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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Sechste Vorlesung.

Wenn wir eine Arterie isoliren, so finden wir, dass ihre
Wände verhältnissmässig sehr dick sind, und an denjenigen
Arterien, die man noch mit blossem Auge verfolgen kann, un-
terscheidet man mit Hülfe des Mikroskopes nicht bloss die
bekannten drei Häute, sondern noch ausser diesen eine feine
Epithelial-Schicht, welche die innere Oberfläche bekleidet, und
welche nicht in die gewöhnliche Bezeichnung der Häute auf-
genommen zu werden pflegt. Die innere und äussere Haut
sind wesentlich Bindegewebsbildungen, welche in grösseren
Arterien einen zunehmenden Gehalt an elastischen Fasern er-
kennen lassen; zwischen ihnen liegt die verhältnissmässig
dicke, mittlere oder Ringfaserhaut, welche als Sitz der Musku-
latur fast den wichtigsten Bestandtheil der Arterienwand aus-
macht. Die Muskulatur findet sich am reichlichsten in den
mittleren und kleineren Arterien, während in den ganz grossen.
namentlich in der Aorta, elastische Lagen den überwiegenden
Bestandtheil der Ringfaserhaut darstellen. An kleinen Arterien
bemerkt man bei mikroskopischer Untersuchung leicht inner-
halb dieser Haut (vgl. Fig. 26 b, b. Fig. 45, a.) kleine Quer-
Abtheilungen, entsprechend den einzelnen Faserzellen, welche
so dicht um das Gefäss herumliegen, dass wir in den kleinen
Arterien Faserzelle neben Faserzelle finden ohne irgend eine
Unterbrechung. Die Dicke dieser Schicht kann man durch
die Begrenzung, welche sie nach innen und aussen durch
Längsfaserhäute erfährt, bequem erkennen; das einzige Täu-
schende sind runde Zeichnungen, welche man hie und da in
der Dicke der Ringfaserhaut, aber nur am Rande des Ge-
fässes (Fig 26, b, b. 46, m, m.) sieht, und welche wie eingestreute
runde Zellen oder Kerne aussehen. Dies sind die in schein-
baren Querschnitten gesehenen Faserzellen. Am deutlich-
sten aber erkennt man die Lage der Media nach Behandlung
mit Essigsäure, welche längliche Kerne in grosser Zahl her-
vortreten lässt.

Diese Schicht ist es, welche im Allgemeinen der Arterie
ihre Besonderheit gibt, und welche sie am Wesentlichsten
unterscheidet von den Venen. Freilich gibt es zahlreiche Ve-
nen am Körper, die bedeutende Muskelschichten besitzen, z. B.
die oberflächlichen Hautvenen, indess gerade bei den kleineren

Sechste Vorlesung.

Wenn wir eine Arterie isoliren, so finden wir, dass ihre
Wände verhältnissmässig sehr dick sind, und an denjenigen
Arterien, die man noch mit blossem Auge verfolgen kann, un-
terscheidet man mit Hülfe des Mikroskopes nicht bloss die
bekannten drei Häute, sondern noch ausser diesen eine feine
Epithelial-Schicht, welche die innere Oberfläche bekleidet, und
welche nicht in die gewöhnliche Bezeichnung der Häute auf-
genommen zu werden pflegt. Die innere und äussere Haut
sind wesentlich Bindegewebsbildungen, welche in grösseren
Arterien einen zunehmenden Gehalt an elastischen Fasern er-
kennen lassen; zwischen ihnen liegt die verhältnissmässig
dicke, mittlere oder Ringfaserhaut, welche als Sitz der Musku-
latur fast den wichtigsten Bestandtheil der Arterienwand aus-
macht. Die Muskulatur findet sich am reichlichsten in den
mittleren und kleineren Arterien, während in den ganz grossen.
namentlich in der Aorta, elastische Lagen den überwiegenden
Bestandtheil der Ringfaserhaut darstellen. An kleinen Arterien
bemerkt man bei mikroskopischer Untersuchung leicht inner-
halb dieser Haut (vgl. Fig. 26 b, b. Fig. 45, a.) kleine Quer-
Abtheilungen, entsprechend den einzelnen Faserzellen, welche
so dicht um das Gefäss herumliegen, dass wir in den kleinen
Arterien Faserzelle neben Faserzelle finden ohne irgend eine
Unterbrechung. Die Dicke dieser Schicht kann man durch
die Begrenzung, welche sie nach innen und aussen durch
Längsfaserhäute erfährt, bequem erkennen; das einzige Täu-
schende sind runde Zeichnungen, welche man hie und da in
der Dicke der Ringfaserhaut, aber nur am Rande des Ge-
fässes (Fig 26, b, b. 46, m, m.) sieht, und welche wie eingestreute
runde Zellen oder Kerne aussehen. Dies sind die in schein-
baren Querschnitten gesehenen Faserzellen. Am deutlich-
sten aber erkennt man die Lage der Media nach Behandlung
mit Essigsäure, welche längliche Kerne in grosser Zahl her-
vortreten lässt.

Diese Schicht ist es, welche im Allgemeinen der Arterie
ihre Besonderheit gibt, und welche sie am Wesentlichsten
unterscheidet von den Venen. Freilich gibt es zahlreiche Ve-
nen am Körper, die bedeutende Muskelschichten besitzen, z. B.
die oberflächlichen Hautvenen, indess gerade bei den kleineren

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[100/0122] Sechste Vorlesung. Wenn wir eine Arterie isoliren, so finden wir, dass ihre Wände verhältnissmässig sehr dick sind, und an denjenigen Arterien, die man noch mit blossem Auge verfolgen kann, un- terscheidet man mit Hülfe des Mikroskopes nicht bloss die bekannten drei Häute, sondern noch ausser diesen eine feine Epithelial-Schicht, welche die innere Oberfläche bekleidet, und welche nicht in die gewöhnliche Bezeichnung der Häute auf- genommen zu werden pflegt. Die innere und äussere Haut sind wesentlich Bindegewebsbildungen, welche in grösseren Arterien einen zunehmenden Gehalt an elastischen Fasern er- kennen lassen; zwischen ihnen liegt die verhältnissmässig dicke, mittlere oder Ringfaserhaut, welche als Sitz der Musku- latur fast den wichtigsten Bestandtheil der Arterienwand aus- macht. Die Muskulatur findet sich am reichlichsten in den mittleren und kleineren Arterien, während in den ganz grossen. namentlich in der Aorta, elastische Lagen den überwiegenden Bestandtheil der Ringfaserhaut darstellen. An kleinen Arterien bemerkt man bei mikroskopischer Untersuchung leicht inner- halb dieser Haut (vgl. Fig. 26 b, b. Fig. 45, a.) kleine Quer- Abtheilungen, entsprechend den einzelnen Faserzellen, welche so dicht um das Gefäss herumliegen, dass wir in den kleinen Arterien Faserzelle neben Faserzelle finden ohne irgend eine Unterbrechung. Die Dicke dieser Schicht kann man durch die Begrenzung, welche sie nach innen und aussen durch Längsfaserhäute erfährt, bequem erkennen; das einzige Täu- schende sind runde Zeichnungen, welche man hie und da in der Dicke der Ringfaserhaut, aber nur am Rande des Ge- fässes (Fig 26, b, b. 46, m, m.) sieht, und welche wie eingestreute runde Zellen oder Kerne aussehen. Dies sind die in schein- baren Querschnitten gesehenen Faserzellen. Am deutlich- sten aber erkennt man die Lage der Media nach Behandlung mit Essigsäure, welche längliche Kerne in grosser Zahl her- vortreten lässt. Diese Schicht ist es, welche im Allgemeinen der Arterie ihre Besonderheit gibt, und welche sie am Wesentlichsten unterscheidet von den Venen. Freilich gibt es zahlreiche Ve- nen am Körper, die bedeutende Muskelschichten besitzen, z. B. die oberflächlichen Hautvenen, indess gerade bei den kleineren

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/122>, abgerufen am 25.04.2024.