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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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Mein Großvater studirte gleich wieder auf einer
protestantischen Universität, zu Leyden in Holland;
machte dann große Reisen, besuchte Rußland und
Oesterreich, und wollte Wien zu seinem Wohnort er¬
wählen, wo aber seine Niederlassung durch ausgebro¬
chene Verdrießlichkeiten mit dem berühmten und ein¬
flußreichen Arzte van Swieten gestört wurde. Er kam
darauf nach Düsseldorf, wurde kurpfälzischer Rath da¬
selbst, und nahm, ungewöhnlich in der Familie, eine
Frau aus weiter Fremde, die Tochter eines Kaufmanns
aus St. Petersburg. Das gute Ansehen, in welchem
er bei Stadt und Regierung gestanden, verschafften
seiner Wittwe nach seinem frühzeitigen Ableben die
nicht unbedeutende Hofstelle einer Oberkammerfrau
(Garde des Dames) bei der Gemahlin des Kurfürsten
Karl Theodor von der Pfalz, dessen Hof in Mannheim
durch Kunstbildung und Glanz sich vor vielen aus¬
zeichnete.

Mein Vater genoß zwar auch zuerst bei den Jesuiten
den gewöhnlichen Schulunterricht, doch ohne daß ihre
Leitung und Gesinnung ihn einnehmen konnten, er
studirte dann, dem Beispiele der Vorältern folgend,
die Arzneiwissenschaft, erst in Heidelberg, darauf in
Straßburg und Paris, heirathete, nicht ohne Bedenken
seiner sehr katholischen Mutter, eine Protestantin, aus
Straßburg, mit der er sich schon während der Univer¬
sitätsjahre verlobt hatte, und ließ sich in Düsseldorf

Mein Großvater ſtudirte gleich wieder auf einer
proteſtantiſchen Univerſitaͤt, zu Leyden in Holland;
machte dann große Reiſen, beſuchte Rußland und
Oeſterreich, und wollte Wien zu ſeinem Wohnort er¬
waͤhlen, wo aber ſeine Niederlaſſung durch ausgebro¬
chene Verdrießlichkeiten mit dem beruͤhmten und ein¬
flußreichen Arzte van Swieten geſtoͤrt wurde. Er kam
darauf nach Duͤſſeldorf, wurde kurpfaͤlziſcher Rath da¬
ſelbſt, und nahm, ungewoͤhnlich in der Familie, eine
Frau aus weiter Fremde, die Tochter eines Kaufmanns
aus St. Petersburg. Das gute Anſehen, in welchem
er bei Stadt und Regierung geſtanden, verſchafften
ſeiner Wittwe nach ſeinem fruͤhzeitigen Ableben die
nicht unbedeutende Hofſtelle einer Oberkammerfrau
(Garde des Dames) bei der Gemahlin des Kurfuͤrſten
Karl Theodor von der Pfalz, deſſen Hof in Mannheim
durch Kunſtbildung und Glanz ſich vor vielen aus¬
zeichnete.

Mein Vater genoß zwar auch zuerſt bei den Jeſuiten
den gewoͤhnlichen Schulunterricht, doch ohne daß ihre
Leitung und Geſinnung ihn einnehmen konnten, er
ſtudirte dann, dem Beiſpiele der Voraͤltern folgend,
die Arzneiwiſſenſchaft, erſt in Heidelberg, darauf in
Straßburg und Paris, heirathete, nicht ohne Bedenken
ſeiner ſehr katholiſchen Mutter, eine Proteſtantin, aus
Straßburg, mit der er ſich ſchon waͤhrend der Univer¬
ſitaͤtsjahre verlobt hatte, und ließ ſich in Duͤſſeldorf

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[8/0022] Mein Großvater ſtudirte gleich wieder auf einer proteſtantiſchen Univerſitaͤt, zu Leyden in Holland; machte dann große Reiſen, beſuchte Rußland und Oeſterreich, und wollte Wien zu ſeinem Wohnort er¬ waͤhlen, wo aber ſeine Niederlaſſung durch ausgebro¬ chene Verdrießlichkeiten mit dem beruͤhmten und ein¬ flußreichen Arzte van Swieten geſtoͤrt wurde. Er kam darauf nach Duͤſſeldorf, wurde kurpfaͤlziſcher Rath da¬ ſelbſt, und nahm, ungewoͤhnlich in der Familie, eine Frau aus weiter Fremde, die Tochter eines Kaufmanns aus St. Petersburg. Das gute Anſehen, in welchem er bei Stadt und Regierung geſtanden, verſchafften ſeiner Wittwe nach ſeinem fruͤhzeitigen Ableben die nicht unbedeutende Hofſtelle einer Oberkammerfrau (Garde des Dames) bei der Gemahlin des Kurfuͤrſten Karl Theodor von der Pfalz, deſſen Hof in Mannheim durch Kunſtbildung und Glanz ſich vor vielen aus¬ zeichnete. Mein Vater genoß zwar auch zuerſt bei den Jeſuiten den gewoͤhnlichen Schulunterricht, doch ohne daß ihre Leitung und Geſinnung ihn einnehmen konnten, er ſtudirte dann, dem Beiſpiele der Voraͤltern folgend, die Arzneiwiſſenſchaft, erſt in Heidelberg, darauf in Straßburg und Paris, heirathete, nicht ohne Bedenken ſeiner ſehr katholiſchen Mutter, eine Proteſtantin, aus Straßburg, mit der er ſich ſchon waͤhrend der Univer¬ ſitaͤtsjahre verlobt hatte, und ließ ſich in Duͤſſeldorf

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/22>, abgerufen am 29.03.2024.