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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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IV. 8. Stille Jahre.
dessen Kriegslager sich auch Don Carlos befand, bei Elvora capituliren.
Er verzichtete auf die angemaßte Krone gegen ein Jahresgehalt und ging
nach Italien, späterhin nach Baiern, wo er mit den Ultramantanen aller
deutschen Staaten unablässig geheime Ränke anspann. Also war Portugals
Schicksal entschieden, die englische Handelsherrschaft am Tejo wieder
hergestellt. Selbst Metternich zuckte die Achseln, als Ancillon jetzt noch
nachträglich mit dem priesterlichen Vorschlage herausrückte, Don Miguel
solle die ihm einst versprochene Hand Donna Maria's nunmehr fordern
um durch ein fröhliches Ehebündniß die beiden Parteien Portugals zu
versöhnen*). Palmerston war Herr der Lage und er verstand für das
eheliche Glück der jungen Königin zu sorgen. Kaum war sie mannbar, so
wurde sie mit dem Herzog von Leuchtenberg vermählt, der als Napoleonide
dem Tuilerienhofe verdächtig und eben deshalb den englischen Freunden
hochwillkommen war. Der junge Herzog starb einige Monate nach der
Hochzeit, und nunmehr konnte die coburgische Hauspolitik einen neuen
glücklichen Schachzug wagen. Dank dem Glaubenswechsel der Coburg-
Koharys war König Leopold von Belgien in der angenehmen Lage, auch
katholischen Königinnen brauchbare coburgische Gatten anzubieten. Von
Palmerston unterstützt, schlug er seinen Neffen Ferdinand vor, und bald
nachher (1836) kam der glückliche junge Coburger am Bord eines eng-
lischen Kriegsschiffes nach Lissabon um seinem hochzeitsfrohen Hause die
zweite Königskrone zu gewinnen. Das unselige Land lernte unterdessen
den ganzen Jammer des romanischen Parlamentarismus kennen: Aemter-
jagd, Bestechung und Verschwörung, Parteikampf und Ministersturz, Ver-
fassungsbruch und Verfassungsverleihung in eintönigem Wechsel. Immer-
hin waren die Zustände etwas erträglicher als einst unter dem Henkerbeile
Don Miguel's, und England mindestens konnte sich der neuen constitutio-
nellen Herrlichkeit aufrichtig freuen: die Portugiesen lieferten ihm wieder
den unentbehrlichen Portwein und wurden zum Dank in der Entwicklung
ihres Gewerbfleißes durch den übermächtigen britischen Wettbewerb gänz-
lich darniedergehalten.

Durch die Capitulation von Elvora war auch Don Carlos in die
Hände der Verbündeten gefallen, und nahm man die Versprechungen der
Quadrupel-Allianz ernst, so mußte man auch ihn entweder zur Verzicht-
leistung nöthigen oder auf andere Weise unschädlich machen. So konnte
der kaum erst entbrannte spanische Bürgerkrieg schon im Keime erstickt und
die Königin-Regentin Christine von ihrem einzigen gefährlichen Feinde be-
freit werden. Dann aber war nur zu wahrscheinlich, daß die beiden ver-
wandten Höfe von Madrid und Paris sich freundlich aneinanderschlossen,
und dies entsprach keineswegs dem englischen Interesse. Darum wurde
Don Carlos, ohne daß man ihm irgend eine Verpflichtung auferlegte, auf

*) Ancillon, Weisung an Brockhausen, 5. Oct. Brockhausen's Bericht, 11. Oct. 1834.

IV. 8. Stille Jahre.
deſſen Kriegslager ſich auch Don Carlos befand, bei Elvora capituliren.
Er verzichtete auf die angemaßte Krone gegen ein Jahresgehalt und ging
nach Italien, ſpäterhin nach Baiern, wo er mit den Ultramantanen aller
deutſchen Staaten unabläſſig geheime Ränke anſpann. Alſo war Portugals
Schickſal entſchieden, die engliſche Handelsherrſchaft am Tejo wieder
hergeſtellt. Selbſt Metternich zuckte die Achſeln, als Ancillon jetzt noch
nachträglich mit dem prieſterlichen Vorſchlage herausrückte, Don Miguel
ſolle die ihm einſt verſprochene Hand Donna Maria’s nunmehr fordern
um durch ein fröhliches Ehebündniß die beiden Parteien Portugals zu
verſöhnen*). Palmerſton war Herr der Lage und er verſtand für das
eheliche Glück der jungen Königin zu ſorgen. Kaum war ſie mannbar, ſo
wurde ſie mit dem Herzog von Leuchtenberg vermählt, der als Napoleonide
dem Tuilerienhofe verdächtig und eben deshalb den engliſchen Freunden
hochwillkommen war. Der junge Herzog ſtarb einige Monate nach der
Hochzeit, und nunmehr konnte die coburgiſche Hauspolitik einen neuen
glücklichen Schachzug wagen. Dank dem Glaubenswechſel der Coburg-
Koharys war König Leopold von Belgien in der angenehmen Lage, auch
katholiſchen Königinnen brauchbare coburgiſche Gatten anzubieten. Von
Palmerſton unterſtützt, ſchlug er ſeinen Neffen Ferdinand vor, und bald
nachher (1836) kam der glückliche junge Coburger am Bord eines eng-
liſchen Kriegsſchiffes nach Liſſabon um ſeinem hochzeitsfrohen Hauſe die
zweite Königskrone zu gewinnen. Das unſelige Land lernte unterdeſſen
den ganzen Jammer des romaniſchen Parlamentarismus kennen: Aemter-
jagd, Beſtechung und Verſchwörung, Parteikampf und Miniſterſturz, Ver-
faſſungsbruch und Verfaſſungsverleihung in eintönigem Wechſel. Immer-
hin waren die Zuſtände etwas erträglicher als einſt unter dem Henkerbeile
Don Miguel’s, und England mindeſtens konnte ſich der neuen conſtitutio-
nellen Herrlichkeit aufrichtig freuen: die Portugieſen lieferten ihm wieder
den unentbehrlichen Portwein und wurden zum Dank in der Entwicklung
ihres Gewerbfleißes durch den übermächtigen britiſchen Wettbewerb gänz-
lich darniedergehalten.

Durch die Capitulation von Elvora war auch Don Carlos in die
Hände der Verbündeten gefallen, und nahm man die Verſprechungen der
Quadrupel-Allianz ernſt, ſo mußte man auch ihn entweder zur Verzicht-
leiſtung nöthigen oder auf andere Weiſe unſchädlich machen. So konnte
der kaum erſt entbrannte ſpaniſche Bürgerkrieg ſchon im Keime erſtickt und
die Königin-Regentin Chriſtine von ihrem einzigen gefährlichen Feinde be-
freit werden. Dann aber war nur zu wahrſcheinlich, daß die beiden ver-
wandten Höfe von Madrid und Paris ſich freundlich aneinanderſchloſſen,
und dies entſprach keineswegs dem engliſchen Intereſſe. Darum wurde
Don Carlos, ohne daß man ihm irgend eine Verpflichtung auferlegte, auf

*) Ancillon, Weiſung an Brockhauſen, 5. Oct. Brockhauſen’s Bericht, 11. Oct. 1834.
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[502/0516] IV. 8. Stille Jahre. deſſen Kriegslager ſich auch Don Carlos befand, bei Elvora capituliren. Er verzichtete auf die angemaßte Krone gegen ein Jahresgehalt und ging nach Italien, ſpäterhin nach Baiern, wo er mit den Ultramantanen aller deutſchen Staaten unabläſſig geheime Ränke anſpann. Alſo war Portugals Schickſal entſchieden, die engliſche Handelsherrſchaft am Tejo wieder hergeſtellt. Selbſt Metternich zuckte die Achſeln, als Ancillon jetzt noch nachträglich mit dem prieſterlichen Vorſchlage herausrückte, Don Miguel ſolle die ihm einſt verſprochene Hand Donna Maria’s nunmehr fordern um durch ein fröhliches Ehebündniß die beiden Parteien Portugals zu verſöhnen *). Palmerſton war Herr der Lage und er verſtand für das eheliche Glück der jungen Königin zu ſorgen. Kaum war ſie mannbar, ſo wurde ſie mit dem Herzog von Leuchtenberg vermählt, der als Napoleonide dem Tuilerienhofe verdächtig und eben deshalb den engliſchen Freunden hochwillkommen war. Der junge Herzog ſtarb einige Monate nach der Hochzeit, und nunmehr konnte die coburgiſche Hauspolitik einen neuen glücklichen Schachzug wagen. Dank dem Glaubenswechſel der Coburg- Koharys war König Leopold von Belgien in der angenehmen Lage, auch katholiſchen Königinnen brauchbare coburgiſche Gatten anzubieten. Von Palmerſton unterſtützt, ſchlug er ſeinen Neffen Ferdinand vor, und bald nachher (1836) kam der glückliche junge Coburger am Bord eines eng- liſchen Kriegsſchiffes nach Liſſabon um ſeinem hochzeitsfrohen Hauſe die zweite Königskrone zu gewinnen. Das unſelige Land lernte unterdeſſen den ganzen Jammer des romaniſchen Parlamentarismus kennen: Aemter- jagd, Beſtechung und Verſchwörung, Parteikampf und Miniſterſturz, Ver- faſſungsbruch und Verfaſſungsverleihung in eintönigem Wechſel. Immer- hin waren die Zuſtände etwas erträglicher als einſt unter dem Henkerbeile Don Miguel’s, und England mindeſtens konnte ſich der neuen conſtitutio- nellen Herrlichkeit aufrichtig freuen: die Portugieſen lieferten ihm wieder den unentbehrlichen Portwein und wurden zum Dank in der Entwicklung ihres Gewerbfleißes durch den übermächtigen britiſchen Wettbewerb gänz- lich darniedergehalten. Durch die Capitulation von Elvora war auch Don Carlos in die Hände der Verbündeten gefallen, und nahm man die Verſprechungen der Quadrupel-Allianz ernſt, ſo mußte man auch ihn entweder zur Verzicht- leiſtung nöthigen oder auf andere Weiſe unſchädlich machen. So konnte der kaum erſt entbrannte ſpaniſche Bürgerkrieg ſchon im Keime erſtickt und die Königin-Regentin Chriſtine von ihrem einzigen gefährlichen Feinde be- freit werden. Dann aber war nur zu wahrſcheinlich, daß die beiden ver- wandten Höfe von Madrid und Paris ſich freundlich aneinanderſchloſſen, und dies entſprach keineswegs dem engliſchen Intereſſe. Darum wurde Don Carlos, ohne daß man ihm irgend eine Verpflichtung auferlegte, auf *) Ancillon, Weiſung an Brockhauſen, 5. Oct. Brockhauſen’s Bericht, 11. Oct. 1834.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/516>, abgerufen am 29.03.2024.