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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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Vorrede.
Sachen darf man sich nicht Hofnung
machen, bey denen Nachkommen be-
ständig in guten Credit zu bleiben.
Man kan Beweise des physicalischen
Einflusses, des Occasionalismus, man
kan auch Beweise der vorherbestimm-
ten Harmonie schreiben. Man würde
aber den Nahmen eines Gelehrten
nicht mit Recht verdienen, wenn man
sich überreden wolte, nicht wiederleget
werden zu können. Es scheinet, als
ob sich die Einsichten der Menschen
mit denen Jahrhunderten veränder-
ten: und wenn man dieses gewiß wü-
ste, so thäte man nicht übel, wenn
man zu einem ieden neuen Beweise ei-
ner Meinung hinzusetzte, auf welches
Jahrhundert er eingerichtet wäre.
Doch diese Vorsicht wolte ich nicht ein-
mal einen ieden rathen. Da ietzo alle
Wissenschaften steigen, so könte es
auch wohl geschehen, daß man in der
Kunst zu wiederlegen eine grössere Fer-
tigkeit erhielte, und auf diese Weise
daurete wohl mancher Beweis kein
gantzes Jahrhundert hindurch. Jch

sage
B

Vorrede.
Sachen darf man ſich nicht Hofnung
machen, bey denen Nachkommen be-
ſtaͤndig in guten Credit zu bleiben.
Man kan Beweiſe des phyſicaliſchen
Einfluſſes, des Occaſionalismus, man
kan auch Beweiſe der vorherbeſtimm-
ten Harmonie ſchreiben. Man wuͤrde
aber den Nahmen eines Gelehrten
nicht mit Recht verdienen, wenn man
ſich uͤberreden wolte, nicht wiederleget
werden zu koͤnnen. Es ſcheinet, als
ob ſich die Einſichten der Menſchen
mit denen Jahrhunderten veraͤnder-
ten: und wenn man dieſes gewiß wuͤ-
ſte, ſo thaͤte man nicht uͤbel, wenn
man zu einem ieden neuen Beweiſe ei-
ner Meinung hinzuſetzte, auf welches
Jahrhundert er eingerichtet waͤre.
Doch dieſe Vorſicht wolte ich nicht ein-
mal einen ieden rathen. Da ietzo alle
Wiſſenſchaften ſteigen, ſo koͤnte es
auch wohl geſchehen, daß man in der
Kunſt zu wiederlegen eine groͤſſere Fer-
tigkeit erhielte, und auf dieſe Weiſe
daurete wohl mancher Beweis kein
gantzes Jahrhundert hindurch. Jch

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[0021] Vorrede. Sachen darf man ſich nicht Hofnung machen, bey denen Nachkommen be- ſtaͤndig in guten Credit zu bleiben. Man kan Beweiſe des phyſicaliſchen Einfluſſes, des Occaſionalismus, man kan auch Beweiſe der vorherbeſtimm- ten Harmonie ſchreiben. Man wuͤrde aber den Nahmen eines Gelehrten nicht mit Recht verdienen, wenn man ſich uͤberreden wolte, nicht wiederleget werden zu koͤnnen. Es ſcheinet, als ob ſich die Einſichten der Menſchen mit denen Jahrhunderten veraͤnder- ten: und wenn man dieſes gewiß wuͤ- ſte, ſo thaͤte man nicht uͤbel, wenn man zu einem ieden neuen Beweiſe ei- ner Meinung hinzuſetzte, auf welches Jahrhundert er eingerichtet waͤre. Doch dieſe Vorſicht wolte ich nicht ein- mal einen ieden rathen. Da ietzo alle Wiſſenſchaften ſteigen, ſo koͤnte es auch wohl geſchehen, daß man in der Kunſt zu wiederlegen eine groͤſſere Fer- tigkeit erhielte, und auf dieſe Weiſe daurete wohl mancher Beweis kein gantzes Jahrhundert hindurch. Jch ſage B

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/21>, abgerufen am 25.04.2024.