Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

gültig sein, ob unser Kapital immer kleiner wird: besonders
da ich noch habe Privatschulden machen müssen, die ich Mo-
ritz in jedem Fall entrichten muß und will. Es wird doch
Einmal zur Sprache kommen; wie viel Louis und mir bleibt;
und was wir dann verzehren können. Es kann euch Beide
nicht so interessiren: weil ihr euch ein anderweitiges Kapital
verdient habt, und mit dem nun wieder verdient. Mir aber
in meinem Zustand und Alter muß es wichtig sein: besonders
auch noch dadurch, daß diese garstige Lage noch das mit sich
führt, daß sie mir für mein bloßes Lebenkönnen -- welches
ich sonst gesichert halten konnte -- Dankverbindlichkeiten auf-
legt; die nur bei der höchsten Zustimmung der Gesinnungen
ihr Unangenehmes ganz verlieren: und bei großer Sicherheit
des Karakters -- die ich habe, und leiste; weil ein Wort ein
Heiligthum bei mir ist: und dies meine Denkungsart modelt;
und nicht diese etwa in ihren Veränderungen das Wort, --
und Liebe, die aus Billigung stammt. Du wirst mir meine
Fragen also nicht verdenken, sondern sie mir beantworten;
wie ich dir für die erst gegebene Nachricht danke! Sei auch
so gut, mir zu sagen, wie viel Geld du für die tausend Gul-
den gezahlt hast, die ich hier entnommen habe. Damit ich
weiß, wie viel Geld ich gebraucht habe. Man bekömmt hier
durchaus -- und in manchem weniger, nicht mehr -- für
solchen Gulden einen Werth von acht Groschen Kourant, in
allen Dingen. Ich muß mich einrichten. --

Noch muß ich hier wie ein Narre sitzen, und den Sommer
verfließen lassen. -- Nach Töplitz gehe ich nicht allein: dort
sind Vieh und Menschen so schlecht begraben, daß Krankhei-

gültig ſein, ob unſer Kapital immer kleiner wird: beſonders
da ich noch habe Privatſchulden machen müſſen, die ich Mo-
ritz in jedem Fall entrichten muß und will. Es wird doch
Einmal zur Sprache kommen; wie viel Louis und mir bleibt;
und was wir dann verzehren können. Es kann euch Beide
nicht ſo intereſſiren: weil ihr euch ein anderweitiges Kapital
verdient habt, und mit dem nun wieder verdient. Mir aber
in meinem Zuſtand und Alter muß es wichtig ſein: beſonders
auch noch dadurch, daß dieſe garſtige Lage noch das mit ſich
führt, daß ſie mir für mein bloßes Lebenkönnen — welches
ich ſonſt geſichert halten konnte — Dankverbindlichkeiten auf-
legt; die nur bei der höchſten Zuſtimmung der Geſinnungen
ihr Unangenehmes ganz verlieren: und bei großer Sicherheit
des Karakters — die ich habe, und leiſte; weil ein Wort ein
Heiligthum bei mir iſt: und dies meine Denkungsart modelt;
und nicht dieſe etwa in ihren Veränderungen das Wort, —
und Liebe, die aus Billigung ſtammt. Du wirſt mir meine
Fragen alſo nicht verdenken, ſondern ſie mir beantworten;
wie ich dir für die erſt gegebene Nachricht danke! Sei auch
ſo gut, mir zu ſagen, wie viel Geld du für die tauſend Gul-
den gezahlt haſt, die ich hier entnommen habe. Damit ich
weiß, wie viel Geld ich gebraucht habe. Man bekömmt hier
durchaus — und in manchem weniger, nicht mehr — für
ſolchen Gulden einen Werth von acht Groſchen Kourant, in
allen Dingen. Ich muß mich einrichten. —

Noch muß ich hier wie ein Narre ſitzen, und den Sommer
verfließen laſſen. — Nach Töplitz gehe ich nicht allein: dort
ſind Vieh und Menſchen ſo ſchlecht begraben, daß Krankhei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0228" n="220"/>
gültig &#x017F;ein, ob un&#x017F;er Kapital immer kleiner wird: be&#x017F;onders<lb/>
da ich noch habe Privat&#x017F;chulden machen mü&#x017F;&#x017F;en, die ich Mo-<lb/>
ritz in jedem Fall entrichten muß und will. Es wird doch<lb/>
Einmal zur Sprache kommen; wie viel Louis und mir bleibt;<lb/>
und was wir dann verzehren können. Es <hi rendition="#g">kann</hi> euch Beide<lb/>
nicht &#x017F;o intere&#x017F;&#x017F;iren: weil ihr euch ein anderweitiges Kapital<lb/>
verdient habt, und mit dem nun wieder verdient. Mir aber<lb/>
in meinem Zu&#x017F;tand und Alter muß es wichtig &#x017F;ein: be&#x017F;onders<lb/>
auch noch dadurch, daß die&#x017F;e gar&#x017F;tige Lage noch das mit &#x017F;ich<lb/>
führt, daß &#x017F;ie mir für mein bloßes Lebenkönnen &#x2014; welches<lb/>
ich &#x017F;on&#x017F;t ge&#x017F;ichert halten konnte &#x2014; Dankverbindlichkeiten auf-<lb/>
legt; die nur bei der höch&#x017F;ten Zu&#x017F;timmung der Ge&#x017F;innungen<lb/>
ihr Unangenehmes ganz verlieren: und bei großer Sicherheit<lb/>
des Karakters &#x2014; die ich habe, und lei&#x017F;te; weil ein Wort ein<lb/>
Heiligthum bei mir i&#x017F;t: und dies meine Denkungsart modelt;<lb/>
und nicht die&#x017F;e etwa in ihren Veränderungen das Wort, &#x2014;<lb/>
und Liebe, die aus Billigung &#x017F;tammt. Du wir&#x017F;t mir meine<lb/>
Fragen al&#x017F;o nicht verdenken, &#x017F;ondern &#x017F;ie mir beantworten;<lb/>
wie ich dir für die er&#x017F;t gegebene Nachricht danke! Sei auch<lb/>
&#x017F;o gut, mir zu &#x017F;agen, wie viel Geld du für die tau&#x017F;end Gul-<lb/>
den gezahlt ha&#x017F;t, die ich hier entnommen habe. Damit ich<lb/>
weiß, wie viel <hi rendition="#g">Geld</hi> ich gebraucht habe. Man bekömmt hier<lb/>
durc<hi rendition="#g">haus</hi> &#x2014; und in manchem weniger, nicht mehr &#x2014; für<lb/>
&#x017F;olchen Gulden einen Werth von acht Gro&#x017F;chen Kourant, in<lb/>
allen Dingen. Ich muß mich einrichten. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Noch muß ich hier wie ein Narre &#x017F;itzen, und den Sommer<lb/>
verfließen la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Nach Töplitz gehe ich nicht allein: dort<lb/>
&#x017F;ind Vieh und Men&#x017F;chen <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> &#x017F;chlecht begraben, daß Krankhei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0228] gültig ſein, ob unſer Kapital immer kleiner wird: beſonders da ich noch habe Privatſchulden machen müſſen, die ich Mo- ritz in jedem Fall entrichten muß und will. Es wird doch Einmal zur Sprache kommen; wie viel Louis und mir bleibt; und was wir dann verzehren können. Es kann euch Beide nicht ſo intereſſiren: weil ihr euch ein anderweitiges Kapital verdient habt, und mit dem nun wieder verdient. Mir aber in meinem Zuſtand und Alter muß es wichtig ſein: beſonders auch noch dadurch, daß dieſe garſtige Lage noch das mit ſich führt, daß ſie mir für mein bloßes Lebenkönnen — welches ich ſonſt geſichert halten konnte — Dankverbindlichkeiten auf- legt; die nur bei der höchſten Zuſtimmung der Geſinnungen ihr Unangenehmes ganz verlieren: und bei großer Sicherheit des Karakters — die ich habe, und leiſte; weil ein Wort ein Heiligthum bei mir iſt: und dies meine Denkungsart modelt; und nicht dieſe etwa in ihren Veränderungen das Wort, — und Liebe, die aus Billigung ſtammt. Du wirſt mir meine Fragen alſo nicht verdenken, ſondern ſie mir beantworten; wie ich dir für die erſt gegebene Nachricht danke! Sei auch ſo gut, mir zu ſagen, wie viel Geld du für die tauſend Gul- den gezahlt haſt, die ich hier entnommen habe. Damit ich weiß, wie viel Geld ich gebraucht habe. Man bekömmt hier durchaus — und in manchem weniger, nicht mehr — für ſolchen Gulden einen Werth von acht Groſchen Kourant, in allen Dingen. Ich muß mich einrichten. — Noch muß ich hier wie ein Narre ſitzen, und den Sommer verfließen laſſen. — Nach Töplitz gehe ich nicht allein: dort ſind Vieh und Menſchen ſo ſchlecht begraben, daß Krankhei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/228
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/228>, abgerufen am 28.03.2024.