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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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An den Tod.

Der du still im Abendlichte
Wandelst durch der Erde Beek,
Klare Blumen, goldne Früchte
Sammelst, die dir Gott gesät:
Schon', o Tod, was, sanft entzücket,
An des Lebens Brust sich schmiegt,
Sich zum süßen Liede wiegt
Und zum Mutterauge blicket!
Laß der Erde ihre Söhne,
Deren Kraft im Sturme fleugt,
Daß ein freudiges Getöne
Schnell aus todten Wäldern steigt!
Lösche nicht den Geist des Weisen,
Dessen heil'gen Sonnenglanz,
Schön verwebt in sichrem Tanz,
Jugendliche Mond' umkreisen.
Auf der Silberwolke fahre
Still dahin zur Sternezeit,
Wo ein Greis am Hausaltare
Jedem Abend Thränen weiht;
Sprich die Namen seiner Lieben,
Führ ihn auf in ihren Kranz,
Wo des Auges ew'gen Glanz
Keiner Trennung Zähren trüben!
An den Tod.

Der du ſtill im Abendlichte
Wandelſt durch der Erde Beek,
Klare Blumen, goldne Früchte
Sammelſt, die dir Gott geſät:
Schon’, o Tod, was, ſanft entzücket,
An des Lebens Bruſt ſich ſchmiegt,
Sich zum ſüßen Liede wiegt
Und zum Mutterauge blicket!
Laß der Erde ihre Söhne,
Deren Kraft im Sturme fleugt,
Daß ein freudiges Getöne
Schnell aus todten Wäldern ſteigt!
Löſche nicht den Geiſt des Weiſen,
Deſſen heil’gen Sonnenglanz,
Schön verwebt in ſichrem Tanz,
Jugendliche Mond’ umkreiſen.
Auf der Silberwolke fahre
Still dahin zur Sternezeit,
Wo ein Greis am Hausaltare
Jedem Abend Thränen weiht;
Sprich die Namen ſeiner Lieben,
Führ ihn auf in ihren Kranz,
Wo des Auges ew’gen Glanz
Keiner Trennung Zähren trüben!
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[10/0016] An den Tod. Der du ſtill im Abendlichte Wandelſt durch der Erde Beek, Klare Blumen, goldne Früchte Sammelſt, die dir Gott geſät: Schon’, o Tod, was, ſanft entzücket, An des Lebens Bruſt ſich ſchmiegt, Sich zum ſüßen Liede wiegt Und zum Mutterauge blicket! Laß der Erde ihre Söhne, Deren Kraft im Sturme fleugt, Daß ein freudiges Getöne Schnell aus todten Wäldern ſteigt! Löſche nicht den Geiſt des Weiſen, Deſſen heil’gen Sonnenglanz, Schön verwebt in ſichrem Tanz, Jugendliche Mond’ umkreiſen. Auf der Silberwolke fahre Still dahin zur Sternezeit, Wo ein Greis am Hausaltare Jedem Abend Thränen weiht; Sprich die Namen ſeiner Lieben, Führ ihn auf in ihren Kranz, Wo des Auges ew’gen Glanz Keiner Trennung Zähren trüben!

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/16>, abgerufen am 28.03.2024.