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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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IV. 6. Der Deutsche Zollverein.
ganz feindseligen Betragen Badens gemeinschaftlich ein jedes Mittel ent-
gegensetzen, um nicht mitten in unserem Vereine das System einer Re-
gierung zu sehen, das mit Vorbedacht Unzufriedenheit und Unruhe in
unserer so bedenklichen Zeit stiftet."*) Ebenso vergeblich schrieb König
Ludwig selbst in seinem wuchtigsten Participialstile an den Großherzog:
"durch meine letzten Vorschläge habe ich das Aeußerste gethan um die
Sponheimer Angelegenheit zur Ausgleichung zu bringen, und von großem
Werth ist mir die von Ew. K. Hoheit ausgedrückte Willfährigkeit, damit sie
und Beitritt zum Zollvereine stattfinde, überzeugt, daß fester Wille Beides
bei Ihren Ständen durchsetzen werde."**) An diesem festen Willen gebrach
es dem badischen Hofe gänzlich. Die Minister vertheidigten den Zutritt
zum süddeutschen Zollvereine sehr lau; Welcker tobte mit gewohnter Wort-
fülle gegen die absolute preußische Krone, Rotteck unterstützte ihn etwas
ruhiger. Die phrasenreichen Verhandlungen gereichten dem Muster-Land-
tage wenig zur Ehre; über die volkswirthschaftliche Bedeutung der Frage
wußten nur einzelne große Geschäftsmänner ein treffendes Wort zu sagen,
so der liberale Fabrikant Buhl aus Ettlingen und der Tabakshändler
v. Lotzbeck aus Lahr. Selbst der liberale E. E. Hoffmann, der aus Darm-
stadt herüberkam um den badischen Parteifanatikern Vernunft zu predigen,
richtete nichts aus. Schließlich einigte sich der Landtag über eines jener
unwahren Compromisse, wie sie der Parlamentarismus liebt wenn er
nichts mehr zu sagen weiß. Beide Kammern verwarfen einstimmig den
Eintritt in den süddeutschen Verein und gaben der Regierung Vollmacht,
über einen gesammtdeutschen Zollverein zu verhandeln (Nov. 1831). Da-
bei konnte sich Jeder das Seine denken, denn an die Möglichkeit eines
Zollvereins mit Oesterreich, Hannover und Holstein glaubte eigentlich
Niemand mehr. Auch die von Baiern geforderte Gebietsabtretung wurde
durch die zweite Kammer verworfen, einstimmig, unter brausenden Hoch-
rufen auf den Großherzog.

Dem gefeierten Fürsten ward bei dieser Begeisterung seiner getreuen
Opposition sehr schwül zu Muthe. In einem flehentlichen Briefe wendete
er sich abermals hilfesuchend an Bernstorff, unter Bezeigung "des innigsten
Dankgefühls gegen Hochdieselben",***) und wirklich unterzog sich der gedul-
dige preußische Minister noch einmal den undankbaren Mühen der Ver-
mittlung. König Ludwig aber empfand jenen Beschluß des badischen Land-
tages als eine persönliche Beleidigung; er hielt es für schmachvoll, eine
Forderung, die schon so viel Staub aufgewirbelt hatte, ohne jede Ent-
schädigung fallen zu lassen. An dem ergrimmten Wittelsbacher war jetzt
jeder Zuspruch verschwendet. Auch der König von Württemberg ließ nach

*) König Wilhelm von Württemberg an Markgraf Wilhelm von Baden, 12. Nov.
Antwort 17. Nov. 1830.
**) König Ludwig an Großherzog Leopold, 9. Mai 1831.
***) Großherzog Leopold an Bernstorff, 5. Dec. 1831.

IV. 6. Der Deutſche Zollverein.
ganz feindſeligen Betragen Badens gemeinſchaftlich ein jedes Mittel ent-
gegenſetzen, um nicht mitten in unſerem Vereine das Syſtem einer Re-
gierung zu ſehen, das mit Vorbedacht Unzufriedenheit und Unruhe in
unſerer ſo bedenklichen Zeit ſtiftet.“*) Ebenſo vergeblich ſchrieb König
Ludwig ſelbſt in ſeinem wuchtigſten Participialſtile an den Großherzog:
„durch meine letzten Vorſchläge habe ich das Aeußerſte gethan um die
Sponheimer Angelegenheit zur Ausgleichung zu bringen, und von großem
Werth iſt mir die von Ew. K. Hoheit ausgedrückte Willfährigkeit, damit ſie
und Beitritt zum Zollvereine ſtattfinde, überzeugt, daß feſter Wille Beides
bei Ihren Ständen durchſetzen werde.“**) An dieſem feſten Willen gebrach
es dem badiſchen Hofe gänzlich. Die Miniſter vertheidigten den Zutritt
zum ſüddeutſchen Zollvereine ſehr lau; Welcker tobte mit gewohnter Wort-
fülle gegen die abſolute preußiſche Krone, Rotteck unterſtützte ihn etwas
ruhiger. Die phraſenreichen Verhandlungen gereichten dem Muſter-Land-
tage wenig zur Ehre; über die volkswirthſchaftliche Bedeutung der Frage
wußten nur einzelne große Geſchäftsmänner ein treffendes Wort zu ſagen,
ſo der liberale Fabrikant Buhl aus Ettlingen und der Tabakshändler
v. Lotzbeck aus Lahr. Selbſt der liberale E. E. Hoffmann, der aus Darm-
ſtadt herüberkam um den badiſchen Parteifanatikern Vernunft zu predigen,
richtete nichts aus. Schließlich einigte ſich der Landtag über eines jener
unwahren Compromiſſe, wie ſie der Parlamentarismus liebt wenn er
nichts mehr zu ſagen weiß. Beide Kammern verwarfen einſtimmig den
Eintritt in den ſüddeutſchen Verein und gaben der Regierung Vollmacht,
über einen geſammtdeutſchen Zollverein zu verhandeln (Nov. 1831). Da-
bei konnte ſich Jeder das Seine denken, denn an die Möglichkeit eines
Zollvereins mit Oeſterreich, Hannover und Holſtein glaubte eigentlich
Niemand mehr. Auch die von Baiern geforderte Gebietsabtretung wurde
durch die zweite Kammer verworfen, einſtimmig, unter brauſenden Hoch-
rufen auf den Großherzog.

Dem gefeierten Fürſten ward bei dieſer Begeiſterung ſeiner getreuen
Oppoſition ſehr ſchwül zu Muthe. In einem flehentlichen Briefe wendete
er ſich abermals hilfeſuchend an Bernſtorff, unter Bezeigung „des innigſten
Dankgefühls gegen Hochdieſelben“,***) und wirklich unterzog ſich der gedul-
dige preußiſche Miniſter noch einmal den undankbaren Mühen der Ver-
mittlung. König Ludwig aber empfand jenen Beſchluß des badiſchen Land-
tages als eine perſönliche Beleidigung; er hielt es für ſchmachvoll, eine
Forderung, die ſchon ſo viel Staub aufgewirbelt hatte, ohne jede Ent-
ſchädigung fallen zu laſſen. An dem ergrimmten Wittelsbacher war jetzt
jeder Zuſpruch verſchwendet. Auch der König von Württemberg ließ nach

*) König Wilhelm von Württemberg an Markgraf Wilhelm von Baden, 12. Nov.
Antwort 17. Nov. 1830.
**) König Ludwig an Großherzog Leopold, 9. Mai 1831.
***) Großherzog Leopold an Bernſtorff, 5. Dec. 1831.
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[360/0374] IV. 6. Der Deutſche Zollverein. ganz feindſeligen Betragen Badens gemeinſchaftlich ein jedes Mittel ent- gegenſetzen, um nicht mitten in unſerem Vereine das Syſtem einer Re- gierung zu ſehen, das mit Vorbedacht Unzufriedenheit und Unruhe in unſerer ſo bedenklichen Zeit ſtiftet.“ *) Ebenſo vergeblich ſchrieb König Ludwig ſelbſt in ſeinem wuchtigſten Participialſtile an den Großherzog: „durch meine letzten Vorſchläge habe ich das Aeußerſte gethan um die Sponheimer Angelegenheit zur Ausgleichung zu bringen, und von großem Werth iſt mir die von Ew. K. Hoheit ausgedrückte Willfährigkeit, damit ſie und Beitritt zum Zollvereine ſtattfinde, überzeugt, daß feſter Wille Beides bei Ihren Ständen durchſetzen werde.“ **) An dieſem feſten Willen gebrach es dem badiſchen Hofe gänzlich. Die Miniſter vertheidigten den Zutritt zum ſüddeutſchen Zollvereine ſehr lau; Welcker tobte mit gewohnter Wort- fülle gegen die abſolute preußiſche Krone, Rotteck unterſtützte ihn etwas ruhiger. Die phraſenreichen Verhandlungen gereichten dem Muſter-Land- tage wenig zur Ehre; über die volkswirthſchaftliche Bedeutung der Frage wußten nur einzelne große Geſchäftsmänner ein treffendes Wort zu ſagen, ſo der liberale Fabrikant Buhl aus Ettlingen und der Tabakshändler v. Lotzbeck aus Lahr. Selbſt der liberale E. E. Hoffmann, der aus Darm- ſtadt herüberkam um den badiſchen Parteifanatikern Vernunft zu predigen, richtete nichts aus. Schließlich einigte ſich der Landtag über eines jener unwahren Compromiſſe, wie ſie der Parlamentarismus liebt wenn er nichts mehr zu ſagen weiß. Beide Kammern verwarfen einſtimmig den Eintritt in den ſüddeutſchen Verein und gaben der Regierung Vollmacht, über einen geſammtdeutſchen Zollverein zu verhandeln (Nov. 1831). Da- bei konnte ſich Jeder das Seine denken, denn an die Möglichkeit eines Zollvereins mit Oeſterreich, Hannover und Holſtein glaubte eigentlich Niemand mehr. Auch die von Baiern geforderte Gebietsabtretung wurde durch die zweite Kammer verworfen, einſtimmig, unter brauſenden Hoch- rufen auf den Großherzog. Dem gefeierten Fürſten ward bei dieſer Begeiſterung ſeiner getreuen Oppoſition ſehr ſchwül zu Muthe. In einem flehentlichen Briefe wendete er ſich abermals hilfeſuchend an Bernſtorff, unter Bezeigung „des innigſten Dankgefühls gegen Hochdieſelben“, ***) und wirklich unterzog ſich der gedul- dige preußiſche Miniſter noch einmal den undankbaren Mühen der Ver- mittlung. König Ludwig aber empfand jenen Beſchluß des badiſchen Land- tages als eine perſönliche Beleidigung; er hielt es für ſchmachvoll, eine Forderung, die ſchon ſo viel Staub aufgewirbelt hatte, ohne jede Ent- ſchädigung fallen zu laſſen. An dem ergrimmten Wittelsbacher war jetzt jeder Zuſpruch verſchwendet. Auch der König von Württemberg ließ nach *) König Wilhelm von Württemberg an Markgraf Wilhelm von Baden, 12. Nov. Antwort 17. Nov. 1830. **) König Ludwig an Großherzog Leopold, 9. Mai 1831. ***) Großherzog Leopold an Bernſtorff, 5. Dec. 1831.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/374>, abgerufen am 25.04.2024.