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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Diffusionserscheinungen der rothen Blutkörperchen.
zeugt diese Veränderung. Sehr schnell können wir sie machen,
wenn wir die Mischung des Serums ändern durch Zusatz von
Salz oder Zucker. Dauert die Wasser-Entziehung fort, so
verkleinert sich das Körperchen noch mehr, und endlich wird
es wieder rund und glatt (Fig. 52, h.), vollkommen sphärisch,
und zugleich erscheint die Farbe viel saturirter, die innere
Masse sieht ganz dunkel aus. Sie können daraus zugleich
eine nicht uninteressante Thatsache erschliessen, nämlich die,
dass die Exosmose wesentlich eine Wasser-Entziehung ist, wo-
bei vielleicht dieser oder jener andere Stoff z. B. Salz mit
austritt, wobei aber die wesentlichen Bestandtheile zurückblei-
ben. Das Hämatin folgt dem Wasser nicht; die Blutkörperchen-
membran hält dasselbe zurück, so dass in dem Maasse, als
viel Flüssigkeit verloren geht, natürlich das Hämatin im In-
nern dichter werden muss.

Umgekehrt verhält es sich, wenn wir diluirte Flüssigkei-
ten anwenden. Je mehr verdünnt die Flüssigkeit wird, um
so mehr vergrössert sich, quillt das Blutkörperchen auf und wird
blasser. Behandeln wir die unter der Einwirkung concentrirter
Flüssigkeiten reducirten Blutkörperchen mit Wasser, so sehen wir,
wie die kuglige Form wieder in die eckige und von da in
die der Scheibe übergeht, wie das Blutkörperchen sich immer
mehr wölbt, oft ganz sonderbar sich gestaltet, und wieder
blasser wird. Diese Einwirkung kann man, wenn man die
Verdünnung des Blutes recht vorsichtig eintreten lässt, so weit
treiben, dass die Blutkörperchen kaum noch gefärbt erschei-
nen, während sie doch noch sichtbar bleiben. In den ge-
wöhnlichen Fällen, wo man viel Flüssigkeit auf einmal zusetzt,
wird in der Einrichtung des Blutkörperchens eine so grosse
Revolution hervorgebracht, dass alsbald ein Entweichen des
Hämatins aus dem Körperchen stattfindet. Wir bekommen dann
eine rothe Lösung, bei der die Farbe frei an der Flüssigkeit
haftet. Ich hebe diese Eigenthümlichkeit deshalb hervor, weil
sie bei Untersuchungen immerfort vorkommt, und weil sie eine
der wesentlichen Erscheinungen bei der Bildung der patholo-
gischen Pigmentirungen erklärt, wo wir ein ganz ähnliches
Entweichen des Hämatins aus den Blutkörperchen antreffen
(Fig. 54, a.). Gewöhnlich drückt man sich so aus, das Blut-

Diffusionserscheinungen der rothen Blutkörperchen.
zeugt diese Veränderung. Sehr schnell können wir sie machen,
wenn wir die Mischung des Serums ändern durch Zusatz von
Salz oder Zucker. Dauert die Wasser-Entziehung fort, so
verkleinert sich das Körperchen noch mehr, und endlich wird
es wieder rund und glatt (Fig. 52, h.), vollkommen sphärisch,
und zugleich erscheint die Farbe viel saturirter, die innere
Masse sieht ganz dunkel aus. Sie können daraus zugleich
eine nicht uninteressante Thatsache erschliessen, nämlich die,
dass die Exosmose wesentlich eine Wasser-Entziehung ist, wo-
bei vielleicht dieser oder jener andere Stoff z. B. Salz mit
austritt, wobei aber die wesentlichen Bestandtheile zurückblei-
ben. Das Hämatin folgt dem Wasser nicht; die Blutkörperchen-
membran hält dasselbe zurück, so dass in dem Maasse, als
viel Flüssigkeit verloren geht, natürlich das Hämatin im In-
nern dichter werden muss.

Umgekehrt verhält es sich, wenn wir diluirte Flüssigkei-
ten anwenden. Je mehr verdünnt die Flüssigkeit wird, um
so mehr vergrössert sich, quillt das Blutkörperchen auf und wird
blasser. Behandeln wir die unter der Einwirkung concentrirter
Flüssigkeiten reducirten Blutkörperchen mit Wasser, so sehen wir,
wie die kuglige Form wieder in die eckige und von da in
die der Scheibe übergeht, wie das Blutkörperchen sich immer
mehr wölbt, oft ganz sonderbar sich gestaltet, und wieder
blasser wird. Diese Einwirkung kann man, wenn man die
Verdünnung des Blutes recht vorsichtig eintreten lässt, so weit
treiben, dass die Blutkörperchen kaum noch gefärbt erschei-
nen, während sie doch noch sichtbar bleiben. In den ge-
wöhnlichen Fällen, wo man viel Flüssigkeit auf einmal zusetzt,
wird in der Einrichtung des Blutkörperchens eine so grosse
Revolution hervorgebracht, dass alsbald ein Entweichen des
Hämatins aus dem Körperchen stattfindet. Wir bekommen dann
eine rothe Lösung, bei der die Farbe frei an der Flüssigkeit
haftet. Ich hebe diese Eigenthümlichkeit deshalb hervor, weil
sie bei Untersuchungen immerfort vorkommt, und weil sie eine
der wesentlichen Erscheinungen bei der Bildung der patholo-
gischen Pigmentirungen erklärt, wo wir ein ganz ähnliches
Entweichen des Hämatins aus den Blutkörperchen antreffen
(Fig. 54, a.). Gewöhnlich drückt man sich so aus, das Blut-

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[127/0149] Diffusionserscheinungen der rothen Blutkörperchen. zeugt diese Veränderung. Sehr schnell können wir sie machen, wenn wir die Mischung des Serums ändern durch Zusatz von Salz oder Zucker. Dauert die Wasser-Entziehung fort, so verkleinert sich das Körperchen noch mehr, und endlich wird es wieder rund und glatt (Fig. 52, h.), vollkommen sphärisch, und zugleich erscheint die Farbe viel saturirter, die innere Masse sieht ganz dunkel aus. Sie können daraus zugleich eine nicht uninteressante Thatsache erschliessen, nämlich die, dass die Exosmose wesentlich eine Wasser-Entziehung ist, wo- bei vielleicht dieser oder jener andere Stoff z. B. Salz mit austritt, wobei aber die wesentlichen Bestandtheile zurückblei- ben. Das Hämatin folgt dem Wasser nicht; die Blutkörperchen- membran hält dasselbe zurück, so dass in dem Maasse, als viel Flüssigkeit verloren geht, natürlich das Hämatin im In- nern dichter werden muss. Umgekehrt verhält es sich, wenn wir diluirte Flüssigkei- ten anwenden. Je mehr verdünnt die Flüssigkeit wird, um so mehr vergrössert sich, quillt das Blutkörperchen auf und wird blasser. Behandeln wir die unter der Einwirkung concentrirter Flüssigkeiten reducirten Blutkörperchen mit Wasser, so sehen wir, wie die kuglige Form wieder in die eckige und von da in die der Scheibe übergeht, wie das Blutkörperchen sich immer mehr wölbt, oft ganz sonderbar sich gestaltet, und wieder blasser wird. Diese Einwirkung kann man, wenn man die Verdünnung des Blutes recht vorsichtig eintreten lässt, so weit treiben, dass die Blutkörperchen kaum noch gefärbt erschei- nen, während sie doch noch sichtbar bleiben. In den ge- wöhnlichen Fällen, wo man viel Flüssigkeit auf einmal zusetzt, wird in der Einrichtung des Blutkörperchens eine so grosse Revolution hervorgebracht, dass alsbald ein Entweichen des Hämatins aus dem Körperchen stattfindet. Wir bekommen dann eine rothe Lösung, bei der die Farbe frei an der Flüssigkeit haftet. Ich hebe diese Eigenthümlichkeit deshalb hervor, weil sie bei Untersuchungen immerfort vorkommt, und weil sie eine der wesentlichen Erscheinungen bei der Bildung der patholo- gischen Pigmentirungen erklärt, wo wir ein ganz ähnliches Entweichen des Hämatins aus den Blutkörperchen antreffen (Fig. 54, a.). Gewöhnlich drückt man sich so aus, das Blut-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/149>, abgerufen am 25.04.2024.