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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Der Nabelstrang.
strang hindurchgeleitet werden, sind nicht nächste Nutritoren
der Nabelstrangsubstanz, wenigstens nicht in dem Sinne, wie
wir von Ernährungsgefässen an anderen Theilen sprechen.

Wenn man nämlich von nutritiven Gefässen handelt, so
meint man stets Gefässe, welche in den Theilen, die ernährt
werden sollen, Capillaren haben. Die Aorta thoracica ist nicht
das nutritive Gefäss des Thorax, eben so wenig als die Aorta
abdominalis das für die Bauchorgane. Man sollte also, wenn
es sich um den Nabelstrang handelt, erwarten, dass ausser
den beiden Nabel-Arterien und der Nabelvene noch Nabel-
Capillaren existiren. Allein die Nabel-Arterien und die Nabel-
Vene verlaufen, ohne auch nur das Mindeste von kleinen Ge-
fässen abzugeben, bis zur Placenta hin; erst hier beginnen die
Verästelungen. Die einzigen capillaren Gefässe, die überhaupt
in dem Nabelstrange eines etwas entwickelten Kindes gefun-
den werden, reichen nur etwa 4--5 Linien, selten ein wenig
mehr von der Bauchhaut aus in denjenigen Theil des Nabel-
stranges hinein, welcher nach der Geburt persistirt. Je nach-
dem dieser gefässhaltige Theil höher heraufreicht, um so stär-
ker kann sich der Nabel entwickeln. Bei sehr niedriger Ge-
fässschicht wird der Nabel sehr tief, bei sehr grosser gibt es

[Abbildung] Fig. 40.
die prominirenden Nabel. Die
Capillaren bezeichnen hier die
Grenze, bis zu welcher das per-
manente Gewebe reicht; die Por-
tio caduca des Nabelstranges hat
keine eigenen Gefässe mehr.

Dies Verhältniss, welches ich
für die Theorie der Ernährung
sehr wichtig halte, übersieht man
sehr leicht mit blossem Auge an
injicirten Früchten vom 5. Monate
und an Neugebornen. Die ge-
fässhaltige Schicht setzt sich meist
fast geradlinig ab.

[Abbildung] Fig. 40.

Das abdominale Ende des Nabelstranges eines fast ausge-
tragenen Kindes, injicirt. A die Bauchwand. B der persistirende Theil
mit dichter Gefäss-Injection am Rande. C Portio caduca mit den Win-
dungen der Nabelgefässe. v die Capillargrenze.

Der Nabelstrang.
strang hindurchgeleitet werden, sind nicht nächste Nutritoren
der Nabelstrangsubstanz, wenigstens nicht in dem Sinne, wie
wir von Ernährungsgefässen an anderen Theilen sprechen.

Wenn man nämlich von nutritiven Gefässen handelt, so
meint man stets Gefässe, welche in den Theilen, die ernährt
werden sollen, Capillaren haben. Die Aorta thoracica ist nicht
das nutritive Gefäss des Thorax, eben so wenig als die Aorta
abdominalis das für die Bauchorgane. Man sollte also, wenn
es sich um den Nabelstrang handelt, erwarten, dass ausser
den beiden Nabel-Arterien und der Nabelvene noch Nabel-
Capillaren existiren. Allein die Nabel-Arterien und die Nabel-
Vene verlaufen, ohne auch nur das Mindeste von kleinen Ge-
fässen abzugeben, bis zur Placenta hin; erst hier beginnen die
Verästelungen. Die einzigen capillaren Gefässe, die überhaupt
in dem Nabelstrange eines etwas entwickelten Kindes gefun-
den werden, reichen nur etwa 4—5 Linien, selten ein wenig
mehr von der Bauchhaut aus in denjenigen Theil des Nabel-
stranges hinein, welcher nach der Geburt persistirt. Je nach-
dem dieser gefässhaltige Theil höher heraufreicht, um so stär-
ker kann sich der Nabel entwickeln. Bei sehr niedriger Ge-
fässschicht wird der Nabel sehr tief, bei sehr grosser gibt es

[Abbildung] Fig. 40.
die prominirenden Nabel. Die
Capillaren bezeichnen hier die
Grenze, bis zu welcher das per-
manente Gewebe reicht; die Por-
tio caduca des Nabelstranges hat
keine eigenen Gefässe mehr.

Dies Verhältniss, welches ich
für die Theorie der Ernährung
sehr wichtig halte, übersieht man
sehr leicht mit blossem Auge an
injicirten Früchten vom 5. Monate
und an Neugebornen. Die ge-
fässhaltige Schicht setzt sich meist
fast geradlinig ab.

[Abbildung] Fig. 40.

Das abdominale Ende des Nabelstranges eines fast ausge-
tragenen Kindes, injicirt. A die Bauchwand. B der persistirende Theil
mit dichter Gefäss-Injection am Rande. C Portio caduca mit den Win-
dungen der Nabelgefässe. v die Capillargrenze.

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[87/0109] Der Nabelstrang. strang hindurchgeleitet werden, sind nicht nächste Nutritoren der Nabelstrangsubstanz, wenigstens nicht in dem Sinne, wie wir von Ernährungsgefässen an anderen Theilen sprechen. Wenn man nämlich von nutritiven Gefässen handelt, so meint man stets Gefässe, welche in den Theilen, die ernährt werden sollen, Capillaren haben. Die Aorta thoracica ist nicht das nutritive Gefäss des Thorax, eben so wenig als die Aorta abdominalis das für die Bauchorgane. Man sollte also, wenn es sich um den Nabelstrang handelt, erwarten, dass ausser den beiden Nabel-Arterien und der Nabelvene noch Nabel- Capillaren existiren. Allein die Nabel-Arterien und die Nabel- Vene verlaufen, ohne auch nur das Mindeste von kleinen Ge- fässen abzugeben, bis zur Placenta hin; erst hier beginnen die Verästelungen. Die einzigen capillaren Gefässe, die überhaupt in dem Nabelstrange eines etwas entwickelten Kindes gefun- den werden, reichen nur etwa 4—5 Linien, selten ein wenig mehr von der Bauchhaut aus in denjenigen Theil des Nabel- stranges hinein, welcher nach der Geburt persistirt. Je nach- dem dieser gefässhaltige Theil höher heraufreicht, um so stär- ker kann sich der Nabel entwickeln. Bei sehr niedriger Ge- fässschicht wird der Nabel sehr tief, bei sehr grosser gibt es [Abbildung Fig. 40.] die prominirenden Nabel. Die Capillaren bezeichnen hier die Grenze, bis zu welcher das per- manente Gewebe reicht; die Por- tio caduca des Nabelstranges hat keine eigenen Gefässe mehr. Dies Verhältniss, welches ich für die Theorie der Ernährung sehr wichtig halte, übersieht man sehr leicht mit blossem Auge an injicirten Früchten vom 5. Monate und an Neugebornen. Die ge- fässhaltige Schicht setzt sich meist fast geradlinig ab. [Abbildung Fig. 40. Das abdominale Ende des Nabelstranges eines fast ausge- tragenen Kindes, injicirt. A die Bauchwand. B der persistirende Theil mit dichter Gefäss-Injection am Rande. C Portio caduca mit den Win- dungen der Nabelgefässe. v die Capillargrenze. ]

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/109>, abgerufen am 24.04.2024.