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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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gerne die Nation geschont wissen. Weil es klug und heilsam
von uns wäre; und gerecht hauptsächlich: es gingen Andere
als sie selbst vorwärts, und sie war nicht die einzig bezwun-
gene. Wir Deutschen müssen uns nur mit dem ächtesten
Schmuck schmücken; das ist Gerechtigkeit, Mäßigung, Recht-
lichkeit und Gesetzmäßigkeit. Welches letztere ich, Gott sei
ewig gelobt, auch allenthalben zu meines Herzens Stärkung
wahrnehme! Feure nah und ferne, wie du nur kannst, zu die-
ser stärkenden alleinheilbringenden Ordnungsmäßigkeit und
Rechtsanerkennung und Übung an! Ich bin ein Nichts: und
Kraft und Stimme spar' ich dazu keinen Tag, bei keinem
Menschen, bei keiner Gelegenheit; wenn ein jeder so thut und
wirkt, so werden Alle besser; und daß dies geschehe, dazu sei
unser langes Elend, und unser herbes Streiten uns gut! daß
wir nicht nur ein starkes, derbes, sondern auch ein gutes gott-
gefälliges Mustervolk werden! Mich dünkt bei den Deutschen
zu bemerken, daß ihnen das Irren und sich Aufblasen nicht
ganz natürlich und bequem ist; sie haben nur Grazie in der
strengen Ausübung von dem, was sie für wahr und recht er-
kennen; so hab' ich bemerkt, daß man die heterogenst Gesinn-
ten -- wenn nicht nichtswürdige Absichten sie leiten, das
Gift, zur Menschensünde auf der ganzen Erde ausgestreut,
-- mit wohlgemeinter, redlich ausgedachter Wahrheit bald
überzeugt. So konnt' ich gestern gleich zum erstenmale den
Professor Z., der gewiß ganz andere Gedankensphären durch-
geht und gegangen ist, als ich, zu diesen meinen dir bekannten
Meinungen bald überführen; und auf eine sehr naive, nicht
mich lobende Art gab er mir dies zu erkennen. Minna S.

gerne die Nation geſchont wiſſen. Weil es klug und heilſam
von uns wäre; und gerecht hauptſächlich: es gingen Andere
als ſie ſelbſt vorwärts, und ſie war nicht die einzig bezwun-
gene. Wir Deutſchen müſſen uns nur mit dem ächteſten
Schmuck ſchmücken; das iſt Gerechtigkeit, Mäßigung, Recht-
lichkeit und Geſetzmäßigkeit. Welches letztere ich, Gott ſei
ewig gelobt, auch allenthalben zu meines Herzens Stärkung
wahrnehme! Feure nah und ferne, wie du nur kannſt, zu die-
ſer ſtärkenden alleinheilbringenden Ordnungsmäßigkeit und
Rechtsanerkennung und Übung an! Ich bin ein Nichts: und
Kraft und Stimme ſpar’ ich dazu keinen Tag, bei keinem
Menſchen, bei keiner Gelegenheit; wenn ein jeder ſo thut und
wirkt, ſo werden Alle beſſer; und daß dies geſchehe, dazu ſei
unſer langes Elend, und unſer herbes Streiten uns gut! daß
wir nicht nur ein ſtarkes, derbes, ſondern auch ein gutes gott-
gefälliges Muſtervolk werden! Mich dünkt bei den Deutſchen
zu bemerken, daß ihnen das Irren und ſich Aufblaſen nicht
ganz natürlich und bequem iſt; ſie haben nur Grazie in der
ſtrengen Ausübung von dem, was ſie für wahr und recht er-
kennen; ſo hab’ ich bemerkt, daß man die heterogenſt Geſinn-
ten — wenn nicht nichtswürdige Abſichten ſie leiten, das
Gift, zur Menſchenſünde auf der ganzen Erde ausgeſtreut,
— mit wohlgemeinter, redlich ausgedachter Wahrheit bald
überzeugt. So konnt’ ich geſtern gleich zum erſtenmale den
Profeſſor Z., der gewiß ganz andere Gedankenſphären durch-
geht und gegangen iſt, als ich, zu dieſen meinen dir bekannten
Meinungen bald überführen; und auf eine ſehr naive, nicht
mich lobende Art gab er mir dies zu erkennen. Minna S.

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[86/0094] gerne die Nation geſchont wiſſen. Weil es klug und heilſam von uns wäre; und gerecht hauptſächlich: es gingen Andere als ſie ſelbſt vorwärts, und ſie war nicht die einzig bezwun- gene. Wir Deutſchen müſſen uns nur mit dem ächteſten Schmuck ſchmücken; das iſt Gerechtigkeit, Mäßigung, Recht- lichkeit und Geſetzmäßigkeit. Welches letztere ich, Gott ſei ewig gelobt, auch allenthalben zu meines Herzens Stärkung wahrnehme! Feure nah und ferne, wie du nur kannſt, zu die- ſer ſtärkenden alleinheilbringenden Ordnungsmäßigkeit und Rechtsanerkennung und Übung an! Ich bin ein Nichts: und Kraft und Stimme ſpar’ ich dazu keinen Tag, bei keinem Menſchen, bei keiner Gelegenheit; wenn ein jeder ſo thut und wirkt, ſo werden Alle beſſer; und daß dies geſchehe, dazu ſei unſer langes Elend, und unſer herbes Streiten uns gut! daß wir nicht nur ein ſtarkes, derbes, ſondern auch ein gutes gott- gefälliges Muſtervolk werden! Mich dünkt bei den Deutſchen zu bemerken, daß ihnen das Irren und ſich Aufblaſen nicht ganz natürlich und bequem iſt; ſie haben nur Grazie in der ſtrengen Ausübung von dem, was ſie für wahr und recht er- kennen; ſo hab’ ich bemerkt, daß man die heterogenſt Geſinn- ten — wenn nicht nichtswürdige Abſichten ſie leiten, das Gift, zur Menſchenſünde auf der ganzen Erde ausgeſtreut, — mit wohlgemeinter, redlich ausgedachter Wahrheit bald überzeugt. So konnt’ ich geſtern gleich zum erſtenmale den Profeſſor Z., der gewiß ganz andere Gedankenſphären durch- geht und gegangen iſt, als ich, zu dieſen meinen dir bekannten Meinungen bald überführen; und auf eine ſehr naive, nicht mich lobende Art gab er mir dies zu erkennen. Minna S.

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/94>, abgerufen am 28.03.2024.