Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Segen, und wunderbar; denn wahr ist dies. Adieu, Ant-
wort! Und wenn Sie krank sind, will ich's wissen: die Frau
sagte Sie unpaß; das paßt mir zu allen Stimmungen, die
durch Ihren Brief gehen. Ich sehe heute noch die Mutine.

R. R.


An Frau von Grotthuß, in Dresden.


Dein Brief war einer der schönsten: nämlich auch von
deinen! so reif, daß er süß war; so fertig, so sanft; und so
alles und das Beste voraussetzend! Lange hat mir nichts
so gefallen, mich nichts so gefreut! -- Lies auch Fernow's
Leben von Mad. Schopenhauer, gegen die ich unbekannter-
weise ein Vorurtheil hatte: die ich aber in dem Buche ein-
fach, wahrhaft, ohne alle Prahlerei genügend, und durchaus
für eine kunstfertige, bis zur höchsten glattesten Einfachheit
gesteigerte Schreiberin erkenne. Je m'ineline profondement, et
avec le plus grand plaisir!
Weißt du nichts von Goethe?
Marwitz ist in Potsdam. Grüß du den Mahler Friedrich von
mir; ich war im vorigen Herbst mit Marwitz bei ihm. Unser
Theater existirt nicht für mich. Siboni hat mich nicht be-
zaubert. Er singt nach verschiedenen Manieren, und keiner
Schule; ohne Leidenschaft, noch irgend eine Stimmung oder
Tiefe. Kurz, er und seines Gleichen sind von und für's Pu-
blikum Gemachte; kein Arbeiten der Natur bei ihrer Geburt;
keine ernste Muse, kein Lächelblick irgend einer Grazie! --


Segen, und wunderbar; denn wahr iſt dies. Adieu, Ant-
wort! Und wenn Sie krank ſind, will ich’s wiſſen: die Frau
ſagte Sie unpaß; das paßt mir zu allen Stimmungen, die
durch Ihren Brief gehen. Ich ſehe heute noch die Mutine.

R. R.


An Frau von Grotthuß, in Dresden.


Dein Brief war einer der ſchönſten: nämlich auch von
deinen! ſo reif, daß er ſüß war; ſo fertig, ſo ſanft; und ſo
alles und das Beſte vorausſetzend! Lange hat mir nichts
ſo gefallen, mich nichts ſo gefreut! — Lies auch Fernow’s
Leben von Mad. Schopenhauer, gegen die ich unbekannter-
weiſe ein Vorurtheil hatte: die ich aber in dem Buche ein-
fach, wahrhaft, ohne alle Prahlerei genügend, und durchaus
für eine kunſtfertige, bis zur höchſten glatteſten Einfachheit
geſteigerte Schreiberin erkenne. Je m’ineline profondément, et
avec le plus grand plaisir!
Weißt du nichts von Goethe?
Marwitz iſt in Potsdam. Grüß du den Mahler Friedrich von
mir; ich war im vorigen Herbſt mit Marwitz bei ihm. Unſer
Theater exiſtirt nicht für mich. Siboni hat mich nicht be-
zaubert. Er ſingt nach verſchiedenen Manieren, und keiner
Schule; ohne Leidenſchaft, noch irgend eine Stimmung oder
Tiefe. Kurz, er und ſeines Gleichen ſind von und für’s Pu-
blikum Gemachte; kein Arbeiten der Natur bei ihrer Geburt;
keine ernſte Muſe, kein Lächelblick irgend einer Grazie! —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0067" n="59"/>
Segen, und wunderbar; denn <hi rendition="#g">wahr i&#x017F;t dies</hi>. Adieu, Ant-<lb/>
wort! Und wenn Sie krank &#x017F;ind, will ich&#x2019;s wi&#x017F;&#x017F;en: die Frau<lb/>
&#x017F;agte Sie unpaß; das paßt mir zu allen Stimmungen, die<lb/>
durch Ihren Brief gehen. Ich &#x017F;ehe heute noch die Mutine.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">R. R.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Frau von Grotthuß, in Dresden.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Berlin, im Augu&#x017F;t 1812.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Dein Brief war einer der &#x017F;chön&#x017F;ten: nämlich auch von<lb/>
deinen! &#x017F;o reif, daß er &#x017F;üß war; &#x017F;o fertig, &#x017F;o &#x017F;anft; und &#x017F;o<lb/><hi rendition="#g">alles</hi> und das Be&#x017F;te voraus&#x017F;etzend! Lange hat mir nichts<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> gefallen, mich nichts &#x017F;o gefreut! &#x2014; Lies auch Fernow&#x2019;s<lb/>
Leben von Mad. Schopenhauer, gegen die ich unbekannter-<lb/>
wei&#x017F;e ein Vorurtheil hatte: die ich aber in dem Buche ein-<lb/>
fach, wahrhaft, ohne <hi rendition="#g">alle</hi> Prahlerei genügend, und durchaus<lb/>
für eine kun&#x017F;tfertige, bis zur höch&#x017F;ten glatte&#x017F;ten Einfachheit<lb/>
ge&#x017F;teigerte Schreiberin erkenne. <hi rendition="#aq">Je m&#x2019;ineline profondément, et<lb/>
avec le plus grand plaisir!</hi> Weißt du nichts von Goethe?<lb/>
Marwitz i&#x017F;t in Potsdam. Grüß du den Mahler Friedrich von<lb/>
mir; ich war im vorigen Herb&#x017F;t mit Marwitz bei ihm. Un&#x017F;er<lb/>
Theater <hi rendition="#g">exi&#x017F;tirt</hi> nicht für mich. Siboni hat <hi rendition="#g">mich</hi> nicht be-<lb/>
zaubert. Er &#x017F;ingt nach ver&#x017F;chiedenen Manieren, und keiner<lb/>
Schule; ohne Leiden&#x017F;chaft, noch irgend eine Stimmung oder<lb/>
Tiefe. Kurz, er und &#x017F;eines Gleichen &#x017F;ind von und für&#x2019;s Pu-<lb/>
blikum Gemachte; kein Arbeiten der Natur bei ihrer Geburt;<lb/>
keine ern&#x017F;te Mu&#x017F;e, kein Lächelblick irgend einer Grazie! &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] Segen, und wunderbar; denn wahr iſt dies. Adieu, Ant- wort! Und wenn Sie krank ſind, will ich’s wiſſen: die Frau ſagte Sie unpaß; das paßt mir zu allen Stimmungen, die durch Ihren Brief gehen. Ich ſehe heute noch die Mutine. R. R. An Frau von Grotthuß, in Dresden. Berlin, im Auguſt 1812. Dein Brief war einer der ſchönſten: nämlich auch von deinen! ſo reif, daß er ſüß war; ſo fertig, ſo ſanft; und ſo alles und das Beſte vorausſetzend! Lange hat mir nichts ſo gefallen, mich nichts ſo gefreut! — Lies auch Fernow’s Leben von Mad. Schopenhauer, gegen die ich unbekannter- weiſe ein Vorurtheil hatte: die ich aber in dem Buche ein- fach, wahrhaft, ohne alle Prahlerei genügend, und durchaus für eine kunſtfertige, bis zur höchſten glatteſten Einfachheit geſteigerte Schreiberin erkenne. Je m’ineline profondément, et avec le plus grand plaisir! Weißt du nichts von Goethe? Marwitz iſt in Potsdam. Grüß du den Mahler Friedrich von mir; ich war im vorigen Herbſt mit Marwitz bei ihm. Unſer Theater exiſtirt nicht für mich. Siboni hat mich nicht be- zaubert. Er ſingt nach verſchiedenen Manieren, und keiner Schule; ohne Leidenſchaft, noch irgend eine Stimmung oder Tiefe. Kurz, er und ſeines Gleichen ſind von und für’s Pu- blikum Gemachte; kein Arbeiten der Natur bei ihrer Geburt; keine ernſte Muſe, kein Lächelblick irgend einer Grazie! —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/67
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/67>, abgerufen am 20.04.2024.