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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Reizungs-Hyperämie.

Ich habe an Fledermäusen diese Erscheinungen studirt
und mich überzeugt, dass der Rhythmus weder mit der Herz-
bewegung, noch mit der respiratorischen Bewegung zusam-
menfällt; es ist ein ganz eigenthümlicher, verhältnissmässig
nicht sehr ausgiebiger Bewegungsakt, welcher in ziemlich lan-
gen Pausen, in einer längern Pause als die Circulation, und
in einer kürzeren als die Respiration, erfolgt. Auch am Ka-
ninchenohr sind die Zusammenziehungen der Arterien ungleich
langsamer als die Herz- und Respirationsbewegungen.

Wenn man diese Erscheinungen abrechnet, welche offen-
bar nicht in der Weise verwerthet werden dürfen, dass die
frühere Ansicht dadurch gestützt werden könnte, so bleibt als
wesentliche Thatsache stehen, dass die Muskulatur eines Ge-
fässes auf jeden Reiz, der sie in Action setzt, sich zusammen-
zieht, dass aber diese Zusammenziehung sich nicht in einer
peristaltischen Weise fortpflanzt, sondern sich auf die gereizte
Stelle beschränkt, höchstens sich ein wenig darüber hinaus-
erstreckt, und an dieser Stelle eine gewisse Zeit lang anhält.
Je muskulöser das Gefäss ist, um so dauerhafter und ergie-
biger wird die Contraction, um so stärker die Hemmung,
welche die Strömung des Blutes dadurch erfährt. Je kleiner
die Gefässe sind, um so schneller sieht man dagegen auf die
Contraction eine Erweiterung folgen, welche aber nicht wie-
derum von einer Contraction gefolgt ist, wie es für das Zu-
standekommen einer Pulsation nothwendig wäre, sondern welche
mehr oder weniger lange fortbesteht. Diese Erweiterung ist
nicht eine active, sondern eine passive, hervorgebracht durch
den Druck des Blutes auf die ermüdete, weniger Widerstand
leistende Gefässwand.

Untersucht man nun die Erscheinungen, welche man ge-
wöhnlich in der Gruppe der activen Hyperämien zusammen-
fasst, so kann kein Zweifel darüber sein, dass in der Regel die
Muskulatur der Arterien wesentlich dabei betheiligt ist. Sehr
gewöhnlich handelt es sich um solche Vorgänge, wo die Ge-
fässmuskeln in der That gereizt werden, und wo der Con-
traction ein Zustand der Relaxation folgt, wie er in gleich aus-
gesprochener Weise sich an den übrigen Muskeln fast gar
nicht vorfindet, ein Zustand, der offenbar eine Art von Er-

Reizungs-Hyperämie.

Ich habe an Fledermäusen diese Erscheinungen studirt
und mich überzeugt, dass der Rhythmus weder mit der Herz-
bewegung, noch mit der respiratorischen Bewegung zusam-
menfällt; es ist ein ganz eigenthümlicher, verhältnissmässig
nicht sehr ausgiebiger Bewegungsakt, welcher in ziemlich lan-
gen Pausen, in einer längern Pause als die Circulation, und
in einer kürzeren als die Respiration, erfolgt. Auch am Ka-
ninchenohr sind die Zusammenziehungen der Arterien ungleich
langsamer als die Herz- und Respirationsbewegungen.

Wenn man diese Erscheinungen abrechnet, welche offen-
bar nicht in der Weise verwerthet werden dürfen, dass die
frühere Ansicht dadurch gestützt werden könnte, so bleibt als
wesentliche Thatsache stehen, dass die Muskulatur eines Ge-
fässes auf jeden Reiz, der sie in Action setzt, sich zusammen-
zieht, dass aber diese Zusammenziehung sich nicht in einer
peristaltischen Weise fortpflanzt, sondern sich auf die gereizte
Stelle beschränkt, höchstens sich ein wenig darüber hinaus-
erstreckt, und an dieser Stelle eine gewisse Zeit lang anhält.
Je muskulöser das Gefäss ist, um so dauerhafter und ergie-
biger wird die Contraction, um so stärker die Hemmung,
welche die Strömung des Blutes dadurch erfährt. Je kleiner
die Gefässe sind, um so schneller sieht man dagegen auf die
Contraction eine Erweiterung folgen, welche aber nicht wie-
derum von einer Contraction gefolgt ist, wie es für das Zu-
standekommen einer Pulsation nothwendig wäre, sondern welche
mehr oder weniger lange fortbesteht. Diese Erweiterung ist
nicht eine active, sondern eine passive, hervorgebracht durch
den Druck des Blutes auf die ermüdete, weniger Widerstand
leistende Gefässwand.

Untersucht man nun die Erscheinungen, welche man ge-
wöhnlich in der Gruppe der activen Hyperämien zusammen-
fasst, so kann kein Zweifel darüber sein, dass in der Regel die
Muskulatur der Arterien wesentlich dabei betheiligt ist. Sehr
gewöhnlich handelt es sich um solche Vorgänge, wo die Ge-
fässmuskeln in der That gereizt werden, und wo der Con-
traction ein Zustand der Relaxation folgt, wie er in gleich aus-
gesprochener Weise sich an den übrigen Muskeln fast gar
nicht vorfindet, ein Zustand, der offenbar eine Art von Er-

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[107/0129] Reizungs-Hyperämie. Ich habe an Fledermäusen diese Erscheinungen studirt und mich überzeugt, dass der Rhythmus weder mit der Herz- bewegung, noch mit der respiratorischen Bewegung zusam- menfällt; es ist ein ganz eigenthümlicher, verhältnissmässig nicht sehr ausgiebiger Bewegungsakt, welcher in ziemlich lan- gen Pausen, in einer längern Pause als die Circulation, und in einer kürzeren als die Respiration, erfolgt. Auch am Ka- ninchenohr sind die Zusammenziehungen der Arterien ungleich langsamer als die Herz- und Respirationsbewegungen. Wenn man diese Erscheinungen abrechnet, welche offen- bar nicht in der Weise verwerthet werden dürfen, dass die frühere Ansicht dadurch gestützt werden könnte, so bleibt als wesentliche Thatsache stehen, dass die Muskulatur eines Ge- fässes auf jeden Reiz, der sie in Action setzt, sich zusammen- zieht, dass aber diese Zusammenziehung sich nicht in einer peristaltischen Weise fortpflanzt, sondern sich auf die gereizte Stelle beschränkt, höchstens sich ein wenig darüber hinaus- erstreckt, und an dieser Stelle eine gewisse Zeit lang anhält. Je muskulöser das Gefäss ist, um so dauerhafter und ergie- biger wird die Contraction, um so stärker die Hemmung, welche die Strömung des Blutes dadurch erfährt. Je kleiner die Gefässe sind, um so schneller sieht man dagegen auf die Contraction eine Erweiterung folgen, welche aber nicht wie- derum von einer Contraction gefolgt ist, wie es für das Zu- standekommen einer Pulsation nothwendig wäre, sondern welche mehr oder weniger lange fortbesteht. Diese Erweiterung ist nicht eine active, sondern eine passive, hervorgebracht durch den Druck des Blutes auf die ermüdete, weniger Widerstand leistende Gefässwand. Untersucht man nun die Erscheinungen, welche man ge- wöhnlich in der Gruppe der activen Hyperämien zusammen- fasst, so kann kein Zweifel darüber sein, dass in der Regel die Muskulatur der Arterien wesentlich dabei betheiligt ist. Sehr gewöhnlich handelt es sich um solche Vorgänge, wo die Ge- fässmuskeln in der That gereizt werden, und wo der Con- traction ein Zustand der Relaxation folgt, wie er in gleich aus- gesprochener Weise sich an den übrigen Muskeln fast gar nicht vorfindet, ein Zustand, der offenbar eine Art von Er-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/129>, abgerufen am 24.04.2024.