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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Unruhen in München.

In peinlicherer Lage befand sich König Ludwig von Baiern. Nach
seiner ganzen Weltanschauung konnte er die Juli-Revolution nur verab-
scheuen. Man sah ihn finster, schweigsam einhergehen und bemerkte bald,
daß jener clericale Kreis, welchen die Liberalen nach Pariser Muster die
Congregation nannten, in der Stille Einfluß gewann.*) Von den ver-
trauten Generaladjutanten war der eine, General Deuxponts, ein Vetter
Polignac's, der andere, Prinz Constantin Löwenstein, weithin verrufen als
Feuerbrand der reaktionären Partei; im Schlosse Heubach am Main ver-
sammelten sich um den geistreichen unterrichteten Prinzen die Führer der Ul-
tramontanen aus ganz Süddeutschland und jene feudalen Edelleute, welche in
der neuen Agrargesetzgebung nur "das legalisirte Faustrecht" sehen wollten.
Im selben Sinne wirkte insgeheim der vielvermögende Cabinetsrath Gran-
dauer. Auch Feldmarschall Wrede, der mittlerweile seinen Frieden mit
dem Wiener Cabinet geschlossen hatte, ward am Hofe wieder hoch geehrt.
Indessen blieb das Land noch ruhig, obgleich die hohen Bierpreise unter
den Gästen des Hofbräus viel Zorn erregten. Als Ludwig am Jahres-
tage der Leipziger Schlacht den Grundstein zur Walhalla legte, rühmte
sein Minister Schenk in prahlerischer Rede, wie "fest und ruhig hier
der glückliche weil beglückende König Baierns" stehe, während ringsumher
die Empörung tobe. Der König ließ sogar auf die Treue seiner Baiern
eine Münze schlagen und sang ihnen zu:

Siegend alle Proben schon bestanden,
Bleibt Ihr immerdar bei Eurer Pflicht.
Selbst die frühsten Zeiten so Euch kannten;
Baiern, zu verderben seid Ihr nicht!

Was er an Sicherheitsmaßregeln für nöthig hielt, versparte er sich auf
die Zeit nach den Neuwahlen, die im December stattfanden.

Da wurde die Ruhe der Hauptstadt in der Weihnachtswoche mehr-
mals durch rohen Unfug der Studenten gestört. Es war ein gemeiner
Straßenlärm, ohne politischen Zweck, nur mittelbar gefördert durch den
unbestimmten Thatendrang der aufgeregten Zeit. König Ludwig aber
hörte auf die Einflüsterungen seiner Umgebung, er wähnte einer furcht-
baren Verschwörung gegenüberzustehen, befahl zahlreiche, zum Theil un-
gesetzliche Verhaftungen, er schloß die Universität auf einige Zeit und be-
nutzte nunmehr die Vollmacht, die er sich vom Bundestage erbeten hatte.
Am 28. Januar 1831 erließ Minister Schenk eine Preßverordnung,
welche die Besprechung innerer Angelegenheiten der Censur unterwarf und
den Zeitungsschreibern unter Anderem auch verbot die Striche der Cen-
soren durch Lücken im Druck anzudeuten: diese oft sehr drastisch wirkenden
"Censurlücken" waren neuerdings als ein willkommenes Mittel der Noth-
wehr bei der mißhandelten liberalen Presse in Gebrauch gekommen. Die

*) Küster's Berichte, 25. August 1830 ff.
Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 16
Unruhen in München.

In peinlicherer Lage befand ſich König Ludwig von Baiern. Nach
ſeiner ganzen Weltanſchauung konnte er die Juli-Revolution nur verab-
ſcheuen. Man ſah ihn finſter, ſchweigſam einhergehen und bemerkte bald,
daß jener clericale Kreis, welchen die Liberalen nach Pariſer Muſter die
Congregation nannten, in der Stille Einfluß gewann.*) Von den ver-
trauten Generaladjutanten war der eine, General Deuxponts, ein Vetter
Polignac’s, der andere, Prinz Conſtantin Löwenſtein, weithin verrufen als
Feuerbrand der reaktionären Partei; im Schloſſe Heubach am Main ver-
ſammelten ſich um den geiſtreichen unterrichteten Prinzen die Führer der Ul-
tramontanen aus ganz Süddeutſchland und jene feudalen Edelleute, welche in
der neuen Agrargeſetzgebung nur „das legaliſirte Fauſtrecht“ ſehen wollten.
Im ſelben Sinne wirkte insgeheim der vielvermögende Cabinetsrath Gran-
dauer. Auch Feldmarſchall Wrede, der mittlerweile ſeinen Frieden mit
dem Wiener Cabinet geſchloſſen hatte, ward am Hofe wieder hoch geehrt.
Indeſſen blieb das Land noch ruhig, obgleich die hohen Bierpreiſe unter
den Gäſten des Hofbräus viel Zorn erregten. Als Ludwig am Jahres-
tage der Leipziger Schlacht den Grundſtein zur Walhalla legte, rühmte
ſein Miniſter Schenk in prahleriſcher Rede, wie „feſt und ruhig hier
der glückliche weil beglückende König Baierns“ ſtehe, während ringsumher
die Empörung tobe. Der König ließ ſogar auf die Treue ſeiner Baiern
eine Münze ſchlagen und ſang ihnen zu:

Siegend alle Proben ſchon beſtanden,
Bleibt Ihr immerdar bei Eurer Pflicht.
Selbſt die frühſten Zeiten ſo Euch kannten;
Baiern, zu verderben ſeid Ihr nicht!

Was er an Sicherheitsmaßregeln für nöthig hielt, verſparte er ſich auf
die Zeit nach den Neuwahlen, die im December ſtattfanden.

Da wurde die Ruhe der Hauptſtadt in der Weihnachtswoche mehr-
mals durch rohen Unfug der Studenten geſtört. Es war ein gemeiner
Straßenlärm, ohne politiſchen Zweck, nur mittelbar gefördert durch den
unbeſtimmten Thatendrang der aufgeregten Zeit. König Ludwig aber
hörte auf die Einflüſterungen ſeiner Umgebung, er wähnte einer furcht-
baren Verſchwörung gegenüberzuſtehen, befahl zahlreiche, zum Theil un-
geſetzliche Verhaftungen, er ſchloß die Univerſität auf einige Zeit und be-
nutzte nunmehr die Vollmacht, die er ſich vom Bundestage erbeten hatte.
Am 28. Januar 1831 erließ Miniſter Schenk eine Preßverordnung,
welche die Beſprechung innerer Angelegenheiten der Cenſur unterwarf und
den Zeitungsſchreibern unter Anderem auch verbot die Striche der Cen-
ſoren durch Lücken im Druck anzudeuten: dieſe oft ſehr draſtiſch wirkenden
„Cenſurlücken“ waren neuerdings als ein willkommenes Mittel der Noth-
wehr bei der mißhandelten liberalen Preſſe in Gebrauch gekommen. Die

*) Küſter’s Berichte, 25. Auguſt 1830 ff.
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[241/0255] Unruhen in München. In peinlicherer Lage befand ſich König Ludwig von Baiern. Nach ſeiner ganzen Weltanſchauung konnte er die Juli-Revolution nur verab- ſcheuen. Man ſah ihn finſter, ſchweigſam einhergehen und bemerkte bald, daß jener clericale Kreis, welchen die Liberalen nach Pariſer Muſter die Congregation nannten, in der Stille Einfluß gewann. *) Von den ver- trauten Generaladjutanten war der eine, General Deuxponts, ein Vetter Polignac’s, der andere, Prinz Conſtantin Löwenſtein, weithin verrufen als Feuerbrand der reaktionären Partei; im Schloſſe Heubach am Main ver- ſammelten ſich um den geiſtreichen unterrichteten Prinzen die Führer der Ul- tramontanen aus ganz Süddeutſchland und jene feudalen Edelleute, welche in der neuen Agrargeſetzgebung nur „das legaliſirte Fauſtrecht“ ſehen wollten. Im ſelben Sinne wirkte insgeheim der vielvermögende Cabinetsrath Gran- dauer. Auch Feldmarſchall Wrede, der mittlerweile ſeinen Frieden mit dem Wiener Cabinet geſchloſſen hatte, ward am Hofe wieder hoch geehrt. Indeſſen blieb das Land noch ruhig, obgleich die hohen Bierpreiſe unter den Gäſten des Hofbräus viel Zorn erregten. Als Ludwig am Jahres- tage der Leipziger Schlacht den Grundſtein zur Walhalla legte, rühmte ſein Miniſter Schenk in prahleriſcher Rede, wie „feſt und ruhig hier der glückliche weil beglückende König Baierns“ ſtehe, während ringsumher die Empörung tobe. Der König ließ ſogar auf die Treue ſeiner Baiern eine Münze ſchlagen und ſang ihnen zu: Siegend alle Proben ſchon beſtanden, Bleibt Ihr immerdar bei Eurer Pflicht. Selbſt die frühſten Zeiten ſo Euch kannten; Baiern, zu verderben ſeid Ihr nicht! Was er an Sicherheitsmaßregeln für nöthig hielt, verſparte er ſich auf die Zeit nach den Neuwahlen, die im December ſtattfanden. Da wurde die Ruhe der Hauptſtadt in der Weihnachtswoche mehr- mals durch rohen Unfug der Studenten geſtört. Es war ein gemeiner Straßenlärm, ohne politiſchen Zweck, nur mittelbar gefördert durch den unbeſtimmten Thatendrang der aufgeregten Zeit. König Ludwig aber hörte auf die Einflüſterungen ſeiner Umgebung, er wähnte einer furcht- baren Verſchwörung gegenüberzuſtehen, befahl zahlreiche, zum Theil un- geſetzliche Verhaftungen, er ſchloß die Univerſität auf einige Zeit und be- nutzte nunmehr die Vollmacht, die er ſich vom Bundestage erbeten hatte. Am 28. Januar 1831 erließ Miniſter Schenk eine Preßverordnung, welche die Beſprechung innerer Angelegenheiten der Cenſur unterwarf und den Zeitungsſchreibern unter Anderem auch verbot die Striche der Cen- ſoren durch Lücken im Druck anzudeuten: dieſe oft ſehr draſtiſch wirkenden „Cenſurlücken“ waren neuerdings als ein willkommenes Mittel der Noth- wehr bei der mißhandelten liberalen Preſſe in Gebrauch gekommen. Die *) Küſter’s Berichte, 25. Auguſt 1830 ff. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. IV. 16

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/255>, abgerufen am 19.04.2024.