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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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Würtemberg und Fürst Schwarzenberg in Paris find. Das ist
für Jena, und weil Napoleon aus unsern Schloßfenstern sah;
ich zittre und weine; ehr ruhte er nicht, bis man in Blut
hinwatete!) glaube, der Mensch besteht nur aus Affekten: und
dreist kann ich euch Allen die Frage machen: kennt ihr mich
nur für mich bewegt, besorgt und thätig? Wem von euch sein
Interesse geht mir nicht durch und durch in's Herz? Hans!
zittre und weine ich nicht so heftig, als für mich, wenn du
mir einen Unfall von dir mittheilst? beweintet ihr heftiger
Paulinchen als ich? Knie und bet' und schrei' ich nicht zu
Gott, wenn ihr krank seid, als wenn ich's selbst bin? Pflegt'
ich euch nicht Alle, seit meinem neunten Jahr! Robert zu
Einem Jahr! Theil' ich euch nicht alles mit? Ruhe ich
ehr, eh ihr Intellektuelles, Angenehmes, Geselliges, alles habt,
was ich nur erreichen konnte, hab' ich je ich, nicht immer
wir gesagt, und Gott weiß, wie ewig gedacht! Ich bin kein
stockiger Selbstler: ein freudiger, empfindlicher Lebensverbrei-
ter! Und viele Fehler müßt ihr, könnt ihr solchem Freund
zu Gute halten! Also freute mich euer letzter Brief unge-
mein
! heilte gleich das Herz mir, für Vergangenheit, Ge-
genwart, und für noch so furchtbare Zukunft. Weil er freund-
lich und gütig war!

Es ist ja prächtig, Hans, daß du dich doch diesen Win-
ter besser befindest! Aber von einer Badereise scheint ihr ab-
gekommen zu sein: darauf hoffte ich. Und euch irgendwo zu
treffen, obgleich ich noch nicht weiß, wo ich hin muß. Scheue
das Geld nicht, Ohme! Man hat es doch nachher nicht: und
leben und gesund leben, ist das Meiste. -- Der Kinder ihr

Würtemberg und Fürſt Schwarzenberg in Paris find. Das iſt
für Jena, und weil Napoleon aus unſern Schloßfenſtern ſah;
ich zittre und weine; ehr ruhte er nicht, bis man in Blut
hinwatete!) glaube, der Menſch beſteht nur aus Affekten: und
dreiſt kann ich euch Allen die Frage machen: kennt ihr mich
nur für mich bewegt, beſorgt und thätig? Wem von euch ſein
Intereſſe geht mir nicht durch und durch in’s Herz? Hans!
zittre und weine ich nicht ſo heftig, als für mich, wenn du
mir einen Unfall von dir mittheilſt? beweintet ihr heftiger
Paulinchen als ich? Knie und bet’ und ſchrei’ ich nicht zu
Gott, wenn ihr krank ſeid, als wenn ich’s ſelbſt bin? Pflegt’
ich euch nicht Alle, ſeit meinem neunten Jahr! Robert zu
Einem Jahr! Theil’ ich euch nicht alles mit? Ruhe ich
ehr, eh ihr Intellektuelles, Angenehmes, Geſelliges, alles habt,
was ich nur erreichen konnte, hab’ ich je ich, nicht immer
wir geſagt, und Gott weiß, wie ewig gedacht! Ich bin kein
ſtockiger Selbſtler: ein freudiger, empfindlicher Lebensverbrei-
ter! Und viele Fehler müßt ihr, könnt ihr ſolchem Freund
zu Gute halten! Alſo freute mich euer letzter Brief unge-
mein
! heilte gleich das Herz mir, für Vergangenheit, Ge-
genwart, und für noch ſo furchtbare Zukunft. Weil er freund-
lich und gütig war!

Es iſt ja prächtig, Hans, daß du dich doch dieſen Win-
ter beſſer befindeſt! Aber von einer Badereiſe ſcheint ihr ab-
gekommen zu ſein: darauf hoffte ich. Und euch irgendwo zu
treffen, obgleich ich noch nicht weiß, wo ich hin muß. Scheue
das Geld nicht, Ohme! Man hat es doch nachher nicht: und
leben und geſund leben, iſt das Meiſte. — Der Kinder ihr

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[194/0202] Würtemberg und Fürſt Schwarzenberg in Paris find. Das iſt für Jena, und weil Napoleon aus unſern Schloßfenſtern ſah; ich zittre und weine; ehr ruhte er nicht, bis man in Blut hinwatete!) glaube, der Menſch beſteht nur aus Affekten: und dreiſt kann ich euch Allen die Frage machen: kennt ihr mich nur für mich bewegt, beſorgt und thätig? Wem von euch ſein Intereſſe geht mir nicht durch und durch in’s Herz? Hans! zittre und weine ich nicht ſo heftig, als für mich, wenn du mir einen Unfall von dir mittheilſt? beweintet ihr heftiger Paulinchen als ich? Knie und bet’ und ſchrei’ ich nicht zu Gott, wenn ihr krank ſeid, als wenn ich’s ſelbſt bin? Pflegt’ ich euch nicht Alle, ſeit meinem neunten Jahr! Robert zu Einem Jahr! Theil’ ich euch nicht alles mit? Ruhe ich ehr, eh ihr Intellektuelles, Angenehmes, Geſelliges, alles habt, was ich nur erreichen konnte, hab’ ich je ich, nicht immer wir geſagt, und Gott weiß, wie ewig gedacht! Ich bin kein ſtockiger Selbſtler: ein freudiger, empfindlicher Lebensverbrei- ter! Und viele Fehler müßt ihr, könnt ihr ſolchem Freund zu Gute halten! Alſo freute mich euer letzter Brief unge- mein! heilte gleich das Herz mir, für Vergangenheit, Ge- genwart, und für noch ſo furchtbare Zukunft. Weil er freund- lich und gütig war! Es iſt ja prächtig, Hans, daß du dich doch dieſen Win- ter beſſer befindeſt! Aber von einer Badereiſe ſcheint ihr ab- gekommen zu ſein: darauf hoffte ich. Und euch irgendwo zu treffen, obgleich ich noch nicht weiß, wo ich hin muß. Scheue das Geld nicht, Ohme! Man hat es doch nachher nicht: und leben und geſund leben, iſt das Meiſte. — Der Kinder ihr

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/202>, abgerufen am 23.04.2024.