löst die Schwie-
rigkeiten sehr einfach auf, indem es nachweist, dass diese
Masse, welche wie Eiter aussieht, kein Eiter ist. Denn wir
verstehen unter Eiter eine wesentlich mit zelligen Elementen
versehene Flüssigkeit. Ebenso wenig wie wir uns Blut ohne
Blutkörperchen denken können, ebenso wenig existirt ein Eiter
ohne Eiterkörperchen. Wenn wir hier aber eine Flüssigkeit
finden, welche nichts weiter als eine mit Körnern durchsetzte
Masse darstellt, so mag diese dem äusseren Habitus nach wie
Eiter aussehen; nie darf man sie aber als wirklichen Eiter
deuten. Es ist eine puriforme Substanz, aber keine
purulente
.

[Abbildung] Fig. 70.

Puriforme Detritus-Masse aus erweichten Thromben. A. Die
verschieden grossen, blassen Körner des zerfallenden Fibrins. B. Die
bei der Erweichung freiwerdenden, zum Theil in der Rückbildung be-
griffenen farblosen Blutkörperchen, a, mit mehrfachen Kernen, b, mit
einfachen, eckigen Kernen und einzelnen Fettkörnchen, c, kernlose (pyoide)
in der Fettmetamorphose. C. In der Entfärbung begriffene und zerfal-
lende Blutkörperchen. Vrgr. 350.

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Die puriforme Schmelzung der Thromben.
sich, dass die eiterartige Masse, welche sich innerhalb dersel-
ben vorfindet, nicht von der Wand herstammt, sondern direct
durch eine Umwandlung der centralen Gerinnselschichten selbst
entsteht, und zwar durch eine Umwandlung chemischer Art,
wobei in ähnlicher Weise, wie man dies durch langsame Di-
gestion von geronnenem Fibrin künstlich erzeugen kann, das
Fibrin in eine feinkörnige Substanz zerfällt und die ganze
Masse in Detritus übergeht. Es ist dies eine Art von Er-
weichung und Rückbildung der organischen Substanz, wobei
von Anfang an eine Menge von kleinsten Partikelchen sichtbar
wird; die grossen Fäden des Fibrins zertrümmern in Stücke,
[Abbildung] Fig. 70.
diese wieder in kleinere und so
fort, bis man nach einer ge-
wissen Zeit die Hauptmasse zu-
sammengesetzt findet aus kleinen,
feinen, blassen Körnern (Fig. 70.
A.). In Fällen, wo das Fibrin
verhältnissmässig sehr rein ist,
sieht man manchmal fast gar nichts
weiter, als diese Körnchen.

Sie sehen, meine Herren, das Mikroskop löst die Schwie-
rigkeiten sehr einfach auf, indem es nachweist, dass diese
Masse, welche wie Eiter aussieht, kein Eiter ist. Denn wir
verstehen unter Eiter eine wesentlich mit zelligen Elementen
versehene Flüssigkeit. Ebenso wenig wie wir uns Blut ohne
Blutkörperchen denken können, ebenso wenig existirt ein Eiter
ohne Eiterkörperchen. Wenn wir hier aber eine Flüssigkeit
finden, welche nichts weiter als eine mit Körnern durchsetzte
Masse darstellt, so mag diese dem äusseren Habitus nach wie
Eiter aussehen; nie darf man sie aber als wirklichen Eiter
deuten. Es ist eine puriforme Substanz, aber keine
purulente
.

[Abbildung] Fig. 70.

Puriforme Detritus-Masse aus erweichten Thromben. A. Die
verschieden grossen, blassen Körner des zerfallenden Fibrins. B. Die
bei der Erweichung freiwerdenden, zum Theil in der Rückbildung be-
griffenen farblosen Blutkörperchen, a, mit mehrfachen Kernen, b, mit
einfachen, eckigen Kernen und einzelnen Fettkörnchen, c, kernlose (pyoide)
in der Fettmetamorphose. C. In der Entfärbung begriffene und zerfal-
lende Blutkörperchen. Vrgr. 350.

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[179/0201] Die puriforme Schmelzung der Thromben. sich, dass die eiterartige Masse, welche sich innerhalb dersel- ben vorfindet, nicht von der Wand herstammt, sondern direct durch eine Umwandlung der centralen Gerinnselschichten selbst entsteht, und zwar durch eine Umwandlung chemischer Art, wobei in ähnlicher Weise, wie man dies durch langsame Di- gestion von geronnenem Fibrin künstlich erzeugen kann, das Fibrin in eine feinkörnige Substanz zerfällt und die ganze Masse in Detritus übergeht. Es ist dies eine Art von Er- weichung und Rückbildung der organischen Substanz, wobei von Anfang an eine Menge von kleinsten Partikelchen sichtbar wird; die grossen Fäden des Fibrins zertrümmern in Stücke, [Abbildung Fig. 70.] diese wieder in kleinere und so fort, bis man nach einer ge- wissen Zeit die Hauptmasse zu- sammengesetzt findet aus kleinen, feinen, blassen Körnern (Fig. 70. A.). In Fällen, wo das Fibrin verhältnissmässig sehr rein ist, sieht man manchmal fast gar nichts weiter, als diese Körnchen. Sie sehen, meine Herren, das Mikroskop löst die Schwie- rigkeiten sehr einfach auf, indem es nachweist, dass diese Masse, welche wie Eiter aussieht, kein Eiter ist. Denn wir verstehen unter Eiter eine wesentlich mit zelligen Elementen versehene Flüssigkeit. Ebenso wenig wie wir uns Blut ohne Blutkörperchen denken können, ebenso wenig existirt ein Eiter ohne Eiterkörperchen. Wenn wir hier aber eine Flüssigkeit finden, welche nichts weiter als eine mit Körnern durchsetzte Masse darstellt, so mag diese dem äusseren Habitus nach wie Eiter aussehen; nie darf man sie aber als wirklichen Eiter deuten. Es ist eine puriforme Substanz, aber keine purulente. [Abbildung Fig. 70. Puriforme Detritus-Masse aus erweichten Thromben. A. Die verschieden grossen, blassen Körner des zerfallenden Fibrins. B. Die bei der Erweichung freiwerdenden, zum Theil in der Rückbildung be- griffenen farblosen Blutkörperchen, a, mit mehrfachen Kernen, b, mit einfachen, eckigen Kernen und einzelnen Fettkörnchen, c, kernlose (pyoide) in der Fettmetamorphose. C. In der Entfärbung begriffene und zerfal- lende Blutkörperchen. Vrgr. 350. ] 12*

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/201>, abgerufen am 24.04.2024.