Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
An Joseph von Pilat, in Prag.


Wenn Sie Gentz schreiben, liebster Pilat, so sagen Sie
ihm doch in aller Rechtschaffenen Namen und mit allem or-
dentlichen Lobe den Dank, den er verdient. Das Manifest ist
eine Staatsschrift vom allerersten Rang: überhaupt ist gewiß
selten etwas mit solcher Klarheit des Bewußtseins und solcher
moralischen candeur geschrieben worden. Es ist eine Erschei-
nung, die in der Geschichte der diplomatischen Beredsamkeit
eben so sehr Epoche macht, als das darin dargestellte Verfah-
ren in der Geschichte der Diplomatie.

Wenn die Urheber noch einen Augenblick an der Wieder-
herstellung der Freiheit von Europa zweiflen, so wissen sie
nicht, was sie gethan und geschrieben haben. -- So hoch steht
über alle Begeistrung, allen Enthusiasmus, selbst über alles
Genie und Talent, -- die Gesinnung: und über alle Macht
und alle Fülle, -- die Ordnung und das Maß. Diese Gesin-
nung und dieses Maß ist aus den Ruinen einer halben Welt
hervorgegangen, und noch immer nicht wohlfeil erkauft: das
ist unser Sieg.

Ich bin nicht zum Loben aufgelegt, aber dies ist mir
zu stark. Und wie sind beiher die Stein's, die Arndt's be-
seitigt! --



An Joſeph von Pilat, in Prag.


Wenn Sie Gentz ſchreiben, liebſter Pilat, ſo ſagen Sie
ihm doch in aller Rechtſchaffenen Namen und mit allem or-
dentlichen Lobe den Dank, den er verdient. Das Manifeſt iſt
eine Staatsſchrift vom allererſten Rang: überhaupt iſt gewiß
ſelten etwas mit ſolcher Klarheit des Bewußtſeins und ſolcher
moraliſchen candeur geſchrieben worden. Es iſt eine Erſchei-
nung, die in der Geſchichte der diplomatiſchen Beredſamkeit
eben ſo ſehr Epoche macht, als das darin dargeſtellte Verfah-
ren in der Geſchichte der Diplomatie.

Wenn die Urheber noch einen Augenblick an der Wieder-
herſtellung der Freiheit von Europa zweiflen, ſo wiſſen ſie
nicht, was ſie gethan und geſchrieben haben. — So hoch ſteht
über alle Begeiſtrung, allen Enthuſiasmus, ſelbſt über alles
Genie und Talent, — die Geſinnung: und über alle Macht
und alle Fülle, — die Ordnung und das Maß. Dieſe Geſin-
nung und dieſes Maß iſt aus den Ruinen einer halben Welt
hervorgegangen, und noch immer nicht wohlfeil erkauft: das
iſt unſer Sieg.

Ich bin nicht zum Loben aufgelegt, aber dies iſt mir
zu ſtark. Und wie ſind beiher die Stein’s, die Arndt’s be-
ſeitigt! —



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0122" n="114"/>
        <div n="2">
          <head>An Jo&#x017F;eph von Pilat, in Prag.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Prag, den 19. Augu&#x017F;t 1813.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Wenn Sie Gentz &#x017F;chreiben, lieb&#x017F;ter Pilat, &#x017F;o &#x017F;agen Sie<lb/>
ihm doch in aller Recht&#x017F;chaffenen Namen und mit allem or-<lb/>
dentlichen Lobe den Dank, den er verdient. Das Manife&#x017F;t i&#x017F;t<lb/>
eine Staats&#x017F;chrift vom allerer&#x017F;ten Rang: überhaupt i&#x017F;t gewiß<lb/>
&#x017F;elten etwas mit &#x017F;olcher Klarheit des Bewußt&#x017F;eins und &#x017F;olcher<lb/>
morali&#x017F;chen <hi rendition="#aq">candeur</hi> ge&#x017F;chrieben worden. Es i&#x017F;t eine Er&#x017F;chei-<lb/>
nung, die in der Ge&#x017F;chichte der diplomati&#x017F;chen Bered&#x017F;amkeit<lb/>
eben &#x017F;o &#x017F;ehr Epoche macht, als das darin darge&#x017F;tellte Verfah-<lb/>
ren in der Ge&#x017F;chichte der Diplomatie.</p><lb/>
          <p>Wenn die Urheber noch einen Augenblick an der Wieder-<lb/>
her&#x017F;tellung der Freiheit von Europa zweiflen, &#x017F;o wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie<lb/>
nicht, was &#x017F;ie gethan und ge&#x017F;chrieben haben. &#x2014; So hoch &#x017F;teht<lb/>
über alle Begei&#x017F;trung, allen Enthu&#x017F;iasmus, &#x017F;elb&#x017F;t über alles<lb/>
Genie und Talent, &#x2014; die Ge&#x017F;innung: und über alle Macht<lb/>
und alle Fülle, &#x2014; die Ordnung und das Maß. Die&#x017F;e Ge&#x017F;in-<lb/>
nung und die&#x017F;es Maß i&#x017F;t aus den Ruinen einer halben Welt<lb/>
hervorgegangen, und noch immer <hi rendition="#g">nicht</hi> wohlfeil erkauft: das<lb/>
i&#x017F;t un&#x017F;er Sieg.</p><lb/>
          <p>Ich bin nicht zum Loben aufgelegt, aber dies i&#x017F;t mir<lb/>
zu &#x017F;tark. Und wie &#x017F;ind beiher die Stein&#x2019;s, die Arndt&#x2019;s be-<lb/>
&#x017F;eitigt! &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0122] An Joſeph von Pilat, in Prag. Prag, den 19. Auguſt 1813. Wenn Sie Gentz ſchreiben, liebſter Pilat, ſo ſagen Sie ihm doch in aller Rechtſchaffenen Namen und mit allem or- dentlichen Lobe den Dank, den er verdient. Das Manifeſt iſt eine Staatsſchrift vom allererſten Rang: überhaupt iſt gewiß ſelten etwas mit ſolcher Klarheit des Bewußtſeins und ſolcher moraliſchen candeur geſchrieben worden. Es iſt eine Erſchei- nung, die in der Geſchichte der diplomatiſchen Beredſamkeit eben ſo ſehr Epoche macht, als das darin dargeſtellte Verfah- ren in der Geſchichte der Diplomatie. Wenn die Urheber noch einen Augenblick an der Wieder- herſtellung der Freiheit von Europa zweiflen, ſo wiſſen ſie nicht, was ſie gethan und geſchrieben haben. — So hoch ſteht über alle Begeiſtrung, allen Enthuſiasmus, ſelbſt über alles Genie und Talent, — die Geſinnung: und über alle Macht und alle Fülle, — die Ordnung und das Maß. Dieſe Geſin- nung und dieſes Maß iſt aus den Ruinen einer halben Welt hervorgegangen, und noch immer nicht wohlfeil erkauft: das iſt unſer Sieg. Ich bin nicht zum Loben aufgelegt, aber dies iſt mir zu ſtark. Und wie ſind beiher die Stein’s, die Arndt’s be- ſeitigt! —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/122
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/122>, abgerufen am 28.03.2024.