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Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.

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Die V. Anmerckung. (n)
wohl auf-
nehmen;
Lehren und Reprochen, weit empfindlicher
gerühret, und nachdrücklicher zur anstän-
digen Veränderung derer Sitten gebracht
werden, als durch die besten Regeln des
Gracian, Bellegarde, le Noble, Socrate
moderne,
oder durch der geschicktesten Hof-
meister ihre Lehren und Remonstrationes.
Denn so bald eine Dame siehet, daß ein
junger Mensch wohlgestaltet ist, sich zu
faconniren Lust hat, und mit geziemender
Modestie und Geduld, das, was ihm auf
eine manierliche Art gesagt wird, annimmt
und seine vorige complaisante Assiduite ge-
gen dieselbe gleichwohl auf alle Weise zu
continuiren, und sich dero Gnade ferner
zu conserviren sucht: So wird sie überzeu-
get, daß sie demselben gefallen müsse, und
daher sucht sie ihn ohnvermerckt in der Le-
bens-Wohlanständigkeit zu poussiren, und
darzu bey allen Gelegenheiten, iedoch ohne
sich selbst zu vergehen, durch wohl assaison-
ni
rte Reprochen im Schertz und Ernst zu
und sich
glücklich
schätzen,
so ange-
nehm cor-
rigi
ret zu
werden;
corrigiren. Ein Cavalier, der eine solche
vornehme, tugendhaffte und qualificirte Da-
me
zur Hofmeisterin hat, ist sehr glück-
lich. Denn wo er einigen erlaubten Estim
vor sie heget, so wird er alle dero Minen, Ge-
berden und Worte, welche dessen Verbes-
serung zum Zweck haben, mit grosser Ge-
lassenheit sehen und anhören, solche Lehren
zu practiciren sich bemühen, und in kurtzer
Die V. Anmerckung. (n)
wohl auf-
nehmen;
Lehren und Reprochen, weit empfindlicher
geruͤhret, und nachdruͤcklicher zur anſtaͤn-
digen Veraͤnderung derer Sitten gebracht
werden, als durch die beſten Regeln des
Gracian, Bellegarde, le Noble, Socrate
moderne,
oder durch der geſchickteſten Hof-
meiſter ihre Lehren und Remonſtrationes.
Denn ſo bald eine Dame ſiehet, daß ein
junger Menſch wohlgeſtaltet iſt, ſich zu
façonniren Luſt hat, und mit geziemender
Modeſtie und Geduld, das, was ihm auf
eine manierliche Art geſagt wird, annim̃t
und ſeine vorige complaiſante Aſſiduité ge-
gen dieſelbe gleichwohl auf alle Weiſe zu
continuiren, und ſich dero Gnade ferner
zu conſerviren ſucht: So wird ſie uͤberzeu-
get, daß ſie demſelben gefallen muͤſſe, und
daher ſucht ſie ihn ohnvermerckt in der Le-
bens-Wohlanſtaͤndigkeit zu pouſſiren, und
darzu bey allen Gelegenheiten, iedoch ohne
ſich ſelbſt zu vergehen, durch wohl aſſaiſon-
ni
rte Reprochen im Schertz und Ernſt zu
und ſich
gluͤcklich
ſchaͤtzen,
ſo ange-
nehm cor-
rigi
ret zu
werden;
corrigiren. Ein Cavalier, der eine ſolche
vornehme, tugendhaffte und qualificirte Da-
me
zur Hofmeiſterin hat, iſt ſehr gluͤck-
lich. Denn wo er einigen erlaubten Eſtim
vor ſie heget, ſo wird er alle dero Minen, Ge-
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[92/0114] Die V. Anmerckung. (n) ⁽n⁾ Lehren und Reprochen, weit empfindlicher geruͤhret, und nachdruͤcklicher zur anſtaͤn- digen Veraͤnderung derer Sitten gebracht werden, als durch die beſten Regeln des Gracian, Bellegarde, le Noble, Socrate moderne, oder durch der geſchickteſten Hof- meiſter ihre Lehren und Remonſtrationes. Denn ſo bald eine Dame ſiehet, daß ein junger Menſch wohlgeſtaltet iſt, ſich zu façonniren Luſt hat, und mit geziemender Modeſtie und Geduld, das, was ihm auf eine manierliche Art geſagt wird, annim̃t und ſeine vorige complaiſante Aſſiduité ge- gen dieſelbe gleichwohl auf alle Weiſe zu continuiren, und ſich dero Gnade ferner zu conſerviren ſucht: So wird ſie uͤberzeu- get, daß ſie demſelben gefallen muͤſſe, und daher ſucht ſie ihn ohnvermerckt in der Le- bens-Wohlanſtaͤndigkeit zu pouſſiren, und darzu bey allen Gelegenheiten, iedoch ohne ſich ſelbſt zu vergehen, durch wohl aſſaiſon- nirte Reprochen im Schertz und Ernſt zu corrigiren. Ein Cavalier, der eine ſolche vornehme, tugendhaffte und qualificirte Da- me zur Hofmeiſterin hat, iſt ſehr gluͤck- lich. Denn wo er einigen erlaubten Eſtim vor ſie heget, ſo wird er alle dero Minen, Ge- berden und Worte, welche deſſen Verbeſ- ſerung zum Zweck haben, mit groſſer Ge- laſſenheit ſehen und anhoͤren, ſolche Lehren zu practiciren ſich bemuͤhen, und in kurtzer Zeit

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Zitationshilfe: Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tschirnhaus_anleitung_1727/114>, abgerufen am 28.03.2024.