Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Hämato Krystallin.
nung, welche man bis dahin an Krystallen noch nicht kannte.
Später sind diese Krystalle wieder entdeckt worden von Köl-
liker; Funke, Kunde
und namentlich Lehmann haben sie
genauer untersucht. Es hat sich herausgestellt, dass bei ver-
schiedenen Thier-Klassen dieselben sehr verschieden sind, in-
dessen hat sich bis jetzt ein bestimmter Grund dafür und eine An-
sicht über die Natur der Substanz selbst in diesen verschie-
denen Fällen nicht gewinnen lassen. Beim Menschen sind es
ziemlich grosse Krystalle. Man hat anfangs geglaubt, sie kä-
men nur an dem Blute gewisser Organe vor, allein es hat
sich ergeben, dass sie überall vorkommen und nur in gewis-
sen Krankheitsprozessen leichter gewonnen werden können. In
einzelnen sehr seltenen Fällen kommt es vor, dass man sie
im Blut von Leichen schon gebildet findet. Diese Krystalle
sind sehr leicht zerstörbar; sowohl wenn sie eintrocknen, als
wenn sie feucht oder durch irgend ein flüssiges Medium be-
rührt werden, gehen sie zu Grunde, und man beobach-
tet sie daher nur in gewissen Uebergangsstadien, welche ge-
rade getroffen werden müssen, bei der Zerstörung der Blut-
körperchen. Die gut ausgebildeten Formen beim Menschen
bilden vollkommen rechtwinklige Körper; aber sehr oft sind
sie äusserst klein und man sieht nur einfache Spiesse, welche
in grossen Massen an gewissen Stellen in das Object hinein-
schiessen. Dabei haben sie die Eigenthümlichkeit, dass sie
sich immer noch verhalten, wie das Hämatin selbst, dass sie
durch Sauerstoff hellroth, durch Kohlensäure dunkelroth
werden. Darüber besteht noch mannigfache Discussion, in wie
weit die ganze Masse der Krystalle aus Farbstoff besteht
oder der Farbestoff auch hier nur eine Tränkung der an sich
farblosen Krystalle bildet, indess kann man soviel festhalten,
dass die Farbe als etwas sehr Charakteristisches gelten muss,
und dass die nahen Beziehungen derselben zu dem gewöhn-
lichen Blutfarbestoff sich nicht bezweifeln lassen. --

Die dritte Art der natürlichen morphologischen Elemente
des Blutes sind die farblosen Körperchen. Sie kommen
im Blute des gesunden Menschen in verhältnissmässig kleinen
Quantitäten vor. Man rechnet ungefähr auf dreihundert rothe
Körperchen ein farbloses. In der gewöhnlichen Erscheinung,

Hämato Krystallin.
nung, welche man bis dahin an Krystallen noch nicht kannte.
Später sind diese Krystalle wieder entdeckt worden von Köl-
liker; Funke, Kunde
und namentlich Lehmann haben sie
genauer untersucht. Es hat sich herausgestellt, dass bei ver-
schiedenen Thier-Klassen dieselben sehr verschieden sind, in-
dessen hat sich bis jetzt ein bestimmter Grund dafür und eine An-
sicht über die Natur der Substanz selbst in diesen verschie-
denen Fällen nicht gewinnen lassen. Beim Menschen sind es
ziemlich grosse Krystalle. Man hat anfangs geglaubt, sie kä-
men nur an dem Blute gewisser Organe vor, allein es hat
sich ergeben, dass sie überall vorkommen und nur in gewis-
sen Krankheitsprozessen leichter gewonnen werden können. In
einzelnen sehr seltenen Fällen kommt es vor, dass man sie
im Blut von Leichen schon gebildet findet. Diese Krystalle
sind sehr leicht zerstörbar; sowohl wenn sie eintrocknen, als
wenn sie feucht oder durch irgend ein flüssiges Medium be-
rührt werden, gehen sie zu Grunde, und man beobach-
tet sie daher nur in gewissen Uebergangsstadien, welche ge-
rade getroffen werden müssen, bei der Zerstörung der Blut-
körperchen. Die gut ausgebildeten Formen beim Menschen
bilden vollkommen rechtwinklige Körper; aber sehr oft sind
sie äusserst klein und man sieht nur einfache Spiesse, welche
in grossen Massen an gewissen Stellen in das Object hinein-
schiessen. Dabei haben sie die Eigenthümlichkeit, dass sie
sich immer noch verhalten, wie das Hämatin selbst, dass sie
durch Sauerstoff hellroth, durch Kohlensäure dunkelroth
werden. Darüber besteht noch mannigfache Discussion, in wie
weit die ganze Masse der Krystalle aus Farbstoff besteht
oder der Farbestoff auch hier nur eine Tränkung der an sich
farblosen Krystalle bildet, indess kann man soviel festhalten,
dass die Farbe als etwas sehr Charakteristisches gelten muss,
und dass die nahen Beziehungen derselben zu dem gewöhn-
lichen Blutfarbestoff sich nicht bezweifeln lassen. —

Die dritte Art der natürlichen morphologischen Elemente
des Blutes sind die farblosen Körperchen. Sie kommen
im Blute des gesunden Menschen in verhältnissmässig kleinen
Quantitäten vor. Man rechnet ungefähr auf dreihundert rothe
Körperchen ein farbloses. In der gewöhnlichen Erscheinung,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0155" n="133"/><fw place="top" type="header">Hämato Krystallin.</fw><lb/>
nung, welche man bis dahin an Krystallen noch nicht kannte.<lb/>
Später sind diese Krystalle wieder entdeckt worden von <hi rendition="#g">Köl-<lb/>
liker; Funke, Kunde</hi> und namentlich <hi rendition="#g">Lehmann</hi> haben sie<lb/>
genauer untersucht. Es hat sich herausgestellt, dass bei ver-<lb/>
schiedenen Thier-Klassen dieselben sehr verschieden sind, in-<lb/>
dessen hat sich bis jetzt ein bestimmter Grund dafür und eine An-<lb/>
sicht über die Natur der Substanz selbst in diesen verschie-<lb/>
denen Fällen nicht gewinnen lassen. Beim Menschen sind es<lb/>
ziemlich grosse Krystalle. Man hat anfangs geglaubt, sie kä-<lb/>
men nur an dem Blute gewisser Organe vor, allein es hat<lb/>
sich ergeben, dass sie überall vorkommen und nur in gewis-<lb/>
sen Krankheitsprozessen leichter gewonnen werden können. In<lb/>
einzelnen sehr seltenen Fällen kommt es vor, dass man sie<lb/>
im Blut von Leichen schon gebildet findet. Diese Krystalle<lb/>
sind sehr leicht zerstörbar; sowohl wenn sie eintrocknen, als<lb/>
wenn sie feucht oder durch irgend ein flüssiges Medium be-<lb/>
rührt werden, gehen sie zu Grunde, und man beobach-<lb/>
tet sie daher nur in gewissen Uebergangsstadien, welche ge-<lb/>
rade getroffen werden müssen, bei der Zerstörung der Blut-<lb/>
körperchen. Die gut ausgebildeten Formen beim Menschen<lb/>
bilden vollkommen rechtwinklige Körper; aber sehr oft sind<lb/>
sie äusserst klein und man sieht nur einfache Spiesse, welche<lb/>
in grossen Massen an gewissen Stellen in das Object hinein-<lb/>
schiessen. Dabei haben sie die Eigenthümlichkeit, dass sie<lb/>
sich immer noch verhalten, wie das Hämatin selbst, dass sie<lb/>
durch Sauerstoff hellroth, durch Kohlensäure dunkelroth<lb/>
werden. Darüber besteht noch mannigfache Discussion, in wie<lb/>
weit die ganze Masse der Krystalle aus Farbstoff besteht<lb/>
oder der Farbestoff auch hier nur eine Tränkung der an sich<lb/>
farblosen Krystalle bildet, indess kann man soviel festhalten,<lb/>
dass die Farbe als etwas sehr Charakteristisches gelten muss,<lb/>
und dass die nahen Beziehungen derselben zu dem gewöhn-<lb/>
lichen Blutfarbestoff sich nicht bezweifeln lassen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Die dritte Art der natürlichen morphologischen Elemente<lb/>
des Blutes sind die <hi rendition="#g">farblosen Körperchen</hi>. Sie kommen<lb/>
im Blute des gesunden Menschen in verhältnissmässig kleinen<lb/>
Quantitäten vor. Man rechnet ungefähr auf dreihundert rothe<lb/>
Körperchen ein farbloses. In der gewöhnlichen Erscheinung,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0155] Hämato Krystallin. nung, welche man bis dahin an Krystallen noch nicht kannte. Später sind diese Krystalle wieder entdeckt worden von Köl- liker; Funke, Kunde und namentlich Lehmann haben sie genauer untersucht. Es hat sich herausgestellt, dass bei ver- schiedenen Thier-Klassen dieselben sehr verschieden sind, in- dessen hat sich bis jetzt ein bestimmter Grund dafür und eine An- sicht über die Natur der Substanz selbst in diesen verschie- denen Fällen nicht gewinnen lassen. Beim Menschen sind es ziemlich grosse Krystalle. Man hat anfangs geglaubt, sie kä- men nur an dem Blute gewisser Organe vor, allein es hat sich ergeben, dass sie überall vorkommen und nur in gewis- sen Krankheitsprozessen leichter gewonnen werden können. In einzelnen sehr seltenen Fällen kommt es vor, dass man sie im Blut von Leichen schon gebildet findet. Diese Krystalle sind sehr leicht zerstörbar; sowohl wenn sie eintrocknen, als wenn sie feucht oder durch irgend ein flüssiges Medium be- rührt werden, gehen sie zu Grunde, und man beobach- tet sie daher nur in gewissen Uebergangsstadien, welche ge- rade getroffen werden müssen, bei der Zerstörung der Blut- körperchen. Die gut ausgebildeten Formen beim Menschen bilden vollkommen rechtwinklige Körper; aber sehr oft sind sie äusserst klein und man sieht nur einfache Spiesse, welche in grossen Massen an gewissen Stellen in das Object hinein- schiessen. Dabei haben sie die Eigenthümlichkeit, dass sie sich immer noch verhalten, wie das Hämatin selbst, dass sie durch Sauerstoff hellroth, durch Kohlensäure dunkelroth werden. Darüber besteht noch mannigfache Discussion, in wie weit die ganze Masse der Krystalle aus Farbstoff besteht oder der Farbestoff auch hier nur eine Tränkung der an sich farblosen Krystalle bildet, indess kann man soviel festhalten, dass die Farbe als etwas sehr Charakteristisches gelten muss, und dass die nahen Beziehungen derselben zu dem gewöhn- lichen Blutfarbestoff sich nicht bezweifeln lassen. — Die dritte Art der natürlichen morphologischen Elemente des Blutes sind die farblosen Körperchen. Sie kommen im Blute des gesunden Menschen in verhältnissmässig kleinen Quantitäten vor. Man rechnet ungefähr auf dreihundert rothe Körperchen ein farbloses. In der gewöhnlichen Erscheinung,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/155
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/155>, abgerufen am 23.04.2024.