Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite
XXXV. Kühne an Bodelschwingh.

Wie aber sind die Leute beschaffen, auf deren Unterstützung Sie dabei rechnen?

Wenn Ihnen die Folgen deutlich vor Augen stehen, die aus der monströsen Allianz
erwachsen würden; mögen Sie voraussetzen, daß die Leidenschaftlichkeit der in sich ent-
gegengesetzten Parteien gleiche Votaussicht bewahren würde? -- Preußens Zukunft, die
Frage über das Sein oder Nichtsein des Staates, dem wir beide mit gleicher Innigkeit
zugethan sind, beruht darauf, daß diese Versammlung der vereinigten Landtage mit Ruhe
und Ordnung in Frieden und Einigkeit mit der Regierung zu Ende geführt werde und
daß die Versammlung, wenn nicht mit dem Erfolge, doch mit der sichern Hoffnung aus-
einandergeht, daß mit ihr und durch sie ein gedeihlicher Grund zum Besserwerden
gelegt sei. -- Mißlingt dies, dann haben wir -- das spreche ich nochmals als meine
innerste Ueberzeugung aus, kein Mittel mehr, um zu regieren. --

Ich bin wie der Jude Lipke, der von Ihnen lieber eine Ohrfeige als von Andern
einen Händedruck hinnimmt! aber selbst wenn es zu solchem Extreme käme, so zerreißen
Sie doch lieber diesen Brief nicht, damit er ein Beweis bleibe, daß ich vielleicht noch
zu rechter Zeit gewarnt habe.

In treuester Anhänglichkeit und
ehrerbietigst
Kühne.

B. d. 3. April 47.



Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.


XXXV. Kühne an Bodelſchwingh.

Wie aber ſind die Leute beſchaffen, auf deren Unterſtützung Sie dabei rechnen?

Wenn Ihnen die Folgen deutlich vor Augen ſtehen, die aus der monſtröſen Allianz
erwachſen würden; mögen Sie vorausſetzen, daß die Leidenſchaftlichkeit der in ſich ent-
gegengeſetzten Parteien gleiche Votausſicht bewahren würde? — Preußens Zukunft, die
Frage über das Sein oder Nichtſein des Staates, dem wir beide mit gleicher Innigkeit
zugethan ſind, beruht darauf, daß dieſe Verſammlung der vereinigten Landtage mit Ruhe
und Ordnung in Frieden und Einigkeit mit der Regierung zu Ende geführt werde und
daß die Verſammlung, wenn nicht mit dem Erfolge, doch mit der ſichern Hoffnung aus-
einandergeht, daß mit ihr und durch ſie ein gedeihlicher Grund zum Beſſerwerden
gelegt ſei. — Mißlingt dies, dann haben wir — das ſpreche ich nochmals als meine
innerſte Ueberzeugung aus, kein Mittel mehr, um zu regieren. —

Ich bin wie der Jude Lipke, der von Ihnen lieber eine Ohrfeige als von Andern
einen Händedruck hinnimmt! aber ſelbſt wenn es zu ſolchem Extreme käme, ſo zerreißen
Sie doch lieber dieſen Brief nicht, damit er ein Beweis bleibe, daß ich vielleicht noch
zu rechter Zeit gewarnt habe.

In treueſter Anhänglichkeit und
ehrerbietigſt
Kühne.

B. d. 3. April 47.



Druck von J. B. Hirſchfeld in Leipzig.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0788" n="774"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXXV.</hi> Kühne an Bodel&#x017F;chwingh.</fw><lb/>
          <p>Wie aber &#x017F;ind die Leute be&#x017F;chaffen, auf deren Unter&#x017F;tützung Sie dabei rechnen?</p><lb/>
          <p>Wenn Ihnen die Folgen deutlich vor Augen &#x017F;tehen, die aus der mon&#x017F;trö&#x017F;en Allianz<lb/>
erwach&#x017F;en würden; mögen Sie voraus&#x017F;etzen, daß die Leiden&#x017F;chaftlichkeit der in &#x017F;ich ent-<lb/>
gegenge&#x017F;etzten Parteien gleiche Votaus&#x017F;icht bewahren würde? &#x2014; Preußens Zukunft, die<lb/>
Frage über das Sein oder Nicht&#x017F;ein des Staates, dem wir beide mit gleicher Innigkeit<lb/>
zugethan &#x017F;ind, beruht darauf, daß die&#x017F;e Ver&#x017F;ammlung der vereinigten Landtage mit Ruhe<lb/>
und Ordnung in Frieden und Einigkeit mit der Regierung zu Ende geführt werde und<lb/>
daß die Ver&#x017F;ammlung, wenn nicht mit dem Erfolge, doch mit der &#x017F;ichern Hoffnung aus-<lb/>
einandergeht, daß <hi rendition="#g">mit ihr und durch &#x017F;ie</hi> ein gedeihlicher Grund zum Be&#x017F;&#x017F;erwerden<lb/>
gelegt &#x017F;ei. &#x2014; Mißlingt dies, dann haben wir &#x2014; das &#x017F;preche ich nochmals als meine<lb/>
inner&#x017F;te Ueberzeugung aus, kein Mittel mehr, um zu regieren. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich bin wie der Jude Lipke, der von Ihnen lieber eine Ohrfeige als von Andern<lb/>
einen Händedruck hinnimmt! aber &#x017F;elb&#x017F;t wenn es zu &#x017F;olchem Extreme käme, &#x017F;o zerreißen<lb/>
Sie doch lieber die&#x017F;en Brief nicht, damit er ein Beweis bleibe, daß ich <hi rendition="#g">vielleicht</hi> noch<lb/>
zu rechter Zeit gewarnt habe.</p><lb/>
          <p>In treue&#x017F;ter Anhänglichkeit und<lb/><hi rendition="#c">ehrerbietig&#x017F;t<lb/>
Kühne.</hi></p><lb/>
          <p>B. d. 3. April 47.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
    <back>
      <div type="imprint">
        <p> <hi rendition="#c">Druck von J. B. <hi rendition="#g">Hir&#x017F;chfeld</hi> in Leipzig.</hi> </p>
      </div><lb/>
    </back>
  </text>
</TEI>
[774/0788] XXXV. Kühne an Bodelſchwingh. Wie aber ſind die Leute beſchaffen, auf deren Unterſtützung Sie dabei rechnen? Wenn Ihnen die Folgen deutlich vor Augen ſtehen, die aus der monſtröſen Allianz erwachſen würden; mögen Sie vorausſetzen, daß die Leidenſchaftlichkeit der in ſich ent- gegengeſetzten Parteien gleiche Votausſicht bewahren würde? — Preußens Zukunft, die Frage über das Sein oder Nichtſein des Staates, dem wir beide mit gleicher Innigkeit zugethan ſind, beruht darauf, daß dieſe Verſammlung der vereinigten Landtage mit Ruhe und Ordnung in Frieden und Einigkeit mit der Regierung zu Ende geführt werde und daß die Verſammlung, wenn nicht mit dem Erfolge, doch mit der ſichern Hoffnung aus- einandergeht, daß mit ihr und durch ſie ein gedeihlicher Grund zum Beſſerwerden gelegt ſei. — Mißlingt dies, dann haben wir — das ſpreche ich nochmals als meine innerſte Ueberzeugung aus, kein Mittel mehr, um zu regieren. — Ich bin wie der Jude Lipke, der von Ihnen lieber eine Ohrfeige als von Andern einen Händedruck hinnimmt! aber ſelbſt wenn es zu ſolchem Extreme käme, ſo zerreißen Sie doch lieber dieſen Brief nicht, damit er ein Beweis bleibe, daß ich vielleicht noch zu rechter Zeit gewarnt habe. In treueſter Anhänglichkeit und ehrerbietigſt Kühne. B. d. 3. April 47. Druck von J. B. Hirſchfeld in Leipzig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/788
Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 774. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/788>, abgerufen am 19.04.2024.