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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Die Walhalla.
Später -- so fuhr er fort -- wurde die Zahl vermehrt, dann auf keine
beschränkt und nur rühmlich ausgezeichneter Teutscher, fühlend, daß sagen
zu wollen, welche die rühmlichsten, Anmaßung wäre, wie denn auch zu
behaupten, daß es keine gäbe, die ebenso verdienten in Walhalla auf-
genommen zu sein, und mehr noch als manche, die es sind. Rühmlich
ausgezeichneten Teutschen steht als Denkmal und darum Walhalla, auf
daß teutscher der Teutsche aus ihr trete, besser als er gekommen." Solche
Stilproben genügten um in der Presse, die überall gierig nach den Schwächen
der Mächtigen ausspähte, ein unauslöschliches Hohngelächter zu erwecken.
Die Deutschen vergaßen undankbar über dem abgeschmackten Beiwerk das
Wesentliche und Große, sie fragten nicht mehr, wo denn sonst noch in der
Welt ein solcher Kunstfreund lebte, so vaterlandsfroh, so hochherzig, so
thatkräftig.

Von der Walhalla fuhr der König nach Kelheim, um dort auf
einem anderen Felsen des Donauthals den Grundstein zu legen für
einen grandiosen Kuppelbau, der an die Schlachten der Befreiungskriege
erinnern sollte. Deutschthum und bairischer Particularismus lagen aber
in diesem wunderlichen Geiste dicht bei einander. Kaum hatte er dem
großen Vaterlande seinen Zoll abgetragen, so ließ er in München den
Bau einer bairischen Special-Walhalla beginnen, mit der Colossalstatue der
Bavaria davor. Da wurden denn alle die großen Franken Hutten, Dürer,
Vischer, die sich bei Lebzeiten von solcher Ehre nichts hatten träumen lassen,
noch im Grabe unnachsichtlich zu Baiern ernannt und mit der deutschen
Geschichte ein so tolles Spiel getrieben, wie wenn man heute von dem
Preußen Goethe reden wollte. Also fand die liberale Welt stets neuen
Stoff für wohlfeile Spötterei. Tieferen Mißmuth erregten die unbedachten
Reden, mit denen in München die Denkmäler des Kurfürsten Max und
seines Tilly enthüllt wurden; in solchem Tone durfte man ein paritätisches
Volk nicht an die düsteren Zeiten der Glaubenskriege erinnern.

Noch immer täuschte sich der König über die Stimmung seines Landes
wie über sein eignes Herz. Nicht im Entferntesten war er gemeint, die
milden Grundsätze seines geliebten Lehrers Bischof Sailer zu verlassen;
vielmehr schärfte er dem neuen Bischof von Regensburg nachdrücklich ein:
"daß Sie vorzüglich Sailer nachahmen wünsche ich." Und doch hielt er
den grausamen Kniebeugungszwang hartnäckig fest, mit einigen kleinen
Erleichterungen, die ihm Niemand dankte. Schon kam es so weit, daß
ein Dekan Redtenbacher sich in einer gedruckten Ansprache geradeswegs
an die Gewissen der protestantischen Soldaten wendete, um sie über die
Sündhaftigkeit der papistischen Ceremonien zu belehren. Der unerschrockene
Geistliche wurde gerichtlich verurtheilt, der König aber mußte ihn begnadigen,
aus Furcht vor dem Unwillen der Protestanten. Mittlerweile betrieben
die Mönche und Nonnen, die jetzt überall in die Schulen und Wohl-
thätigkeitsanstalten eindrangen, das Rettungswerk an den jungen Seelen,

Die Walhalla.
Später — ſo fuhr er fort — wurde die Zahl vermehrt, dann auf keine
beſchränkt und nur rühmlich ausgezeichneter Teutſcher, fühlend, daß ſagen
zu wollen, welche die rühmlichſten, Anmaßung wäre, wie denn auch zu
behaupten, daß es keine gäbe, die ebenſo verdienten in Walhalla auf-
genommen zu ſein, und mehr noch als manche, die es ſind. Rühmlich
ausgezeichneten Teutſchen ſteht als Denkmal und darum Walhalla, auf
daß teutſcher der Teutſche aus ihr trete, beſſer als er gekommen.“ Solche
Stilproben genügten um in der Preſſe, die überall gierig nach den Schwächen
der Mächtigen ausſpähte, ein unauslöſchliches Hohngelächter zu erwecken.
Die Deutſchen vergaßen undankbar über dem abgeſchmackten Beiwerk das
Weſentliche und Große, ſie fragten nicht mehr, wo denn ſonſt noch in der
Welt ein ſolcher Kunſtfreund lebte, ſo vaterlandsfroh, ſo hochherzig, ſo
thatkräftig.

Von der Walhalla fuhr der König nach Kelheim, um dort auf
einem anderen Felſen des Donauthals den Grundſtein zu legen für
einen grandioſen Kuppelbau, der an die Schlachten der Befreiungskriege
erinnern ſollte. Deutſchthum und bairiſcher Particularismus lagen aber
in dieſem wunderlichen Geiſte dicht bei einander. Kaum hatte er dem
großen Vaterlande ſeinen Zoll abgetragen, ſo ließ er in München den
Bau einer bairiſchen Special-Walhalla beginnen, mit der Coloſſalſtatue der
Bavaria davor. Da wurden denn alle die großen Franken Hutten, Dürer,
Viſcher, die ſich bei Lebzeiten von ſolcher Ehre nichts hatten träumen laſſen,
noch im Grabe unnachſichtlich zu Baiern ernannt und mit der deutſchen
Geſchichte ein ſo tolles Spiel getrieben, wie wenn man heute von dem
Preußen Goethe reden wollte. Alſo fand die liberale Welt ſtets neuen
Stoff für wohlfeile Spötterei. Tieferen Mißmuth erregten die unbedachten
Reden, mit denen in München die Denkmäler des Kurfürſten Max und
ſeines Tilly enthüllt wurden; in ſolchem Tone durfte man ein paritätiſches
Volk nicht an die düſteren Zeiten der Glaubenskriege erinnern.

Noch immer täuſchte ſich der König über die Stimmung ſeines Landes
wie über ſein eignes Herz. Nicht im Entfernteſten war er gemeint, die
milden Grundſätze ſeines geliebten Lehrers Biſchof Sailer zu verlaſſen;
vielmehr ſchärfte er dem neuen Biſchof von Regensburg nachdrücklich ein:
„daß Sie vorzüglich Sailer nachahmen wünſche ich.“ Und doch hielt er
den grauſamen Kniebeugungszwang hartnäckig feſt, mit einigen kleinen
Erleichterungen, die ihm Niemand dankte. Schon kam es ſo weit, daß
ein Dekan Redtenbacher ſich in einer gedruckten Anſprache geradeswegs
an die Gewiſſen der proteſtantiſchen Soldaten wendete, um ſie über die
Sündhaftigkeit der papiſtiſchen Ceremonien zu belehren. Der unerſchrockene
Geiſtliche wurde gerichtlich verurtheilt, der König aber mußte ihn begnadigen,
aus Furcht vor dem Unwillen der Proteſtanten. Mittlerweile betrieben
die Mönche und Nonnen, die jetzt überall in die Schulen und Wohl-
thätigkeitsanſtalten eindrangen, das Rettungswerk an den jungen Seelen,

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[317/0331] Die Walhalla. Später — ſo fuhr er fort — wurde die Zahl vermehrt, dann auf keine beſchränkt und nur rühmlich ausgezeichneter Teutſcher, fühlend, daß ſagen zu wollen, welche die rühmlichſten, Anmaßung wäre, wie denn auch zu behaupten, daß es keine gäbe, die ebenſo verdienten in Walhalla auf- genommen zu ſein, und mehr noch als manche, die es ſind. Rühmlich ausgezeichneten Teutſchen ſteht als Denkmal und darum Walhalla, auf daß teutſcher der Teutſche aus ihr trete, beſſer als er gekommen.“ Solche Stilproben genügten um in der Preſſe, die überall gierig nach den Schwächen der Mächtigen ausſpähte, ein unauslöſchliches Hohngelächter zu erwecken. Die Deutſchen vergaßen undankbar über dem abgeſchmackten Beiwerk das Weſentliche und Große, ſie fragten nicht mehr, wo denn ſonſt noch in der Welt ein ſolcher Kunſtfreund lebte, ſo vaterlandsfroh, ſo hochherzig, ſo thatkräftig. Von der Walhalla fuhr der König nach Kelheim, um dort auf einem anderen Felſen des Donauthals den Grundſtein zu legen für einen grandioſen Kuppelbau, der an die Schlachten der Befreiungskriege erinnern ſollte. Deutſchthum und bairiſcher Particularismus lagen aber in dieſem wunderlichen Geiſte dicht bei einander. Kaum hatte er dem großen Vaterlande ſeinen Zoll abgetragen, ſo ließ er in München den Bau einer bairiſchen Special-Walhalla beginnen, mit der Coloſſalſtatue der Bavaria davor. Da wurden denn alle die großen Franken Hutten, Dürer, Viſcher, die ſich bei Lebzeiten von ſolcher Ehre nichts hatten träumen laſſen, noch im Grabe unnachſichtlich zu Baiern ernannt und mit der deutſchen Geſchichte ein ſo tolles Spiel getrieben, wie wenn man heute von dem Preußen Goethe reden wollte. Alſo fand die liberale Welt ſtets neuen Stoff für wohlfeile Spötterei. Tieferen Mißmuth erregten die unbedachten Reden, mit denen in München die Denkmäler des Kurfürſten Max und ſeines Tilly enthüllt wurden; in ſolchem Tone durfte man ein paritätiſches Volk nicht an die düſteren Zeiten der Glaubenskriege erinnern. Noch immer täuſchte ſich der König über die Stimmung ſeines Landes wie über ſein eignes Herz. Nicht im Entfernteſten war er gemeint, die milden Grundſätze ſeines geliebten Lehrers Biſchof Sailer zu verlaſſen; vielmehr ſchärfte er dem neuen Biſchof von Regensburg nachdrücklich ein: „daß Sie vorzüglich Sailer nachahmen wünſche ich.“ Und doch hielt er den grauſamen Kniebeugungszwang hartnäckig feſt, mit einigen kleinen Erleichterungen, die ihm Niemand dankte. Schon kam es ſo weit, daß ein Dekan Redtenbacher ſich in einer gedruckten Anſprache geradeswegs an die Gewiſſen der proteſtantiſchen Soldaten wendete, um ſie über die Sündhaftigkeit der papiſtiſchen Ceremonien zu belehren. Der unerſchrockene Geiſtliche wurde gerichtlich verurtheilt, der König aber mußte ihn begnadigen, aus Furcht vor dem Unwillen der Proteſtanten. Mittlerweile betrieben die Mönche und Nonnen, die jetzt überall in die Schulen und Wohl- thätigkeitsanſtalten eindrangen, das Rettungswerk an den jungen Seelen,

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/331>, abgerufen am 29.03.2024.